Montag, 29. April 2024

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"GB News" und "News UK"
Neue Konkurrenz für die BBC

Zwei neue Nachrichtenkanäle wollen der öffentlich-rechtlichen BBC Konkurrenz machen. Dabei setzen die Verantwortlichen vor allem auf kommentierende Formate. Das könnte zu einer zunehmenden Polarisierung der britischen Medien führen - ganz im Stil der USA.

Von Christine Heuer | 19.10.2020
Der britische Premierminister Boris Johnson ist während einer Ansprache auf einem Fernsehbildschirm zu sehen.
Auf dem britischen Fernsehmarkt könnte es einige Veränderungen geben (imago/ Matt Crossick)
Am Ende haben sie es doch gesungen bei der Last Night of the Proms: Rule Britannia. Inklusive der Zeile, die Black-Lives-Matter-Aktivisten ein Dorn im Auge ist: "Britons never shall be slaves".
Vorhergegangen war ein leidenschaftlicher Streit darüber, wo die BBC, die das Ereignis traditionell ausstrahlt, politisch zu verorten ist. Wegen Corona sollten die Sänger diesmal zu Hause bleiben. Die BBC kuscht vor "Black Lives Matter", kritisierten die Konservativen im Land. Die BBC kuscht vor den Konservativen, kritisierten danach die Aktivisten. Denn am Ende durfte die Hymne doch gesungen werden.
Enttäuschung durch Ausgewogenheit
Die Auseinandersetzung über "Rule Britannia" ist symptomatisch. In Großbritannien sind alle Medien zur Unparteilichkeit verpflichtet. Die Medienaufsicht Ofcom kontrolliert, ob sie sich daran halten und kann bei Verstößen hohe Bußgelder verhängen. Die öffentlich-rechtliche BBC strengt sich deshalb an, immer alle Seiten gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen.
Ihre Mitarbeiter sollen nicht kommentieren, höchstens analysieren. Wer es aber allen gleich recht machen will, von dem sind leicht alle gleichermaßen enttäuscht. Vor allem in der Brexit-Krise hat der Ruf des Senders arg gelitten. In diese offene Flanke wollen jetzt also "News UK" und "GB News" stoßen. "GB News" hat bereits eine Fernseh-Lizenz erhalten - und mit der Ablösung von BBC-Anchor Andrew Neil einen Coup gelandet.
Personalisierung des Programms
Der 71-jährige Star-Moderator schwärmt von den Plänen seines neuen Arbeitgebers. "GB News" werde es machen wie "Fox" in den USA: Breaking News, präsentiert von kantigen Moderatoren, die auch eine Gesinnung haben dürfen.
In der Tat gehört die Personalisierung des Programms zur Strategie der BBC-Konkurrenten. Außer "GB News" ist das "News UK" aus dem Hause Murdoch. Sein Projekt ist noch nicht so weit gediehen, hat vor allem noch keine britische TV-Lizenz. Aber keiner steht so sehr für Meinung - im schlechtesten Fall: Manipulation von rechts - wie Rupert Murdoch. Murdochs eigener Sohn James distanziert sich inzwischen vom Konzept der "opinion shows":
"Ich finde es frustrierend, dass Nachrichten-Anbieter predigen wie zu einem Chor. Sie haben ihr Publikum, das alles glaubt, was sie in ihren Meinungs-Sendungen sagen. Damit erweisen sie keinem einen guten Dienst."
Neuausrichtung der BBC?
Wie passt dieses "Predigen von Meinungen" zu der in Großbritannien so groß geschriebenen Unparteilichkeit? Die Ofcom gibt den Anbietern durchaus Spielraum, sagen Medien-Experten. Am Ende zähle der Sender, nicht die einzelne Sendung. Wenn unterm Strich so etwas wie ein Interessensausgleich herauskommt, dann sei die Medienaufsicht zufrieden. Etwas Ähnliches empfiehlt Tim Montgomerie, der früher Boris Johnson beraten hat, nun auch der BBC, die er für zu politisch korrekt hält:
"Wo sind die Brexiteers, wo sind die Leute, die in die Kirche gehen? Woran es den etablierten Rundfunksendern in Großbritannien mangelt, sind Programme, die verstehen, wo die Gesamtheit aller Zuschauer steht. Wenn sie in diesem Sinne divers wären, dann bekämen wir wirkliche Unabhängigkeit von diesen Kanälen."
"Zeitalter grotesker Desinformation"
Der frühere konservative Kulturminister Ed Vaizey widerspricht: "Wir leben in einem Zeitalter grotesker Desinformation. Wir brauchen mehr denn je unsere öffentlich-rechtlichen Sender. Wir hängen ungeheuer ab von der BBC in diesem 21. Jahrhundert-Digital-Zeitalter. Und zwar weltweit."
Noch senden weder "GB News" noch "News UK" im britischen Fernsehen. Doch der Start wenigstens des ersten der beiden Kanäle dürfte kurz bevorstehen.