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Geldpolitik
Die Bundesbank und ihr Verhältnis zur EZB

Im Streit um die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank spielt die Bundesbank eine wichtige Rolle. Sie ist an die Beschlüsse des Eurosystems gebunden. Ob sie aber immer dazu verpflichtet ist, zog eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Zweifel. Wie ist das Verhältnis der beiden Banken?

Von Brigitte Scholtes | 04.08.2020
Der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) überragt am 04.06.2014 die Zentrale der Bundesbank in Frankfurt am Main (Hessen).
Einst autonom, nun ein Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken: Die Zentrale der Bundesbank in Frankfurt wird vom EZB-Gebäude überragt (picture alliance / Boris Roessler)
"Herzlichen Glückwunsch zum ersten Preis, wir sind Ihnen sehr dankbar. Wir danken Ihnen. Auf gute Zusammenarbeit!"
Mitte Juli: Johannes Beermann, Vorstand der Deutschen Bundesbank, überreicht den ersten Preis im Architektenwettbewerb für die Neugestaltung des Campus an das Baseler Büro Morger Partner Architekten. Die Bundesbank braucht mehr Platz, denn sie möchte in ihrer Zentrale in Frankfurt am Main die 5.000 Mitarbeiter auf einem Grundstück zusammenbringen. Die Architektur solle die Aufgabe der Deutschen Bundesbank widerspiegeln, sagt Beermann.
"Das Haupthaus, 1967 bis 1972 gebaut, ganz alleine, massiv, im Stil der Moderne, da war die Bundesbank alleinstehend. Jetzt erweitern wir uns, es kommen andere Elemente da vorne dazu, die aber trotzdem Respekt haben vor dem, was passiert ist. Bestand und Erneuerung, das hat etwas auch mit Geldpolitik zu tun, die wir eben jetzt im Rahmen mit der EZB, als der Stelle, die sie macht, dann eben auch darstellen. Und dem trägt das auch mehr Richtung. Es ist nicht ein Monolith, sondern es sind eben jetzt auch mehrere Gebäude, es ist eine Öffnung nach draußen."
Logo der deutschen Bundesbank (Zentralbank der BRD).
Die Deutsche Bundesbank - Einst die mächtigste Notenbank Europas
Die Deutsche Bundesbank galt – bis sie zu einem Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken wurde – als die mächtigste Notenbank Europas. Ihre Unabhängigkeit brachte sie häufig in Konflikt mit der Bundesregierung.
Bundesbank kann Geldpolitik nicht mehr autonom gestalten
So wie die Bundesbank nun ihre Zentrale ästhetisch an die neuen Gegebenheiten anpasst, so hat sie das auch inhaltlich tun müssen. Denn sie kann seit 1999 die Geldpolitik nicht mehr autonom gestalten. Als Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken kann sie diese nur noch mitbestimmen. Als nationale Notenbank muss sie die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank im Inland durchsetzen.
Ob sie dazu immer verpflichtet ist, darum ging zuletzt der Streit vor dem Bundesverfassungsgericht um die Anleihepolitik der EZB. Die Karlsruher Richter hatten Anfang Mai, anders als der eigentlich zuständige Europäische Gerichtshof, entschieden, die EZB müsse die Verhältnismäßigkeit ihrer Geldpolitik darlegen – und dafür eine Frist bis zum 5. August gesetzt. Andernfalls dürfe sich die Bundesbank nicht mehr an den Käufen im Rahmen eines bestimmten Anleihekaufprogramms beteiligen, des Public Sector Purchase Program, kurz: PSPP.
Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht, setzt nach der Urteilsverkündung des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu milliardenschweren Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) am 05.05.2020 seine Kopfbedeckung auf.
EZB-Urteil des Verfassungsgerichts - Ein Erdbeben, ausgelöst in Karlsruhe
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank hat Schockwellen ausgelöst, die noch lange spürbar sein werden.
"Ich habe selbst als unabhängiger Sachverständiger gesagt, nach meiner Einschätzung sind die Maßnahmen der EZB im PSPP-Programm verhältnismäßig und erfüllen dieses Kriterium", sagt Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt.
"Aber ich halte es selbstverständlich für richtig, von der EZB durchaus auch noch zu fordern, diese Verhältnismäßigkeit besser darzustellen, und zwar nicht in Reden oder in Protokollen, sondern in Entscheidungen, in Texten, hinter denen der gesamte EZB-Rat und die Mehrheit der Mitglieder steht."
Das hat die EZB inzwischen getan. Die Bundesregierung und der Bundestag und auch die Bundesbank sehen damit die Vorgaben als erfüllt an Eine Gruppe von Klägern um den Rechtsanwalt und ehemaligen CSU-Politiker Peter Gauweiler und den Gründer der AfD Bernd Lucke, reichen die Darlegungen der Notenbank noch nicht. Weil die Dokumente teilweise öffentlich nicht zugänglich sind, sei die Argumentation der EZB für sie nicht nachvollziehbar. Deshalb ist am vergangenen Freitag ein Antrag auf Erlass einer Vollstreckungsanordnung beim Bundesverfassungsgericht eingegangen, bestätigte ein Sprecher des Gerichts. Das bedeutet, dass sich das Bundesverfassungsgericht noch einmal mit dem Fall befassen muss.
"Alle Deutschen glauben an die Deutsche Bundesbank"
In diesem Streit um die Geldpolitik der EZB spielt die Deutsche Bundesbank eine besondere Rolle. Und das, obwohl sie 1999 die Zuständigkeit für die Geldpolitik endgültig an die Europäische Zentralbank abgeben musste. Die 1957 gegründete Bundesbank, Nachfolgerin der "Bank deutscher Länder", hatte sich bis dahin hohes Ansehen bei den Bundesbürgern erarbeitet, denn die nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführte D-Mark war eine stabile Währung.
"Die D-Mark war ein Symbol für den Wiederaufstieg Deutschlands aus der Asche des Zweiten Weltkriegs." Ottmar Issing war von 1990 bis 1998 Direktoriumsmitglied und Chefvolkswirt der Bundesbank.
"Die Bundesbank und die D-Mark haben die Erwartungen der Deutschen erfüllt. Wenn die Deutschen ins Ausland reisten, vielleicht waren sie nicht überall so gern gesehen, ihre Währung jedenfalls schon. Und das hat sich übertragen auf die Einstellung der Deutschen zu ihrer Währung. Und Jaques Delors, der frühere Präsident der Europäischen Kommission, hat einmal halb ironisch, halb bewundernd gesagt: "Sie wissen, nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle Deutschen glauben an die Deutsche Bundesbank." Das war natürlich überhöht, aber ist nur erklärlich vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs 1945."
D-Mark-Geldscheine und -Münzen
D-Mark-Einführung vor 70 Jahren - "Die D-Mark war eine weltweit geachtete Währung"
Die D-Mark sei weltweit beliebt gewesen, sagt Johannes Beermann, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Von ihrer Einführung bis zur Abschaffung habe die Währung an Wert gewonnen.
Diese stabile Währung und die Bedeutung der deutschen Wirtschaft brachten es mit sich, dass die Bundesbank bis zur Einführung des Euro auch in Europa maßgeblich die Geldpolitik beeinflusste.
"Wenn andere Länder mit ihren Währungen nicht abwerten wollten gegenüber der starken D-Mark, dann mussten sie mehr oder weniger die Geldpolitik, die Zinspolitik der Deutschen Bundesbank, nachvollziehen", erklärt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
"Faktisch hat die deutsche Bundesbank bis 1999 die Geldpolitik für ganz Westeuropa gemacht. Das sieht jetzt anders aus. Die geldpolitischen Beschlüsse kommen nicht mehr von der Bundesbank, sondern kommen vom Rat der Europäischen Zentralbank. Und im Grunde genommen muss die Deutsche Bundesbank diese Beschlüsse umsetzen, auch wenn ihr der ein- oder andere Beschluss ihr so nicht passen würde."
Bundesbank - nur eine von vielen Stimmen im EZB-Rat
Umso schwerer fiel gerade den Deutschen der Abschied von der D-Mark. Doch die Abgabe der geldpolitischen Kompetenz wurde auch von den Deutschen unterstützt, erinnert Christoph Schalast, Professor für Wirtschaftsrecht an der Frankfurt School of Finance and Management:
"Das war die Konsequenz des Maastricht-Prozesses und der Einführung des Euros. Das hat vor allen Dingen Deutschland gewollt, und das haben wir auch ganz massiv vorangetrieben. Das war im Grunde auch eine Konsequenz der Wiedervereinigung, weil damals die anderen europäischen Mitgliedsstaaten Angst hatten vor einem europäischen Wirtschaftsraum, der von der sehr starken D-Mark beherrscht wurde, was auch nicht im Interesse Deutschlands gewesen wäre. Und insoweit war das ein sehr folgerichtiger Weg. Dann wurde eine unabhängige EZB geschaffen, die nach dem Vorbild der Bundesbank gerade in der Geldpolitik agieren sollte und deren Ziele klar definiert wurden."
Seither ist die Bundesbank Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken. Im EZB-Rat, der die geldpolitischen Entscheidungen fällt, hat der Bundesbankpräsident nur eine Stimme wie auch die Vertreter der anderen nationalen Zentralbanken im Euroraum. Dort diskutiert er mit über die Geldpolitik.
Das ist eine Möglichkeit, wie die deutsche Notenbank nun Einfluss nehmen kann, erklärt deren Kommunikationschef Michael Best: "Es gibt Komitees des Eurosystems auf Fachebene, wo die Beratungen des EZB-Rats fachlich vorbereitet werden. Und dort arbeitet die Bundesbank mit, genau wie die anderen Notenbanken auch. Und es kommt darauf an, dass unsere Experten eine sehr gute Kenntnis besitzen, sehr gute Argumente vorbringen können. Und so kann man sich Geltung verschaffen. Und dann geht es natürlich um die Beratungen im EZB-Rat selbst. Und ich denke, man braucht sich keine Sorgen machen, dass der Bundesbankpräsident da nicht argumentationsstark wäre."
Das gilt sowohl für den amtierenden Präsidenten Jens Weidmann als auch schon für seinen Vorgänger Axel Weber. Das Wort der Bundesbank hat auch Gewicht, weil sie die Notenbank der größten Volkswirtschaft im Euroraum ist.
Je unabhängiger die Notenbank, desto stabiler das Geld
Neben der Beteiligung an der Geldpolitik im Euroraum und deren Umsetzung arbeitet die Bundesbank an der Aufsicht über Kreditinstitute mit, sie stellt das Bargeld in Deutschland zur Verfügung, sorgt dafür, dass der unbare Zahlungsverkehr funktioniert, wacht über die Finanzstabilität und verwaltet Deutschlands Währungsreserven. Dass die Bundesbank in ihrer Zeit als Hüterin der D-Mark so erfolgreich war, das sei auch ihrer Unabhängigkeit zu verdanken, meinen Ökonomen.
So sieht es auch Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt sowohl der Bundesbank als später auch der EZB: "Es gibt fast unzählige Studien, die belegen, dass zwischen dem Grad der Unabhängigkeit der jeweiligen Notenbank und der Stabilität des Geldes ein Zusammenhang besteht. Je unabhängiger die Notenbank, desto höher der Grad der Geldwertstabilität und umgekehrt."
Doch diese Unabhängigkeit musste die Bundesbank immer wieder verteidigen, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer. Schon in den fünfziger Jahren sei sie vom damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer scharf angegriffen worden.
"Er hat davon gesprochen, dass die Zinserhöhung der Bundesbank wie ein Fallbeil für die deutschen Unternehmen wirken. Also solche Angriffe gab es, aber die Bundesbank ist da fest geblieben in den fünfziger Jahren, hat sich dann eine Reputation als unabhängige Zentralbank erarbeitet bei der Bevölkerung, die ja noch die zwei Hyperinflationen gut in Erinnerung hatte."
Und dazu gehörte auch bei der Bundesbank schon das Mittel der Anleihekäufe, wenn auch viel seltener als bei der EZB heute, erinnert Otmar Issing: "Das was die EZB da macht, das gehört zum Repertoire jeder Notenbank, dass man mit Anleihekäufen versucht den langfristigen Zins zu beeinflussen. Das hat man früher oft Marktpolitik genannt, wegen der hohen Summen heißt das jetzt eher "Quantitative Easing", also quantitatives Lockern. Das als solches kann nicht infrage stehen. Das Problem der Anleihekäufe im Euro-Raum liegt darin, dass die Anleihen von einzelnen Staaten ausgegeben werden."
Deshalb kauft die EZB in ihren klassischen Anleihekaufprogrammen die Anleihen der einzelnen Länder entsprechend deren Anteil am Kapital der EZB. Sie begünstigt also nicht ein einzelnes Land. Das ist die Begründung, mit der sie dem Vorwurf begegnet, sie betreibe monetäre Staatsfinanzierung, die ihr nach dem Vertrag von Maastricht verboten ist.
EZB: Preisstabilität in Europa wahren
Wie einst für die Bundesbank ist auch für die EZB die Wahrung der Währungsstabilität das oberste Ziel. Erst wenn diesem Ziel Genüge getan ist, unterstützt sie auch die Wirtschaftspolitik. Der wesentliche Unterschied zur Geldpolitik einer nationalen Notenbank: Diese wird nur auf das jeweilige Land ausgerichtet, die EZB aber bezieht sich auf viele Länder mit immer noch unterschiedlichen Anforderungen.
Und im Euroraum gebe es auch nicht eine vergemeinschaftete Finanzpolitik, erklärt Krämer: "Als die Existenz der Währungsunion in der Staatsschuldenkrise bedroht war, haben die Finanzminister zögerlich gehandelt, da hat sich die EZB eben unter dem Druck der Politiker natürlich reinbegeben in die Rolle des geldpolitischen Ausputzers, einer Zentralbank, die Staatsanleihen aufkauft und so den Finanzministern hilft, die zurückhaltend agiert haben. Und aus dieser Rolle ist die Europäische Zentralbank nicht mehr rausgekommen."
Ihre lockere Geldpolitik, mit der sie eine Erhöhung der zu niedrigen Inflationsrate erreichen will, ist aber nach Ansicht des EZB-Rats immer im Rahmen ihres Mandats geblieben. Das zielt auf die Wahrung der Preisstabilität, die inzwischen als unter, aber nahe zwei Prozent definiert wird.
Was aber, wenn die EZB ihr Inflationsziel änderte, fragt sich Krämer: "Wenn sie jetzt zurückkehrte zur alten Definition von Preisstabilität, also eine Inflationsrate nicht von knapp zwei Prozent, sondern zwischen null und zwei Prozent, dann müsste sie ja keine massiven Anleihekäufe mehr tätigen, dann wäre ja alles mit der Inflation in Ordnung. Das würde natürlich auch bedeuten, dass sie die hoch verschuldeten Länder vor allem im Süden der Währungsunion nicht mehr unterstützen könnte."
Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte vor wenigen Wochen auf dem Frankfurt Finance Summit davor, die Geldpolitiker dürften ihr Mandat, die Preisstabilität zu wahren, nicht zu weit auslegen. Er verwies dabei auch auf Paul Tucker, den ehemaligen Vize-Gouverneur der Bank of England. Der hatte in seinem Buch "Unelected power" die Notenbanker davor gewarnt, zu übermächtigen Bürgern zu werden, von denen zu viel erwartet werde.
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann (dpa / SEDAT SUNA)
"Die Öffentlichkeit bringt den Zentralbanken großes Vertrauen entgegen, indem sie ihnen die Aufgabe übertragen hat, die Preisstabilität zu sichern, und ihnen Unabhängigkeit gewährt, um dieses vorrangige Ziel zu erreichen. Um dieses Vertrauen zu verdienen, müssen wir der Öffentlichkeit auch erklären, wie wir das uns erteilte Mandat erfüllen. Nach Paul Tuckers Worten müssen Notenbanker ungewählte Demokraten sein: Staatsbürger, die dienen, nicht lenken. Andernfalls könnte unsere Unabhängigkeit letztlich infrage gestellt und unsere Fähigkeit, Preisstabilität zu gewährleisten, beeinträchtigt werden."
Die EZB müsse vorsichtig sein mit dem ständigen Verweis auf ihr Mandat, glaubt auch deren früherer Chefvolkswirt Otmar Issing: "Wenn die EZB aber sich anmaßt, den Zusammenhalt der Währungsunion zu garantieren, dann ist das für mich jedenfalls eine eindeutige Überschreitung des Mandats. Und damit gefährdet die EZB die Grundlage für die Unabhängigkeit."
Klagen gegen die Anleihkäufe der EZB
Inzwischen wurden über das PSPP-Programm Anleihen im Volumen von weit mehr als zwei Billionen Euro gekauft. Zunächst lief das Programm zwischen 2015 und 2018, wurde dann aber im September 2019 wiederaufgenommen. Mehrfach schon wurde gegen die Anleihekäufe auch in anderen Programmen geklagt. 2016 erhoben Peter Gauweiler und einige Mitstreiter die Klage gegen das PSPP-Programm.
Der Turm der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main
Was Sie über den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB wissen müssen
Das Bundesverfassungsgericht hat das Anleihekaufprogramm der EZB namens PSPP für teilweise verfassungswidrig befunden. Ein Überblick über den EZB-Ankauf von Staatsanleihen.
Damit riskierten sie den Zusammenbruch des einheitlichen europäischen Währungsraums, glaubt IW-Präsident Michael Hüther. Die Kläger hätten vor allem argumentiert mit den Nebenwirkungen der Anleihekäufe auf die Sparer, deren Sparguthaben und Altersvorsorge wegen der niedrigen beziehungsweise Negativzinsen schmelzen.
Die Wirkung der Geldpolitik gehe darüber hinaus, erklärt Bundesbank-Sprecher Michael Best: "Die Auswirkungen von Geldpolitik sind viel breiter, zum Beispiel auf die Beschäftigung, auf das Wachstum von Beschäftigung, auf das Wachstum von Einkommen auch, und damit sogar indirekt auf die Renten. Denn die hängen bei gesetzlicher Rente ja bekanntlich an den Arbeitseinkünften der arbeitenden Generation."
Die EZB hatte gelassen auf das Urteil des deutschen Verfassungsgerichts reagiert. Ihre Präsidentin Christine Lagarde verwies in der Folge mehrfach darauf, dass sie nur der Jurisdiktion des EuGH, des Europäischen Gerichtshofs unterstehe. Gleichzeitig aber begann sie allmählich eine Brücke zu bauen zu dem Ansinnen der Karlsruher Richter.
EZB-Chefin Christine Lagarde
Seit November 2019 ist Christine Lagarde Präsidentin der Europäischen Zentralbank (picture alliance / AP Photo / Alex Brandon)
"Der EZB-Rat beurteilt regelmäßig den Wirkungsgrad, die Effizienz und analysiert Kosten und Nutzen der geldpolitischen Maßnahmen. Das geschieht regelmäßig, und das haben wir heute Morgen auch eingehend getan. Das zeigt sich typischerweise in unseren Berichten und das wird auch weiter so geschehen", sagte die EZB-Präsidentin Anfang Juni nach der Sitzung des Rats.
EZB sollte Geldpolitik verständlicher erklären
Weil Christine Lagarde sich ohnehin mehr Transparenz als Ziel für ihre Amtszeit vorgenommen hat, könnte sie diese auch umsetzen, indem sie die Geldpolitik verständlicher erklärt, meint Volker Wieland von der Uni Frankfurt:
"Warum kann die EZB nicht auch so einen Beipackzettel bitte in Kurzfassung in ihrer regelmäßigen Strategie berücksichtigen, also in ihren regelmäßigen Statements? ‚Ja, die heutige Entscheidung ist sinnvoll, die hat eine gewisse Wirkung, und die ist notwendig, und die Nebenwirkungen die gibt’s, die haben wir erkannt, aber die sind jetzt im Moment in Kauf zu nehmen."
Symbolgrafik: Ein Geschäftsmann steht auf einem Prozentzeichen und misst mit einem Maßstab dessen Größe. 
Schäffler (FDP) zum EZB-Anleihen-Urteil - "Ein guter Tag für den Währungsraum"
Das Vorgehen der EZB sei in der Vergangenheit nicht transparent genug gewesen, sagt Finanzpolitiker Frank Schäffler (FDP). Dem habe Karlsruhe nun einen Riegel vorgeschoben.
Das wäre auch sinnvoll im Hinblick auf das Corona-Notkaufprogramm für Anleihen, PEPP genannt, über das die EZB bis zu 1,35 Billionen Euro in die Finanzmärkte pumpen will, um die Auswirkungen der Krise zu mildern und die Finanzmärkte liquide zu halten.
Doch gebe es dabei einen wichtigen Unterschied zu dem PSPP-Programm, erklärt Volker Wieland: "Das PEPP–Programm ist temporär. Das sind ja jetzt sehr, sehr hohe Bestände, die da jetzt aufgebaut werden, das soll ja noch länger reinvestiert werden. Auch da wäre eine weitere Ausdifferenzierung und Erklärung, wie man das einmal abbaut. Das wäre sinnvoll."
Alles hängt nun von der Entscheidung Karlsruhes ab
Vorerst sind zumindest die Bundesregierung und der Bundestag zufrieden mit den Einlassungen der EZB zur Verhältnismäßigkeit ihrer Geldpolitik, die ihr über die Bundesbank zugeleitet wurden. Die kann sich damit weiter an den Anleihekäufen beteiligen, sofern das Bundesverfassungsgericht nicht dem Begehren der Kläger auf Vollstreckung des Urteils entspricht.
Der Wirtschaftsrechtler Christoph Schalast hofft auf eine Ablehnung: "Da ist meine große Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht diesem Ansinnen ein klares Nein entgegensetzen wird, damit wirklich nicht die gesamte augenblickliche Krisenbewältigungspolitik infrage gestellt wird."
Schalast setzt dabei auch auf die Besonnenheit des neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, der Andreas Vosskuhle im Juni nachgefolgt ist.
Im anderen Fall nämlich wären die Folgen für die Umsetzung der aktuellen Geldpolitik gravierend, meint Volker Wieland von der Uni Frankfurt: "Wenn die Bundesbank dem Bundesverfassungsgericht Folge leistet und dann die Umsetzung des PSPP-Programms einstellt, dann ist es das gute Recht der EZB, die Bundesbank anzuweisen, das sofort wieder aufzunehmen. Und wenn die Bundesbank das nicht tut, dann hat die EZB die Möglichkeit, und das Recht, die Bundesbank vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Das wäre also eine Eskalation dieses juristischen Konflikts."
Wegen der Kontroverse, die das Karlsruher Urteil ausgelöst hatte, rechnen Beobachter jedoch nicht damit, dass es vollstreckt wird. Allerdings dürften die Kläger ihren generellen Widerstand gegen die Geldpolitik der EZB so schnell nicht aufgeben.