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GdP-Chef beklagt Defizite beim Terrorschutz

Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), wirft der Politik einen unverantwortlichen Stellenabbau vor. Es sei derzeit nicht möglich, Terrorverdächtige rund um die Uhr zu überwachen, sagte Freiberg. Das werde sich rächen.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Unterbezahlt, unterbesetzt und überfordert - ist damit die Situation der Polizisten in Deutschland treffend beschrieben, oder fehlt da noch etwas? Ich will Konrad Freiberg danach fragen, er ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Die Gewerkschaft hält heute ihren Bundeskongress ab, Motto: Polizei für die Sicherheit - Sicherheit für die Polizei. Guten Morgen, Herr Freiberg!

    Konrad Freiberg: Schönen guten Morgen, Frau Durak!

    Durak: Was fehlt denn an dieser Kurzbeschreibung?

    Freiberg:! Da fehlt dran, dass der Polizeiberuf immer gefährlicher wird. Das muss man deutlich sagen. Wir haben immer häufiger Widerstände bei Einschreiten zu verzeichnen. Und von dort her ist das immer schwieriger geworden, auch den Polizeiberuf zu aller Zufriedenheit auszuüben.

    Durak: Gibt es denn auch etwas Positives an Ihrem Beruf?

    Freiberg: Doch, es gibt sehr viel Positives. Es ist ein sehr interessanter Beruf. Das sieht man auch an Umfragen. Das sieht man auch, wenn man Schüler fragt, der Polizeiberuf ist Nummer eins. Von dort her sind wir stolz auf das, was wir machen, auch für den Bürger.

    Durak: Die Bundeskanzlerin und auch die Generalbundesanwältin Harms haben Bürger, haben uns angesichts von Terrorgefahren, Gewalttaten und Rechtsextremismus zu mehr Wachsamkeit aufgerufen. In diesem Zusammenhang werden Sie, Herr Freiberg, zitiert, mit Bezug auf Terrorgefahren, es liege etwas in der Luft. Was denn?

    Freiberg: Wir haben die Situation im Bereich des islamistischen Terrorismus, dass wir in Deutschland rund 100 Gefährder haben, das heißt Leute, wo wir Anhaltspunkte haben, dass sie bereit wären, auch Anschläge zu machen. Wir haben mittlerweile über 200 Ermittlungsverfahren laufen, und wir haben in der Vergangenheit auch schon fünf Anschläge verhindern können hier bei uns ganz konkret. Von dort her ist das eine sehr, sehr ernste Situation, in der wir leben. Und deswegen dürfen wir auch keine Zeit vergeuden, um die Sicherheitsdefizite, die bestehen, auch zu beseitigen.

    Durak: Worin bestehen die?

    Freiberg: Wir haben die Situation, dass wir nicht in der Lage sind, die so genannten Gefährder, die rund 100 Gefährder, rund um die Uhr zu überwachen. Uns fehlt ganz einfach das Personal. Das hängt auch damit zusammen, dass die Politik sehr widersprüchlich ist. Einerseits kriegen wir immer mehr Aufgaben, die Gefahren werden größer, andererseits hat man uns zu Tausenden schon die Polizistenstellen gekürzt, und weitere Kürzungen sind vorgesehen.

    Durak: Können Sie das konkretisieren?

    Freiberg: Ja. Wir würden ganz gerne die so genannten 100 Gefährder rund um die Uhr überwachen. Nun muss man wissen, dass zu einer Überwachung einer Person eine ganze Anzahl von Polizisten fällig sind, zwischen 10 und 20, je nach Intensität. Und wir haben das Personal nicht. Wir haben 7000 Polizisten weniger als vor fünf Jahren. Von dort her ist das, was die Politik macht, verantwortungslos. Ich bin auch sicher, das wird sich auch noch rächen.

    Durak: Herr Freiberg, wenn Sie denn schon zu wenig Leute haben und wahrscheinlich auch Material. Wie kommt Ihnen das dann vor, wenn die Bundesregierung davon spricht, die Auslandseinsätze der Polizei zu erweitern, beispielsweise in Bosnien-Herzegowina, will dort Bundeswehrsoldaten abziehen, Polizisten hinschicken? Und auch die Innenminister der Länder wollen Donnerstag, Freitag dieser Woche über die Ausweitung des Polizeieinsatzes in Afghanistan beraten.

    Freiberg: Das ist ein sehr widersprüchliches Verhalten. Ich sage ganz deutlich, wir sind bereit, als Polizisten auch ins Ausland zu gehen in Einzelfällen, um beim Aufbau einer demokratischen Polizei zu helfen. Wir sind aber nicht bereit, dort Kriegspartei zu werden, in Bürgerkriegen dabei. Das kann nicht die Aufgabe der Polizei sein. Und wenn man dann die Diskussion betrachtet, einerseits sagt man, die Bundeswehr ist überlastet, muss sich zurückziehen, andererseits sagt man, die Bundeswehr soll im Inneren eingesetzt werden, und dann schickt man die Polizei ins Äußere. Ich glaube, diesen Widerspruch merkt jeder.

    Durak: Hätten Sie denn die Leute und auch ausgebildete Leute, die in Auslandseinsätze der Polizei zunehmend zu schicken?

    Freiberg: Wir haben diese Leute wirklich nur in Einzelfällen. Denn wir sind für die innere Sicherheit zuständig und sind ja nie geplant worden, dass wir sozusagen in größeren Kontingenten im Ausland tätig werden. Das können wir wirklich dann auch nur machen mit einzelnen Personen, einzelnen Kollegen, aber nicht größere Kontingente. Dazu sind wir nicht in der Lage.

    Durak: Der Bundespräsident hatte jetzt davon gesprochen, dass sich Deutschland sehr viel mehr im Irak engagieren sollte. Darauf kam neben kritischen Worten auch eine Antwort aus der Bundesregierung, man könnte ja Grenzschutzbeamte ausbilden. Wäre das etwas, was in Ihren Bereich fällt?

    Freiberg: Wir bilden im Irak, beziehungsweise wir bilden irakische Polisten bereits aus, zum Teil auch hier in Deutschland. Das machen wir auch mit großem Engagement. Aber keine Ausbildung von Grenzschutzpolizeibeamten im Irak oder ähnliches, was manchen da im Kopf vorgehen mag. Das können wir nicht. Wenn es in Einzelfällen möglich ist zu helfen bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten oder Polizisten, dann machen wir das natürlich gerne.

    Durak: Die Bundeswehr soll mehr im Inneren eingesetzt werden, da gibt es ja eine lang anhaltende Diskussion, dafür mehr Polizisten ins Ausland. Mancher Bürger versteht das irgendwie nicht. Nun ist es klar, dass polizeiliche Aufgaben nicht wahrgenommen werden können, wenn nicht genügend und ausreichendes und vor allen Dingen geeignetes Material da ist. Die Bundesjustizministerin hatte bei uns hier am Wochenende gesagt, wenn die Polizei halt nicht über die Waffen, das Material, verfügt, um bestimmte Gefahren abzuwehren, weshalb dann nicht Bundeswehr als Helfer der Polizei. Wie finden Sie das?

    Freiberg: Der Gedanke ist richtig. Das wird in der Öffentlichkeit ein bisschen immer durcheinander gebracht. Wir sperren uns dagegen, dass die Bundeswehr für Polizeiaufgaben eigenständig mit eingesetzt wird, zum Beispiel, wie Herr Schäuble das vorgeschlagen hat, für Objektschutzmaßnahmen und Ähnliches. Das lehnen wir ab. Wir sind natürlich dafür, und das funktioniert auch wesentlich heute, dass die Bundeswehr in den Fällen, wo Katastrophen zum Beispiel vorliegen, uns helfen, oder auch in den Fällen, wo die Polizei nicht über die Waffen verfügt, zum Beispiel bei der Luftabwehr oder bei der Seesicherheit. Da sind wir der Auffassung, da soll die Bundeswehr natürlich helfen, aber für die Polizei, im Namen der Polizei, im Rahmen der Amtshilfe.

    Durak: Die Bundesregierung, Herr Freiberg, will die innere Sicherheit während ihrer EU-Ratspräsidentschaft ab Januar 2007 ganz oben auf die Agenda nehmen, wie es so heißt. Welches konkrete Ziel sollte sie dabei verfolgen aus Ihrer Sicht?

    Freiberg: Das Ziel müsste sein, das, was es noch an Hindernissen gibt in der internationalen Zusammenarbeit zu beseitigen. Vieles wird beschlossen, aber in Wirklichkeit passiert nichts auf europäischer Ebene. Im kleinen Grenzverkehr zwischen den Polizeien direkt ist meistens das Verhältnis in Ordnung. Aber auf politischer Ebene, wenn es um Datenaustausch geht, dann dauert alles unendlich lange. Und von dort her ist natürlich die Hoffnung damit verbunden, dass dieses sich dann verbessert.

    Durak:: Besten Dank. Das war Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Heute wird der Bundeskongress der Gewerkschaft in Berlin beginnen. Übrigens, die Bundeskanzlerin werden Sie erwarten, Herr Freiberg, und man darf gespannt sein, was Ihnen die Kanzlerin sozusagen ins Stammbuch schreiben wird. Dankeschön, Herr Freiberg.
    Freiberg: Ich bedanke mich auch, schönen Dank.