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Geschäftsmodell Seenot

In den Nischen der wachsenden Offshore-Windenergie bilden sich neue Geschäftsfelder heraus. Wer im Offshore-Bereich arbeitet, muss zum Beispiel auch in Sicherheitsfragen geschult werden. Darin sieht die dänische Firma Falck-Nucem ihre Chance.

Von Godehard Weyerer |
    Die kantige Blechkiste, die ein blauer Portalkran knapp über der Wasseroberfläche hält, ähnelt mit ihren weißen Fensterattrappen, der angedeuteten Ausstiegsluke und der stumpfen Nase durchaus einer Hubschrauberkabine. Am Beckenrand sitzen neun Männer in knallorangen Überlebensanzügen und beobachten ihre drei Kollegen, die im Helikopter letzte Anweisungen erhalten.

    Dann wird es ernst. Der Trainer gibt das Kommando zur Notwasserung. Samt ihrer Insassen, die auf ihren Sitzen angeschnallt sind, versinkt die Kabine im Wasser des vier Meter tiefen Beckens.

    "Na gut, ist nicht unbedingt unsere Materie, das Wasser, aber wenn man das ein-, zweimal gemacht hat, gewöhnt man sich doch daran. Also, es geht."

    Jens Schachtebeck arbeitet im Offshore-Bereich, ist in der Kabelverlegung zuständig für Arbeits- und Umweltschutz. Zweimal war er bislang draußen auf hoher See, allerdings per Schiff. Die Windparks liegen 40 Kilometer vor der deutschen Küste. Mit zwei Stunden Anfahrt muss gerechnet werden. Schneller und zudem unabhängig von Sturm und Wellen geht es auf dem Luftweg. In einen Hubschrauber einsteigen darf aber nur, wer ein Sicherheitstraining absolviert hat.

    Unten in der Halle wird der Ernstfall nachgestellt. Im ersten Stock des Gebäudes an einer ehemaligen Hafenschleuse in Bremerhaven sitzt Georg Wölk an seinem Schreibtisch. Der frühere Marineflieger ist Leiter des Trainings- und Ausbildungszentrums, das das dänische Unternehmen Falck-Nutec seit Juli diesen Jahres betreibt.

    Bremerhaven ist der 26. Standort des weltweit agierenden Konzerns für Brandschutz, Rettungsdienste und Offshore-Sicherheitstraining. Bis zu 2.000 Kursteilnehmer durchlaufen pro Jahr in Bremerhaven das Offshore-Sicherheitstraining. Für Auslastung ist gesorgt. In 20 Jahren, so das Ziel, das auch die Bundesregierung ausgegeben hat, sollen auf hoher See 25.000 Megawatt Strom erzeugt werden. Das entspräche der Leistung von 20 Atomkraftwerken.

    Dass der Offshore-Boom trotz mehrmaliger Ankündigung immer noch stockt, ficht in Bremerhaven niemanden an. Die ersten Windräder in der Nordsee drehen sich nun endlich. Geplant sind bis zum Jahr 2020 4000 Anlagen. Die Nordsee wird zur Baustelle. Und die Männer müssen vorbereitet sein, bevor sie da raus gehen:

    "Auf einem Transit kann das ein oder andere passieren. Hubschrauber können notwassern, unkontrolliert oder kontrolliert abstürzen. Notwasserung wäre ein kontrollierter Absturz, trotzdem kann er durch Wellengang umkippen oder mit dem Rotor Wellenkontakt bekommen und in dem Moment sofort upside down, umgerissen werden, auf Tiefe gehen."

    Georg Wölk ist hinunter gegangen in die Halle. Zehn auf 20 Meter ist das Becken groß, und das Wasser mit 21 Grad angenehm temperiert:

    "Hier auf der Seite haben wir die beiden Windanlagen. Wo der Schlauch drin ist, wird Wasser zugefügt, so dass wir auch peitschenden Regen haben. Wenn Sie sich dann das Ganze abgedunkelt - Lichter aus -, mit Gewitter und Blitz vorstellen, das hat was."

    Die Wetterkapriolen in all ihren Varianten werden jeweils am Schluss der Lehrgänge nachgestellt. Heute ist die Halle noch hell erleuchtet. Das klare Wasser liegt im Becken so glatt wie das Meer bei absoluter Windstelle. Zwei Taucher in schwarzer Montur ziehen mit großen Flossen gemächlich ihre Runde.

    "Wenn der Schüler, der wie in einem Hubschrauber angeschnallt ist, Panik fährt oder Angst bekommt, sodass er nicht weiß, was er machen soll oder sich falsch verhält, hilft ihm der Instrukteur, der da drin sitzt, der ihm dann behilflich ist.
    Wenn der Schüler nicht dem folgt, was der Instrukteur vorher zu ihm gesagt hat, wenn er dann um sich schlägt aus Panik, haben wir noch die Sicherheitstaucher, die dann zusätzlich noch zu Hilfe kommen."

    Sechs Übungen warten auf jeden Kursteilnehmer. Zunächst geht die Kabine mit zuvor geöffneten Fenstern unter Wasser. Der Schüler muss lediglich den Gurt öffnen und durch das Fenster an die Wasseroberfläche schwimmen. Bei der letzten Übung taucht die Kabine mit geschlossenen Fenstern unter Wasser und dreht sich und 180 Grad. Kopfüber hat der Kursteilnehmer nun das Fenster zu entriegeln und herauszudrücken, sich ab zu gurten und durch die schmale Fensterluke in aller Ruhe den Helikopter zu verlassen.

    Für die nötige Luft sorgt ein Notfall-Atemsystem. Unter Wasser sammelt sich die ausgeatmete Luft in einem Sack auf der Brust und wird wieder eingeatmet. Der Sauerstoffgehalt reicht für fünf Atemzüge. Nach und nach tauchen die Lehrgangsteilnehmer wieder auf. Zuletzt verlassen die Trainer die Kabine. Der Portalkran zieht den Helikopter, besser gesagt die Attrappe davon, aus dem Wasser hoch.

    "Egal, was passiert, man kriegt ihn auf jeden Fall aus dem Wasser raus."

    Jeder Teilnehmer steckt in einem Kälte-Nässe-Schutzanzug, so wie sie draußen auch verwendet werden. Nur die Rettungswesten sind deaktiviert, um ein unabsichtliches Ziehen der Reißleinen zu verhindern. Mit aufgeblasenen Schwimmkragen würde keiner mehr durch das enge Fenster passen. Im Ernstfall wäre das fatal. Sich bestmöglich auf den Notfall vorzubereiten, ist das Ziel des Lehrgangs.

    "Sehr ungewohnt. Ist halt eine völlig andere Situation, als man es normalerweise gewohnt ist. Man muss sich überwinden."

    Erschöpft steigt Jens Schachtebeck aus dem Wasser und schält sich aus dem orangen Schutzanzug.

    "Über Kopf habe ich gar nicht gemerkt. Nur dann der Druck im Gurt."

    Neben ihm steht sein Arbeitskollege, Harald Dehade, Kabelschweißer. Zu guter Letzt winkt das Zertifikat. Denn ohne ein erfolgreich absolviertes Sicherheitstraining, das die dänische Firma Falck-Nutec seit kurzem in Bremerhaven anbietet, darf draußen auf hoher See an den Offshore-Windkraftanlagen niemand arbeiten.

    "Ja, denke ich mal, wahrscheinlich noch ein kleines Nachbriefing, dann wird es für heute gewesen sein."

    "Warm duschen, abtrocknen, umziehen. Vor allem warm duschen."