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Gefährliche Anrainer-AKWs

Auch wenn Anfang 2020 die Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet sind - ein katastrophaler Reaktorunfall könnte uns trotzdem treffen. Denn ganz in der Nähe der deutschen Grenze stehen immer noch viele Meiler. Und einige davon sind ziemlich alt.

Von Verena Kemna | 11.03.2013
    Fast 60 Reaktoren machen Frankreich zum weltweit zweitgrößten Produzenten von Kernkraft. Die französische Regierung unter Francois Hollande hat verkündet, dass der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung langfristig von etwa drei Viertel auf die Hälfte reduziert werden soll. Das würde bedeuten, dass bis 2025 etwa zwanzig der beinahe sechzig französischen Atommeiler heruntergefahren werden müssten.

    Doch trotz dieser Regierungspläne belastet das AKW Cattenom an der Mosel die deutsch-französische Nachbarschaft. Das lothringische AKW direkt an der deutschen Grenze soll trotz der Katastrophe von Fukushima noch Jahrzehnte am Netz bleiben. So jedenfalls lautet die Prognose des Direktors der Atomanlagen von Cattenom, Guy Catrix.

    "Wir gehen für Cattenom von einer Lebensdauer zwischen fünfzig und sechzig Jahren aus."

    Die Anrainer in Luxemburg, Rheinland-Pfalz und im Saarland fordern die sofortige Abschaltung des Atommeilers, denn dort kommt es immer wieder zu Störfällen. Die Franzosen wollen zwar mit Milliardeninvestitionen die Sicherheitsstandards in Cattenom verbessern, halten aber am Betrieb des umstrittenen Atommeilers fest. Malu Dreyer, die rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsidentin will weiterhin gemeinsam mit den Landesregierungen von Luxemburg und des Saarlandes gegen das AKW Cattenom kämpfen.

    "Cattenom bleibt ein Thema, wir sind da immer ganz aktiv mit der Umweltministerin und der Energieministerin vor Ort. Auch ich als Bürgerin war schon ganz oft bei Demonstrationen gegen Cattenom."

    In Frankreich bekennen sich Umfragen zufolge immer mehr Menschen für einen langfristigen Ausstieg aus der Atomkraft.

    In einem anderen Nachbarland, der Schweiz, sind fünf Atommeiler in Betrieb. Dort hat die Regierung im Mai 2011 den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und Ausbaupläne gestoppt. Drei der fünf Meiler stehen nahe der deutschen Grenze. Jürg Buri arbeitet für die atomkraftkritische schweizerische Energiestiftung in Zürich. Schon lange vor Fukushima hätten Volksabstimmungen zum Betrieb von Kernkraftwerken keine deutlichen Mehrheiten mehr für den Atomstrom ergeben. Er fordert für sein Land mehr Stromeffizienz und mehr Förderung der Photovoltaik.

    "Nur alleine die Effizienzpotenziale liegen bei etwa 30 Prozent. Wir verschwenden jede dritte Kilowattstunde in nicht effizienten elektrischen Anwendungen. Also zum Beispiel könnten wir sämtliche Elektroheizungen in der Schweiz, es gibt 240.000 davon, durch Wärmepumpen ersetzen und das würde uns zum Beispiel die Strommenge des AKW-Mühlenbergs gleich einsparen."

    Von klaren Ausstiegsplänen ist in einem anderen Nachbarland keine Rede. In Tschechien sind insgesamt sechs Reaktoren in Betrieb, außerdem sind zwei weitere in Planung. Mit den Ausbauplänen hält die tschechische Regierung an ihrer herkömmlichen Politik pro Atomkraft fest, so die Einschätzung von Stephan Kurth. Er ist beim Ökoinstitut zuständig für Kernkraft und Sicherheit.

    "Es passt nicht mehr in die heutige Zeit, wo gerade auch das Nachbarland Deutschland vorgemacht hat, dass es auch ohne gehen kann und insofern ist es einfach ein Rückschritt, dann dabei zu bleiben."

    Noch sind die tschechischen Ausbaupläne Vision. Alternativen zur Atomkraft sind nicht in Sicht, ein schneller Ausstieg sei deshalb kaum möglich, so Stephan Kurth. Ein Drittel der tschechischen Stromerzeugung ist derzeit nuklear. Der Experte vom Ökoinstitut ist sich sicher: Weltweit wird das technische Alter der Reaktoren über die Zukunft der Kernenergie entscheiden.
    Undatierte Aufnahme des Kernkraftwerkes in Beznau im Schweizer Kanton Aargau.
    Das Kernkraftwerk in Beznau im Schweizer Kanton Aargau. (picture alliance / dpa)