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Geldsegen für alle?
Jamaika und das bedingungslose Grundeinkommen

Geld, ohne dafür zu arbeiten? Der Arbeitsmarkt ist im Wandel. Seit Jahren wird auch deshalb über das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert. Ein neuer Vorstoß kommt nun von der Wirtschaft. Wie stehen die Chancen für das Konzept bei den Jamaika-Koalitionären?

Von Nadine Lindner | 16.10.2017
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    Viele sehnen sich danach: 1000 Euro als monatliche Grundlage. Telekomchef Höttges argumentiert, eine solche Sicherheit könnte gar Populisten das Wasser abgraben. Die drei Kandidaten für eine Jamaika-Koalition sind dafür aber eher nicht zu haben (imago)
    Der neue Impuls kommt aus der Wirtschaft. Wie der Tagesspiegel berichtet, mahnte Telekom-Chef Timotheus Höttges, dass sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung enorm verändern werde. Deshalb müsse man jetzt diskutieren, welche Auswirkungen dies auf die Sozialsysteme haben werde. Darunter zählt der Telekom-Chef die Grundsicherung im Alter, aber auch das bedingungslose Grundeinkommen.
    Beim Grundeinkommen würden steuer- und abgabenfinanzierte Sozialleistungen wie Arbeitslosen- und Kindergeld wegfallen. Eine Summe von 1000 Euro könne jeder erhalten, unabhängig vom Einkommen. Laut Höttges könnte dieses Modell den Menschen aus seiner Rolle des Bittstellers erlösen. Es würde denjenigen Sicherheit geben, die schon heute nicht mehr mithalten könnten auf dem Arbeitsmarkt und aus Angst Populisten wählten.
    "Der Mensch kann gar nicht ohne Arbeit sein"
    Schon seit Jahren spricht sich der Gründer der Drogerie-Kette dm Götz Werner für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. In einem Video der "ZEIT" erklärt er warum: "Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens schafft uns eine neue gesellschaftliche Befindlichkeit. Sie erkennt an, dass der Mensch leben können muss, wenn er an er in der Gesellschaft teilnehmen will."
    Das bedingungslose Grundeinkommen schaffe für die Menschen Freiheiten, sich auszuprobieren. Werner glaubt nicht, dass der Arbeitsmarkt kollabieren würde, so wie viele Kritiker befürchten: "Es würden alle Menschen arbeiten. Der Mensch kann gar nicht ohne Arbeit sein. Jeder Mensch will sich betätigen."
    Schlechte Karten mit Jamaika
    So positiv sehen es die Befürworter. Doch die Chancen auf eine politische Umsetzung sehen in Deutschland schlecht aus. Keine der Parteien, die ab übermorgen eine Jamaika-Koalition sondieren werden, ist wirklich dafür. CDU-Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt eher darauf, dass durch die Digitalisierung mehr gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen.
    Um Gottes Willen nein, so könnte man die Haltung der FDP beschreiben. Die Idee ist zu teuer und setzt falsche Anreize, so zitiert "Die Welt" Parteichef Christian Lindner. Generalsekretärin Nicola Beer spricht - heute gefragt nach dem Grundeinkommen - lieber über die FDP-Idee eines Bürgergeldes:
    "Was Leistungen bündeln will und dann über eine einzige Stelle - wir können uns das Finanzamt aber auch andere Stellen vorstellen, wo das passiert - auszahlt wird, und zwar in einer Weise, dass es sogar von Monat zu Monat abhängig davon ist, was ich selbst - Stichwort Vorankommen aus eigener Kraft - erwirtschaften kann, aufgestockt wird."
    Allerdings - die Leistung bleibt abhängig von Arbeit:
    "Wir haben ein anderes Modell und wir wollen es definitiv nicht bedingungslos. Punkt."
    Grüner Özdemir: "Eher skeptisch"
    Und auch die Grünen, die als links-progressive Partei eher offen sind für ungewöhnliche Ideen, können sich nicht richtig für das bedingungslose Grundeinkommen erwärmen. Wie Parteichef Cem Özdemir im Video-Blog "Jung und Naiv" sagt: "Also das bedingungslose Grundeinkommen: Wir sagen ausprobieren, Modellversuch machen. Es gibt ja die Diskussion in Skandinavien, da könnte man sich anschließen oder selber einen machen. Das wissenschaftlich begleiten und auswerten. Ich persönlich bin kein großer Fan davon, eher skeptisch."
    Bedingungsloses Grundeinkommen, ob sich diese zwei Worte am Ende der Verhandlungen im Koalitionsvertrag wiederfinden wird, hoch strittig. Denn da gibt es noch zu viele andere Baustellen, um die sich die potenziellen Jamaika-Koalitionäre zuerst kümmern müssen.