Freitag, 19. April 2024

Generationenkapital
Wie die Bundesregierung mit Aktien die Rente sichern will

Kein Geld in der Rentenkasse – also warum nicht mit Aktiengewinnen das Loch stopfen? So die Idee von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Wie genau soll das funktionieren? Welche Folgen hätte das für das Rentensystem? Und welche Risiken gibt es?

06.03.2024
    Christian Lindner (FDP, l), Bundesminister der Finanzen, spricht neben Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, bei einem Pressestatement zum geplanten Rentenpaket II.
    Das Generationenkapital oder auch die Aktienrente sind ein wesentlicher Teil des Rentenpakets - hier vorgestellt von Finanzminister Christian Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Das deutsche Rentensystem hat ein Finanzierungsproblem. Um die Altersvorsorge abzusichern, will Bundesfinanzminister Christian Lindner auch auf den Kapitalmarkt setzen. Aktiengewinne sollen sicherstellen, dass die Erhöhung der Rentenbeiträge gedämpft wird und die Renten zugleich nicht gekürzt werden müssen. Erste Details hatte der FDP-Politiker Mitte Januar 2023 vorgestellt. Anfang März 2024 wurden die Pläne konkretisiert.

    Inhaltsverzeichnis

    Warum ist zu wenig Geld in der Rentenkasse?

    Das deutsche Rentensystem ist umlagefinanziert. Das bedeutet: Erwerbstätige zahlen in die Rentenkasse ein, das einbezahlte Geld wird an die Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt. Durch den demografischen Wandel gerät dieses System jedoch in eine Schieflage: Den einzahlenden Erwerbstätigen stehen immer mehr Rentenempfänger gegenüber. Diese Situation könnte sich noch verschärfen, wenn in den kommenden Jahren die geburtenstarke Generation der sogenannten Babyboomer in Rente gehen wird.
    Um dieses Problem zu lösen, müssten entweder der in die Rentenversicherung einfließende Betrag wachsen, etwa durch höhere Beiträge, oder der Abfluss aus der Kasse verringert werden, etwa durch Kürzungen bei den Rentenzahlungen. Weitere Möglichkeiten wären die Verlängerung der Lebensarbeitszeit oder eine Änderung des Rentensystems und dessen Finanzierung.
    Die Ampelkoalition will weder die Renten kürzen noch Rentenbeiträge erhöhen oder die Menschen länger arbeiten lassen. Momentan kann sich die Regierung dies nur leisten, weil jährlich mehr als 100 Milliarden aus dem Staatshaushalt als Zuschuss in die Rentenkasse fließen - fast ein Viertel des Gesamtetats der Regierung und absehbar noch mehr. Mit der Aktienrente - von der Ampel auch Generationenkapital genannt - will die Regierung gegensteuern und eine alternative Finanzierungsmöglichkeit etablieren.

    Wie funktioniert das Generationenkapital?

    Mit dem aktienbasierten "Generationenkapital" soll die gesetzliche Rente künftig eine weitere Finanzierungssäule neben Beiträgen und Zuschüssen aus Steuergeld bekommen. Dafür sollen jährlich Milliardenbeiträge in einen Fonds eingezahlt werden. 2024 sollen es zwölf Milliarden Euro sein, bis 2028 soll der Betrag schrittweise weiter ansteigen.
    Für die Darlehen nimmt der Bund neue Schulden auf. Sie werden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet, die den Kreditrahmen des Bundes einschränkt. Hinzu kommen 15 Milliarden Euro, die der Bund bis 2028 aus eigenen Mitteln - etwa durch Übertragung von Vermögenswerten wie Unternehmensbeteiligungen - beisteuern will.
    Bis 2035 soll ein Kapitalstock von mindestens 200 Milliarden Euro über Anlagen an den Finanzmärkten Renditen abwerfen, die dann an die Rentenversicherung fließen und so den Anstieg des Beitragssatzes dämpfen sollen. Ab 2036 sollen jährlich zehn Milliarden Euro erwirtschaftet werden. Auf lange Sicht will die Regierung ein Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnittlohns garantieren.
    Die Regierung will dazu eine "Stiftung Generationenkapital" einrichten, die von einem Vorstand und einem Kuratorium geführt wird. Bei der Vorstellung des Konzepts sagte Finanzminister Lindner: "Es ist überfällig, dass wir die Chancen des Kapitalmarkts auch für die gesetzliche Rentenversicherung nutzen."

    Welche Risiken gibt es?

    Wie immer gibt es auch Risiken, wenn es um Aktien geht, denn diese können auch an Wert verlieren. An der Börse gilt: Je größer die Renditeerwartung, umso größer das einzugehende Risiko. Und dann gibt es auch noch die Gefahr von größeren Krisen, bei denen die Kurse stark fallen. Zuletzt erlebten die Börsen 2008 eine Finanzkrise, bei der Banken pleitegingen oder gestützt werden mussten. Nur acht Jahre zuvor sorgte die sogenannte Dotcom-Blase für einen Einbruch am Aktienmarkt und eine Pleitewelle in der New Economy.
    Auf lange Sicht sind Aktien aber recht stabil in den Erträgen - wenn man Zeit hat, diese über viele Jahre liegen zu lassen. Im Schnitt erwirtschaften Aktienanlagen, die breit gestreut sind, sechs bis acht Prozent Rendite im Jahr. Finanzminister Lindner setzt indes tiefer an und geht von "mehr als drei, vier Prozent Rendite" aus.
    Laut Arbeitsminister Heil sind auch Vorsorgemaßnahmen für den Fall getroffen worden, dass "uns der Himmel auf den Kopf fällt" - zum Beispiel bei einem Zusammenbruch der Finanzmärkte. Ins Detail ging Heil aber nicht.

    Kann das Generationenkapital niedrigere Renten und höhere Beiträge verhindern?

    Die Bundesregierung will ein Absinken des Rentenniveaus in der gesetzlichen Altersvorsorge auch künftig vermeiden. "Das werden wir verhindern", sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Es wird keine Rentenkürzungen und keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben."
    Die Entlastungswirkung der Aktienrente darf insgesamt aber als bescheiden beschrieben werden. Denn zur Finanzierung des Generationenkapitals soll Geld am Kapitalmarkt geliehen werden, auf das Zinsen gezahlt werden müssen. Finanzminister Lindner betont jedoch, dass die Zinsen des Staates für Anleihen deutlich unter den zu erwartenden Renditen an den internationalen Kapitalmärkten liegen.
    Nach Abzug der Finanzierungskosten soll das Generationenkapital langfristig zehn Milliarden einbringen, um damit die Beitragsentwicklung abzufedern - so lange die Finanzmärkte mitspielen. Ansonsten wären wieder die Beitrags- oder Steuerzahler gefragt, um das versprochene Rentenniveau zu sichern.
    Der Beitrag zur gesetzlichen Rente wird allerdings auch mit der Aktienrente weiter steigen - nach Prognosen von jetzt 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent im Jahr 2035.

    Für welche Parteien ist das Generationenkapital ein Erfolg?

    Das Generationenkapital kann als Erfolg für die Ampel-Regierung gedeutet werden, da sich SPD, Grüne und FDP weitestgehend geräuschlos geeinigt haben. Aber die Diskussion im Bundestag hat noch nicht begonnen.
    Beim Blick auf die Details hat die FDP nur Teile ihrer Wünsche umgesetzt. Christian Lindner plant, in diesem Jahr auch die betriebliche und die private Altersvorsorge neu zu ordnen. Hier soll es deutlich mehr Beteiligungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt geben - mit höheren Renditen und damit auch deutlich mehr Risiko.

    Welche Kritik gibt es an den Plänen?

    Der CDU gehen die Pläne für die Aktienrente nicht weit genug. Sie spricht von einem "Scheinriesen", weil die Erträge von zehn Milliarden angesichts der prognostizierten Ausgaben als unbedeutend angesehen werden.
    So sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn im Deutschlandfunk, das generelle Problem am jetzigen Ansatz sei, dass Schulden aufgenommen werden müssten. Das geliehene Geld werde "am Kapitalmarkt angelegt und dann gibt es eine Differenz zwischen den Zinsen, die man zahlt und dem, was man am Kapitalmarkt rausholt. Und das wird dann genutzt, um die Rentenbeiträge etwas zu stabilisieren. Das gleicht nicht ansatzweise die Beitragssteigerung durch das höhere Rentenniveau aus."
    Die Linkspartei ist komplett gegen Anlagen auf dem Kapitalmarkt. Es sei unanständig, mit Steuergeld zu spekulieren. Und die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht spricht von einer "Casino-Rente". Die Bundesregierung zocke mit der Alterssicherung der Bürger. Sie fordert eine Volksabstimmung über die Rente.
    Der Sozialverband VdK äußerte sich dagegen positiv über die Pläne zur Stabilisierung des Rentenniveaus. Ziel müsse es aber sein, das Niveau wieder anzuheben, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele im Deutschlandfunk. Mit Blick auf das Generationenkapital äußerte sie sich skeptisch: „Da fehlen mir noch ganz viele Aussagen und Regeln, um zu wissen, was da auf uns zukommt.“ Dazu zähle die Frage, wie man verhindern wolle, dass nicht auf Kosten sozialer Bereiche oder der Umwelt spekuliert werde.
    Auch die Deutsche Rentenversicherung hat skeptisch auf die Pläne für das Generationenkapital reagiert und will Risiken für Beitragszahler und Beitragszahlerinnen ausgeschlossen wissen. Für das Generationenkapital dürften keine Beitragsmittel verwendet werden, forderte die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, Gundula Roßbach.
    rzr, ikl, nm