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Geis: Linksextremistische Szene muss beobachtet werden

Norbert Geis sagt, dass man sich beim Verfassungsschutz nicht nur auf schwere Straftaten konzentrieren dürfe. Der CSU-Rechtspolitiker fordert zum Beispiel, dass die linksextremistische Szene, zu der auch Mitglieder der Linkspartei gehören würden, beobachtet werden müsse.

20.09.2012
    Sandra Schulz: Dass sich etwas tun muss bei den Sicherheitsbehörden, das ist Konsens, seitdem die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle bekannt geworden ist, allerspätestens, seitdem die Ermittlungspannen publik wurden um den Nationalsozialistischen Untergrund inklusive der Aktenschredderaktion beim Verfassungsschutz. Aber was muss sich tun? Da ist Bundesinnenminister Friedrich noch auf der Suche nach einem Konsens. Seine Pläne für eine Reorganisation, die stoßen auf Widerstand unter anderem auch in eigenen Reihen.
    Mitgehört hat Norbert Geis, für die CSU Mitglied im Rechtsausschuss des Bundestages und jetzt am Telefon. Guten Tag!

    Norbert Geis: Ich grüße Sie.

    Schulz: Herr Geis, was soll das Bundesamt für Verfassungsschutz künftig machen? Sollen sie sich auf gewaltbereite Extremisten konzentrieren, so wie es der Innenminister vorschlägt, oder beim ganzen Spektrum bleiben?

    Geis: Das muss man noch mal genau überlegen. Ich unterstütze jedenfalls den Innenminister in seinem Bestreben, das Bundesverfassungsamt schlagkräftiger zu machen, also noch besser zu machen, als es ja schon ist. So schlecht ist es ja nicht. Diese Bestrebungen kann man nur unterstützen, und da hat er auch das volle Vertrauen der CSU und auch der CDU.

    Schulz: Sie sagen, das müsse man noch diskutieren. Was Sie für richtig halten, das können Sie uns heute Mittag nicht sagen?

    Geis: Nein. Ich meine, der Bundesinnenminister will eine Konzentrierung, eine Priorisierung der Aufgabenstellung des Bundesamtes für Verfassung, und er will deshalb sich wohl stärker auf die, sagen wir mal, harten Fälle konzentrieren mit dem Bundesamt und will jetzt das weitere Umfeld, das da mitspielt, den Landesämtern eher überlassen. Er möchte schon, wenn Gefahr droht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz unmittelbar zugreifen kann, unmittelbar dabei sein kann, unmittelbar ermitteln kann. Und ich meine, das ist ein Bestreben, das der Minister hat, das kann man ja nur unterstützen, wenn dadurch eine größere Schlagkraft erreicht wird. Ob allerdings - und das ist ja das Gegenargument, ob man sich nun konzentrieren kann nur auf schwere Straftaten und so das Umfeld völlig außer Acht lässt, das ist natürlich eine Sache, die müssen die Fachleute noch einmal durchdenken und da muss man noch einmal versuchen, einen Konsens zu erreichen.

    Schulz: Aber Sie haben zumindest gerade von den harten Fällen gesprochen. Wenn wir das übersetzen in die gewaltbereiten Fälle, welches Argument kann es denn dann noch geben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Linkspartei beobachtet?

    Geis: Ich meine, die Linkspartei sollte ja ursprünglich von den Ländern oder jetzt nach der Vorstellung des Innenministeriums von den Länderverfassungsschutzbehörden beobachtet werden. Die sind aber zum großen Teil oder sie sind teilweise nicht bereit, Brandenburg zum Beispiel, habe ich gehört, ist dazu nicht bereit, und nach wie vor ist aber die Linkspartei, die immer noch in Teilen jedenfalls stark verankert ist im kommunistischen Denken, stark verankert ist im Denken der SED, die muss nach wie vor nach meiner Auffassung beobachtet werden, jedenfalls teilweise. Ich will nicht sagen, dass jeder, jedes Mitglied der Linkspartei nun jetzt verfassungswidrig handelt oder im Verdacht steht, nicht im Einklang mit unserer Verfassung zu stehen. Das will ich nicht behaupten. Aber dass da eine gewisse Gefahr besteht, das kann man nicht leugnen, und deswegen muss man da hinterher sein.

    Schulz: Herr Geis, ist das wirklich nach den Erkenntnissen jetzt über den NSU, über die erheblichen Ermittlungspannen, ist es das größte Problem, das der Verfassungsschutz hat in Deutschland?

    Geis: Nein! Ich meine, das ist nicht das größte Problem. Das ist aber eines dieser Probleme. Nur soll man dieses Problem nicht außer Acht lassen. Ich meine, man soll das eine tun, das andere nicht lassen. Natürlich ist jetzt eine Anstrengung notwendig, die rechtsextremistischen Bestrebungen zu bekämpfen. Nachdem es die Pannen bei der NSU gegeben hat, muss nachgegangen werden, wie da solche Pannen verhindert werden können, auch durch den Verfassungsschutz der Länder und natürlich den Bundesverfassungsschutz. Aber gleichzeitig darf man ja das ganze linke Spektrum niemals aus dem Auge lassen, will der Innenminister auch gar nicht.

    Schulz: Wenn der Eindruck doch aber ist, dass der Verfassungsschutz bei der Ermittlung wie gesagt rund um den NSU schon überfordert war, um es vielleicht ein bisschen polemisch zu sagen, wäre dann eine Konzentration mit den Ressourcen auf die echten Probleme nicht wichtiger?

    Geis: Ja gut, also ich will hier nicht sagen, dass die Beobachtung der linksextremistischen Szene kein echtes Problem ist. Das halte ich schon für ein echtes Problem.

    Schulz: Und damit meinen Sie die Partei Die Linke?

    Geis: Ich meine das ganze linksextremistische Spektrum. Und dass die Partei Die Linke dabei in irgendeiner Weise mit beteiligt ist, kann ja nicht geleugnet werden. Zumindest besteht der Verdacht und da muss der Verfassungsschutz hinterher sein.

    Schulz: Ich muss das noch mal nachfragen, Herr Geis. Sie halten die Partei Die Linke für gewaltbereit?

    Geis: Ich halte die Partei Die Linke für insgesamt natürlich nicht gewaltbereit. Jedenfalls habe ich keine, kann ich das nicht erkennen. Aber ich halte durchaus, bin durchaus der Meinung, dass der Verfassungsschutz diese linksextremistische Szene, zu der teilweise natürlich auch die Linkspartei gehört oder Mitglieder der Linkspartei gehören, beobachtet. Davon abzulassen, halte ich, würde ich für völlig falsch halten.

    Schulz: Was ist dann mit den separatistischen Tendenzen aus der CSU? Sind die dann nicht auch ein Argument für die Überwachung Ihrer Partei?

    Geis: Wieso denn das? Das ist ja jetzt Polemik. Wenn Sie meinen, dass die CSU eine gewaltbereite Partei ist, dann kennen Sie die Geschichte der letzten 60 Jahre nicht.

    Schulz: Herr Geis, ich habe von separatistischen Tendenzen gesprochen. Sie haben mitbekommen, dass der CSU-Politiker Scharnagl jüngst das Buch veröffentlicht hat "Bayern kann es auch allein". Wie ist das mit dem Bundesstaatsprinzip zu vereinbaren?

    Geis: Ja also das geht nicht. Wir wollen nicht aus dem Bundesstaat austreten. Das geht auch gar nicht von der Verfassung her. Wir sind in Bayern froh, in Bayern zu leben, das hier ist unsere Heimat und unser Vaterland ist Deutschland. Das halten wir immer hoch. Wir sind mindestens so gute Deutsche, die Bayern und die Franken - ich komme aus Unterfranken - sind mindestens so gute Deutsche wie irgendein anderes Land in Deutschland auch.

    Schulz: Aber bei solchen Publikationen muss sich der Verfassungsschutz das nicht angucken?

    Geis: Ach, nun hören Sie mal. Sie kennen offenbar Herrn Scharnagl nicht. Herr Scharnagl ist bis in die letzte Haarspitze hinein Demokrat und freiheitlich denkender Mensch. Der kann doch einmal überlegen, ob man Bayern nicht eine größere Selbstständigkeit zubilligen könnte. Das ist doch eine Überlegung, die am Anfang der Bundesrepublik Deutschland schon stand und immer wieder einmal gedacht wird. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir solche Überlegungen vielleicht anstellen können, aber niemals in die Tat umsetzen. Dazu sind wir viel zu sehr verankert in der Bundesrepublik und denken im Traum nicht daran, auch da rauszusteigen. Aber den Herrn Scharnagl möchte ich schon in Schutz nehmen. Der ist wirklich ein Demokrat, wie ich keinen sonst kenne.

    Schulz: Haben wir verstanden. - Der CSU-Rechtspolitiker Norbert Geis heute in den "Informationen am Mittag" hier im Deutschlandfunk. Danke!

    Geis: Danke Ihnen auch.

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