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Geldpolitik
Viel Kritik in Deutschland für EZB

EZB-Präsident Mario Draghi hat das getan, was die Finanzmärkte erwartet haben: Er will im Kampf gegen eine erneute Krise im Euroraum Hunderte Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen. Das riesige Anleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank stößt in der deutschen Wirtschaft und Politik überwiegend auf Kritik.

Von Theo Geers, Hauptstadtstudio | 22.01.2015
    Ein überdimensionales Eurozeichen vor dem Eurotower in Frankfurt am Main.
    Ein überdimensionales Eurozeichen vor dem Eurotower in Frankfurt am Main. (imago/DATA73)
    Keine zehn Minuten bevor Mario Draghi in Frankfurt die Details des EZB-Anleiheprogramms verkündete, stand die Kanzlerin in Davos vor dem delikaten Problem, auf dieses Programm einzugehen. So bestimmte es der Zeitplan auf dem Weltwirtschaftsforum in den Schweizer Bergen, und delikat war der Auftritt der Kanzlerin, weil Politiker sich normalerweise zurückhalten mit Kommentaren zur Geldpolitik der Notenbank. Also baute auch Angela Merkel erst einmal vor und betonte die Unabhängigkeit der EZB.
    "Aber was ich als Politikerin sage: Was immer für eine Entscheidung die EZB fällt, sie darf nicht davon ablenken, dass die eigentlichen Wachstumsimpulse durch vernünftige Rahmenbedingungen durch die Politik gesetzt werden müssen und auch gesetzt werden können."
    Merkel: Zeitkaufen befreit nicht von dem Thema Strukturreformen
    Ein Kommentar zum Anleihekaufprogramm oder gar ein Rüffel für die EZB war dies nicht, aber eine Distanzierung schon und vor allem eine Klarstellung: Verantwortlich für die Lösung der Eurokrise ist für Merkel nicht die EZB, sondern die Politik, zumal für die Schuldenkrise unverändert gilt:
    "Sie ist so einigermaßen im Griff, überwunden ist sie nicht und vor allen Dingen hat Europa noch nicht ausreichend Vertrauen zurückgewonnen und vor allen Dingen noch nicht ausreichend Wettbewerbsfähigkeit".
    Deutschland, so Merkel, bleibe daher bei seinem Spar- und Reformkurs. Doch auch sonst dürfe sich niemand darauf verlassen, dass das Zeitkaufen durch andere Maßnahmen ihn irgendwie von dem Thema Strukturreformen befreie.
    "Wir haben Reformbemühungen und auch Reformanstrengungen in Italien – ich sage: endlich. Wir haben in Frankreich einen neuen, auf Wirtschaft ausgerichteten Kurs, das ist eine gute Nachricht. Aber wir haben auch schon viel Zeit verloren und die Zeit drängt!"
    Auch aus Sicht von Wirtschaftsminister Gabriel darf die europäische Politik der EZB die Aufgabe, Wachstum und Beschäftigung zu stimulieren, nicht allein überlassen. Genau auf diesen Punkt, aber mit einem anderen Akzent, verweist auch Gerhard Schick von den Grünen:
    "Der EZB-Präsident Draghi muss jetzt sozusagen mit seinen Institutionen ausputzen was die Regierungen der Euroländer versäumen, die einfach viel zu wenig für die Investitionen in Europa tun".
    Gauweiler überlegt bereits, erneut zu klagen
    Harsche Kritik an Draghi dagegen in der CSU. Generalsekretär Andres Scheuer warf Draghi vor, ein Euro-Weichmacher zu sein, der Geldpolitik für die Reformverweigerer in Europa mache und dabei Gehilfe der Spekulanten sei. Und Peter Gauweiler überlegt bereits, erneut vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. AfD-Chef Lucke sieht in den Beschlüssen eine Verzweiflungstat, Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn eine illegale Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Für die Versicherer ist der Schritt der EZB eine Zumutung, sagte deren Präsident Alexander Erdland mit Blick auf die weiter niedrigen Zinsen.
    "Wir müssen uns viel mehr Gedanken darüber machen, dass nicht eine Generation von Sparern zu Verlierern wird",
    ...warnt auch Sparkassenpräsident Fahrenschon, der anders als Mario Draghi auch keine Deflationsgefahr sieht, die zu bekämpfen sei. Aus seiner Sicht hat die EZB nun ihre Instrumente endgültig ausgereizt - und das auch noch verfrüht:
    "Mit diesem Eintritt in ein breit angelegtes Einkauf-Programm von Staatsanleihen verschießt die EZB ihre letzte Patrone".