Freitag, 29. März 2024

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Gemälde übermalt
"Vermeer war kein Begriff"

Im Hintergrund von Vermeers "Brieflesendes Mädchen" war ursprünglich ein Cupido zu sehen, der später übermalt wurde - von fremder Hand, wie man jetzt entdeckt hat. "Wir gehen davon aus, dass man das Bild zu einem Rembrandt machen wollte", berichtet der Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, Stephan Koja, im Dlf.

Stephan Koja im Gespräch mit Michael Köhler | 07.05.2019
Jan Vermeer van Delft: "Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster". Zustand vor der Restaurierung um 1659. Öl auf Leinwand; 83 x 64,5 cm Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlung Dresden.
Vermeers "Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster" vor der Restaurierung (Staatliche Kunstsammlung Dresden / Foto: Klut / Estel)
Die Hälfte des Cupidos an der Wand ist schon freigelegt: In Dresden wird gerade daran gearbeitet, Vermeers Gemälde "Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster" das ursprüngliche Aussehen zurückzugeben. Das dunkel gerahmte Bild eines Amors hatte Johannes Vermeer rechts über der Schulter des brieflesenden Mädchens als "Bild im Bild" angelegt. Der Cupido war später übermalt worden; das hatten Röntgenuntersuchungen schon 1979 ergeben.
Bisher wurde angenommen, dass Vermeer das Gemälde abgeändert hatte. Jetzt hat sich aber durch Laboruntersuchungen herausgestellt, dass die Übermalung nicht vom Maler selbst, sondern von fremder Hand stammt.
"Es war üblich, Bilder zu übermalen"
"Wir gehen davon aus, dass man das Bild im 18. Jahrhundert zu einem Rembrandt machen wollte - Vermeer war kein Begriff, der Maler war nicht bekannt. Aber Rembrandt war ein großer Name", sagte der Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister, Stephan Koja, im Dlf.
Jan Vermeer van Delft: "Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster". Aktueller Zwischenzustand der Restaurierung zum 7. Mai 2019. Öl auf Leinwand; 83 x 64,5 cm Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlung Dresden.
Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster; Zustand während der Restaurierung (Staatliche Kunstsammlung Dresden / Wolfgang Kreische)
Das "Brieflesende Mädchen" gehört zu den Hauptwerken der Dresdner Gemäldegalerie, wo die Restaurierungsarbeiten durchgeführt werden. "Wir haben alle modernen Analyseverfahren von traditionellem Röntgen über Röntgenfluoreszenzanalyse, Infrarot, ultraviolettes Licht zu Pigmentanalysen zur Anwendung gebracht - und konnten feststellen, dass dieser übermalte Teil im Hintergrund ein dichteres Pigment aufweist", so Koja. "Um ganz sicher zu gehen, haben wir winzige Farbproben genommen." Letztendlich habe eine Schmutzschicht auf der originalen Firnisschicht den Aufschluss gegeben.
"Echte Bereicherung"
Nach dem Ende der Restaurierung wird das "Brieflesende Mädchen" nach mehr als zweieinhalb Jahrhunderten wieder so zu sehen sein wie es Vermeers Atelier verlassen hatte. In Dresden sei immer die Intention der Restaurierungswerkstatt gewesen, dem Ursprungszustand möglichst nahe zu kommen, erläuterte Koja. "Auch wenn man sich über viele Jahre an die Erscheinung des brieflesenden Mädchens mit der kahlen Wand dahinter gewöhnt hat, so ist die Freilegung doch eine echte Bereicherung."