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Gentechnik
Erhöhte Vererbungsrate auch bei Mäusen möglich

Bis sich ein Gen über eine Population verbreitet, dauert es viele Generationen. Beschleunigt werden kann dieser Prozess mit einem sogenannten Gene Drive, der die Mendelschen Gesetze außer Kraft setzt. Jetzt sind Forscher bei der Frage, ob ein Gene Drive auch bei Säugetieren möglich ist, weitergekommen.

Von Michael Lange | 24.01.2019
    Eine Labormaus sitzt auf der behandschuhten Hand einer Wissenschaftlerin.
    Der Gensucher Crispr und die Genschere Cas 9 funktionierten bisher nur bei weiblichen Mäusen (imago stock&people)
    Was bei den Mäusen, die an der Universität von Kalifornien in San Diego herumtollen, auffällt, ist die Fellfarbe. Einige sind schwarz, andere weiß. Dennoch sind sie eng miteinander verwandt. Sie unterscheiden sich nur in einem Gen. Es trägt die Information für das Enzym Tyrosinase, das für die schwarze Fellfärbung sorgt, erläutert die verantwortliche Wissenschaftlerin, die Evolutionsbiologin Kimberly Cooper:
    "Wir haben bei Mäusen das Gene Drive-Prinzip überprüft und so die Machbarkeit bei Säugetieren untersucht, aber wir haben keinen Gene Drive gestartet."
    Bei Mäusen deutlich schwieriger
    Was bei Insekten inzwischen immer besser funktioniert, ist im Mäuse-Experiment deutlich schwieriger. Gene verbreiten sich bei Säugetieren viel langsamer. Um die Funktion von Säugetier-Gene Drives zu verstehen und um zu sehen, wo die Schwierigkeiten liegen, haben Kimberly Cooper und ihr Team die Komponenten des Gene Drives getrennt: Den Gensucher Crispr und die Genschere Cas 9. Und beides funktionierte, allerdings nur in weiblichen Mäusen.
    "Bei der natürlichen Vererbung treten zwei Versionen jedes Gens auf, ein mütterliches und ein väterliches. Jede Version wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an die nächste Generation vererbt. Wir konnten die Vererbungsrate bei weiblichen Mäusen erhöhen, im besten Fall von 50 Prozent auf 86 (*) Prozent."
    Der Gen-Antrieb stottert
    Die Vererbungsrate der weißen Fellfarbe ist also etwas höher als von Natur aus. Von einem funktionierenden Gene Drive kann aber noch keine Rede sein. Dann müssten fast alle Nachkommen weiß sein und nicht nur 86 (*) Prozent. Noch stottert der Gen-Antrieb. Um die Vererbungsrate zu erhöhen – auch bei männlichen Tieren – komme es auf die zeitliche Präzision an – so Kimberly Cooper.
    Dennoch ist dieses Experiment ein wichtiger Schritt, erläutert der Genetiker Bruce Conklin vom Gladstone Institute in San Francisco, der nicht an der Forschung beteiligt war.
    "Der Gene Drive wird jetzt laufend verbessert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ihn in Gang zu setzen. Aber das geht nicht ruckzuck. Jetzt wissen wir, was machbar ist. Der erste Schritt hat funktioniert, und jetzt werden die Anstrengungen für den nächsten Schritt verdoppelt."
    Viele Anwendungen denkbar
    Gene Drives sind keine wissenschaftliche Spielerei. Viele Anwendungen sind denkbar und werden bereits unter Fachleuten diskutiert. So arbeiten einige Institute daran, Tiermodelle für Krankheiten zu entwickeln, bei denen mehrere Gene und Umweltfaktoren zusammenwirken. Das ist mit herkömmlichen Methoden der Züchtung und Genmanipulation kaum zu erreichen. Sobald ein paar neue Gene in Mäuse eingeschleust wurden, sind andere wieder weg. Gene Drives könnten da weiter helfen, erläutert Kimberly Cooper.
    "Die Alzheimer-Krankheit, Krebs, Arthritis oder Diabetes. Für all diese Krankheiten werden bessere Tiermodelle benötigt. Sie werden gebraucht, um im Labor die Krankheiten zu erforschen oder um bessere Therapien zu entwickeln. Immer dann, wenn viele Gene beteiligt sind, könnten Genes Drives manches möglich machen."
    Auch in der Ökologie ist eine Anwendung von Gene Drives vorstellbar. Vom Menschen eingeschleppte Mäuse bedrohen auf abgelegenen Inseln viele seltene Vogelarten. Bisher versuchen Naturschützer mit Gift, die Mäuse in Schach zu halten. Der neue Plan: Mit Gene Drives könnten die Mäuse durch schädliche Gene nachhaltig dezimiert und vielleicht sogar ausgerottet werden, glauben einige Ökologen. Aber das ist noch ein weiter Weg.
    (*) Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Text-Version und im Audio ist an dieser Stelle von 68 Prozent die Rede. Wir haben diesen Übersetzungsfehler im Online-Text korrigiert.