
Etwa ein Viertel der Rentner in Deutschland lebt von weniger als 1300 Euro gesetzlicher Rente pro Monat. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch (Linke) hervor. Bei Alleinstehenden liegt die gesetzliche Rente damit unter der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle. Viele Rentnerinnen und Rentner haben weitere Einkünfte wie Betriebsrenten oder sie haben privat vorgesorgt.* Es bleibt die Frage: Wie steht es um das deutsche Rentensystem?
Inhalt
- Wie wird die Rente finanziert?
- Wie entscheidet sich die Höhe der Rente?
- Möglichkeit 1: Die Rentenbeiträge steigen
- Möglichkeit 2: Das Renteneintrittsalter steigt
- Möglichkeit 3: Das Rentenniveau sinkt
- Möglichkeit 4: Der Bundeszuschuss steigt
- Möglichkeit 5: Die Frühstartrente
- Möglichkeit 6: Der "Boomer-Soli"
- Möglichkeit 7: Erweiterung der Beitragszahlergruppen
Wie wird die Rente finanziert?
Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland wird durch ein Umlageverfahren finanziert. Das bedeutet, dass die laufenden Rentenzahlungen überwiegend durch Rentenbeiträge der aktuell erwerbstätigen Menschen finanziert werden. Gleichzeitig erarbeiten die aktuellen Beitragszahler sich selbst Ansprüche auf eine Rente, die dann wiederum die nachfolgenden Arbeitnehmer-Generationen finanzieren müssen. Dieses System wird auch Generationenvertrag genannt.
Problematisch daran ist, dass aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentnerinnen und Rentner aufkommen müssen. Denn während die Geburtenrate niedrig bleibt, steigt die Lebenserwartung der Bevölkerung und dadurch gibt es immer mehr Menschen in höherem Alter. Und wenn Menschen länger leben, beziehen sie auch länger Rente.
Dauer des Rentenbezugs in Deutschland in den Jahren von 1960 bis 2018

Deshalb wird die Rentenversicherung auch mit Steuermitteln bezuschusst. Sie decken rund 30 Prozent der Ausgaben und machen mehr als ein Viertel des Bundeshaushalts aus. Doch die geburtenstarken Jahrgänge kommen jetzt erst ins Rentenalter. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums sieht in einem Gutachten, das im Jahr 2021 vorgestellt wurde, "schockartig steigende Finanzierungsprobleme" auf die gesetzliche Rentenversicherung zukommen.
Wie entscheidet sich die Höhe der Rente?
Angenommen, man verdient das Durchschnittseinkommen aller gesetzlich Versicherten, dann bekommt man nach einem Jahr Arbeit exakt einen sogenannten „Entgeltpunkt“ gut geschrieben. Verdient man mehr, landen mehr Punkte auf dem Rentenkonto – maximal zwei Punkte pro Jahr.
Verdient man weniger als das Durchschnittseinkommen, bekommt man zum Beispiel nur einen halben Punkt. Das Durchschnittseinkommen liegt aktuell bei rund 45.000 Euro pro Jahr.
Am Ende des Arbeitslebens werden all diese Punkte summiert und mit einem sogenannten „Rentenwert“ multipliziert. Der wird jedes Jahr neu berechnet und unter anderem an die Lohnentwicklung angepasst. Er bestimmt, wie viel einem pro Jahr Arbeit an monatlicher Rente zusteht und liegt aktuell bei 39,32 Euro. Wer 45 Jahre lang ein Durchschnittseinkommen verdient hat, käme damit aktuell auf 1769 Euro Rente brutto im Monat.
Damit die laufenden Einnahmen der Rentenversicherung ausreichen, um die Rentenzahlungen zu finanzieren, gibt es verschiedene Ansätze, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren.
Möglichkeit 1: Die Rentenbeiträge steigen – Erwerbstätige und Arbeitgeber zahlen mehr ein
Derzeit liegen die Rentenbeiträge bei 18,6 Prozent, die zur Hälfte von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gezahlt werden. Der Beitragssatz soll laut Vorausberechnungen bis 2027 stabil bleiben, von 2028 an geht die Bundesregierung von einem Anstieg auf 20 Prozent aus. 2035 könnte er auf 22,3 Prozent steigen und soll dann bis 2045 stabil bleiben.
Höhere Rentenbeiträge bedeuten allerdings weniger Nettoeinkommen für Beschäftigte und höhere Kosten für Arbeitgeber.
Möglichkeit 2: Das Renteneintrittsalter steigt – Erwerbstätige arbeiten länger
Nach aktueller Rechtslage wird die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis zum Jahr 2029 bereits schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Viele Experten fordern darüber hinaus eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters.
Der Wirtschaftswissenschaftler Axel Börsch-Supan hatte diese Idee schon in der Rentenkommission als eine mögliche Option ins Spiel gebracht, um die längere Lebenserwartung in der Rente abzubilden. Die Kommission hat den Vorschlag jedoch nicht weiterverfolgt, sondern an der bislang geltenden Grenze von 67 Jahren festgehalten.
Der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums hat bereits 2021 in seinem Gutachten gefordert, dass die Lebensphase, in der ein Mensch Rentenbezüge erhält, auf Dauer nicht von der allgemeinen Entwicklung der Lebenserwartung abgekoppelt werden dürfe. Mit Blick auf die steigende Lebenserwartung müssten die zusätzlichen Lebensjahre "nach einer klaren Regel" zwischen "mehr arbeiten" und "länger Rente beziehen" aufgeteilt werden. Wie das Gutachten aufführt, würde bei Anwendung dieses vorgeschlagenen dynamischen Modells das Renteneintrittsalter im Jahr 2042 dann 68 Jahre erreichen.
Durchschnittliches Eintrittsalter in die Altersrente und gesetzliche Regelaltersgrenze
Auch andere Experten, etwa vom ifo-Institut und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) finden, dass die gesetzliche Rentenversicherung ohne eine Anpassung der Lebensarbeitszeit an die zunehmende Lebenserwartung auf Dauer nicht finanzierbar ist.

Die Bundesregierung aus Union und SPD hält grundsätzlich am Renteneintrittsalter fest, will jedoch mehr Flexibilität ermöglichen: mit der sogenannten Aktivrente. Wer im Alter freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt von bis zu 2000 Euro im Monat laut Koalitionsvertrag nicht versteuern müssen.
Möglichkeit 3: Das Rentenniveau sinkt – Rentner erhalten weniger
Die Rentenkommission sah in ihrem Bericht 2020 einen Spielraum von 44 bis 49 Prozent beim Rentenniveau ab 2026 vor. Die schwarz-rote Bundesregierung will das Niveau gesetzlich bis 2031 bei 48 Prozent absichern. Die Mehrausgaben sollen mit Steuermitteln ausgeglichen werden. Die Linkspartei will das Rentenniveau auf 53 Prozent erhöhen.
Rentenniveau
Das Rentenniveau ist ein statistischer Wert, der das Verhältnis einer gesetzlichen Standardrente (nach 45 Jahren Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens) zum aktuellen durchschnittlichen Einkommen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers angibt. Es wird als Netto-Wert vor Steuern angegeben, also nach Abzug der durchschnittlichen Sozialabgaben aber ohne Berücksichtigung von Steuern. Über die tatsächliche Höhe einer individuellen Rente sagt das Rentenniveau nichts aus. Auch bedeutet ein Absinken des Rentenniveaus nicht, dass die Brutto-Renten sinken, sondern dass die Standardrente prozentual langsamer gestiegen ist als der Durchschnittsverdienst.
Das Rentenniveau ist ein statistischer Wert, der das Verhältnis einer gesetzlichen Standardrente (nach 45 Jahren Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens) zum aktuellen durchschnittlichen Einkommen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers angibt. Es wird als Netto-Wert vor Steuern angegeben, also nach Abzug der durchschnittlichen Sozialabgaben aber ohne Berücksichtigung von Steuern. Über die tatsächliche Höhe einer individuellen Rente sagt das Rentenniveau nichts aus. Auch bedeutet ein Absinken des Rentenniveaus nicht, dass die Brutto-Renten sinken, sondern dass die Standardrente prozentual langsamer gestiegen ist als der Durchschnittsverdienst.
Möglichkeit 4: Der Bundeszuschuss steigt – die Steuerzahler zahlen mehr ein
Bereits jetzt zahlt der Bund rund 120 Milliarden Euro im Jahr aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Wenn die Rentenversicherungsbeiträge und das Rentenniveau stabil gehalten werden sollen, muss dieser Zuschuss erhöht werden.
Im Gesetzentwurf zur Rentenstabilisierung ("Rentenpaket 2025") geht die Bundesregierung davon aus, dass für diese Haltelinie im Jahr 2029 die Bundesmittel an die Rentenversicherung um 4,1 Milliarden Euro steigen werden, 2030 um 9,4 Milliarden. Hinzu kommen fünf Milliarden jährlich für die Mütterrente ab 2028. Bis zum Jahr 2040 sollen aus Bundesmitteln insgesamt 20 Milliarden für die Renten erstattet werden.
Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag im Jahr 2029 eine Entwicklung des Rentenbeitrags und des Bundeszuschusses evaluieren.
Möglichkeit 5: Die Frühstartrente
Die Große Koalition will Anfang 2026 eine Frühstart-Rente einführen. Der Staat soll für jedes Kind vom sechsten bis 18. Lebensjahr pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot einzahlen. Die einzige Bedingung ist, dass die Kinder eine deutsche Bildungseinrichtung besuchen muss. Ab dem 18. Lebensjahr können die Bürger den angesparten Betrag bis zum Renteneintritt privat weiter besparen. Die Erträge aus dem Depot sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei sein.
Die sogenannten Wirtschaftsweisen hatten bereits 2024 ein ähnliches Konzept vorgeschlagen. Doch Details müssen noch ausgearbeitet werden: wer das Depot verwaltet, in was das Geld investiert werden soll und vor allem woher das Geld aus dem Bundeshaushalt kommen soll.
Möglichkeit 6: Der "Boomer-Soli"
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat angeregt, eine Solidaritätsabgabe von zehn Prozent auf alle Alterseinkünfte einzuführen, also etwa auf die gesetzliche Rente, auf Betriebsrenten und auf Pensionen. Dabei soll ein Freibetrag von 1000 Euro pro Monat gelten. Dieser "Boomer-Soli" soll an Menschen mit besonders niedrigen Renten verteilt werden, um das Risiko der Altersarmut zu senken und jüngere Generationen zu entlasten.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Union sehen das kritisch. Die Ökonomin Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft ("Wirtschaftsweise") stimmt der Argumentation des DIW zu.
Möglichkeit 7: Erweiterung der Beitragszahlergruppen
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat vorgeschlagen, dass auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen sollen. Die Union und der Beamtenbund lehnten den Vorschlag ab. Von der Deutschen Rentenversicherung kam der Vorschlag, auch Selbstständige sollten in die Kasse einzahlen. Auch Dietmar Bartsch (Die Linke) fordert eine Rentenreform, nach der auch Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen.
In Österreich ist das schon seit Jahren Realität: Dort zahlen sowohl Staatsbedienstete als auch Selbständige in die Rentenkasse ein. Der Rentenbeitrag liegt bei 22,8 Prozent, die Durchschnittsrente lag 2022 bei 1645 Euro pro Monat, rund 500 Euro höher als in Deutschland. Allerdings zahlt auch der Bund mehr dazu. Wer 45 Jahre lang einzahlt, soll 80 Prozent des durchschnittlichen Lebensseinkommens erhalten. Das Renteneintrittsalter liegt bei 65 Jahren bei Männern und bei 60 bei Frauen, letzteres wird sukzessive angehoben. Ein Teil der höheren Rente erklärt sich auch aus der jüngeren Bevölkerung.
In Deutschland soll im Jahr 2027 eine Rentenkommission "eine neue Kenngröße für das Gesamtversorgungsniveau über alle drei Rentensäulen prüfen", heißt es im Koalitionsvertrag. Dabei handelt es sich um die gesetzliche Rente, die betriebliche und private Altersvorsorge.
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(*) Redaktioneller Hinweis: In der ersten Version wurde das Haushaltsnettoeinkommen angelegt, um die Höhe der Rente zu beschreiben. Richtig wäre der Rentenzahlbetrag. Das haben wir korrigiert.