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Generaldebatte zum Haushalt
Streit um den Klimaschutz im Bundestag

Der Streit über die künftige Klimapolitik hat im Bundestag zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition geführt. Kanzlerin Merkel sprach von einer zentralen Menschheitsherausforderung. Die AfD moniert einen Klimaschutz-Wahn und eine E-Auto-Planwirtschaft. Kritik kam auch von FDP und Grünen.

Von Frank Capellan | 11.09.2019
Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht bei der Generaldebatte im Deutschen Bundestag. Sie steht hinter einem Rednerpult, vor ihr liegen Manuskripte.
In der Generaldebatte des Bundestages wirbt Kanzlerin Merkel für mehr Klimaschutz (dpa/Michael Kappeler)
Da geht noch was. Die Kanzlerin scheint Gefallen zu finden an einer Generaldebatte, die ihre letzte sein könnte, sollte die Koalition doch noch zerbrechen. Natürlich lässt sie ihre Vorrednerin rechts liegen. Wieder hat AfD-Fraktionschefin Alice Weidel ihre Flüchtlingspolitik in Grund und Boden geredet, von Merkel dazu kein Wort. Der Disput mit Jürgen Trittin aber, der lockt sie schon:
"Man möchte drauf antworten, aber ich möchte dem Rufer nicht noch mehr Ehre geben, weil es einfach nicht stimmte…"
Lassen wir's lieber. Merkel schmunzelt. Weiter im Text. Zehn Minuten lang hat sie schon über Außenpolitik gesprochen, über ein geschwächtes Europa, das wieder stark werden müsse. Trotz Brexit, gegen Trump, für Multilateralismus. Selbstkritik, auch die, Made in Germany, das war einmal.
"Wir müssen vor allen Dingen technologisch wieder auf die Höhe der Zeit, auf das, was Weltmaßstab ist, kommen. Wir sind das nicht mehr, wir müssen uns das eingestehen, und wir müssen in diese Richtung arbeiten."
Klimaschutz als Herausforderung
Damit ist sie bei dem Thema, mit dem sie sich vor langer Zeit als Klimakanzlerin einen Namen machte. Merkel weiß, dass auch ihre eigene Regierung, ihre Kanzlerschaft, daran hängt, Schwarz-Rot soll liefern, die Chefin findet große Worte für die Klimafrage:
"Ich ordne sie so ein, dass ich es als eine Menschheitsherausforderung begreife."
Zuvor hatte ihr Alice Weidel vorgehalten.
"Das ist ein ökonomischer und naturwissenschaftlicher Nonsens."
Während die Kanzlerin Industriemanager zitiert, die nach grünem Strom riefen und damit weiter seien als so mancher hier im Hohen Haus, wirft die AfD-Politikern Merkel vor, das Land zu ruinieren.
"Diese Regierung trägt die Verantwortung für die Demontage der Autoindustrie durch Klimaschutz-Wahn und E- Auto-Planwirtschaft!"
Aber Angela Merkel macht Druck, der Ausbau der Windenergie: zum Erliegen gekommen, es fehlen Leitungen für den Öko-Strom, klagt die Kanzlerin, das müsse sich ändern.
"Und deshalb müssen wir auch bereit sein, Gerichtsverfahren und Einsprüche zu verkürzen, um da wirklich voranzukommen, und wir müssen verhindern, dass es eine Art Arroganz derjenigen, die in der Stadt leben, gegenüber denjenigen, die auf dem Land leben, gibt. Und wir müssen ein neues Bündnis von Stadt und Land schaffen."
14 Jahre Stillstand
Da klatschen auch die Grünen. Und doch: Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckardt ist in Hochform, sie greift den Einwurf des einstigen Umweltministers auf, der die Kanzlerin offenbar so ärgerte.
"Der Zwischenruf von Jürgen Trittin war: Wer hat denn 14 Jahre lang nichts gemacht? Er hat nämlich Recht: 14 Jahre lang Stillstand insbesondere beim Klimaschutz!"
KGE, wie sie in der Hauptstadt mit ihrem Kürzel genannt wird, legt den Finger in die Wunde. Der Haushalt ist ausgeglichen, die schwarz Null steht, aber die Milliarden für den Klimaschutz seien nicht eingepreist.
"Was der Politik fehlt, was dem Haushalt fehlt, ist nicht Erkenntnis, ist nicht Bekenntnis, sondern es ist endlich Ergebnis, es ist endlich Handeln, das ist, was fehlt, hören Sie endlich auf, immer nur zu reden. Tun Sie endlich was!"
Kalte Progression
Die Frau im grünen Kleid arbeitet sich auch an der FDP ab. Auch das zeigt diese Debatte, Jamaika, das Bündnis, das die GroKo ablösen könnte, ist kein Selbstläufer. Warum es beim ersten Anlauf nicht klappte, dass die Chemie zwischen Kanzlerin und FDP-Chef nicht stimmt, wird deutlich. Harsch raunzt sie ihn an, als sie eigene Maßnahmen gegen die kalte Progression im Steuersystem lobt und Christian Lindner dazwischen geht.
"Das ist nun unstreitig. Selbst der Bund der Steuerzahler hat das gestern gesagt, Herr Lindner, da waren Sie doch dabei, ich bitte Sie, ist doch wirklich komisch, die sagen doch sonst nichts Gutes über uns, aber bei der kalten Progression waren sie nun wirklich dabei!"
Und wie läuft es mit den Genossen? Oft unterhält sich Merkel mit dem Vizekanzler, Olaf Scholz, der auf der Regierungsbank direkt neben ihr sitzt und den sie wohl gern zum SPD-Chef hätte. Als Rolf Mützenich spricht, verdreht sie die Augen, wendet sich hilfesuchend an ihren Finanzminister, als wolle sie sagen, stimmt doch nicht, was der da erzählt:
"Der Kohlekompromiss ist ein Beispiel, wie Klimaschutz, Digitalisierung und soziale Gerechtigkeit zusammen gedacht und verwirklicht werden kann. Diese Integration in der Transformation hatte nur die SPD im Sinn!"
Viel steht auf dem Spiel für Schwarz-Rot. Vielleicht ist es das, was Merkel noch einmal aus der Reserve lockt und heute so angriffslustig erscheinen lässt.