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Gespannter Blick auf die Serben

Zwar wählt am Sonntag auch die kosovo-albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo Bürgermeister und Gemeinderäte. Doch das Ausland wird nur darauf schauen, wie die serbische Minderheit abstimmt. Im Norden rufen serbische Politiker zum Wahlboykott auf.

Von Ralf Borchard | 31.10.2013
    "Ich werde ganz sicher zur Wahl gehen. Die Wahl ist wichtig für die Existenz der Serben hier."

    Sagt dieser Mann in Gracanica.

    In den serbischen Enklaven im Süden des Kosovo ist eine ausreichend hohe Wahlbeteiligung absehbar. Das Hauptproblem hier: möglicher Wahlbetrug.

    "Zum Boykott wird es hier nicht kommen, aber es gibt Leute, die die Stimmen kaufen wollen."

    Meint dieser Mann. Die Männer aus Gracanica haben den wunden Punkt dieser Wahl umrissen: Zwar wählt auch die kosovo-albanische Bevölkerungsmehrheit Bürgermeister und Gemeinderäte, doch das Ausland wird allein darauf schauen, wie die serbische Minderheit abstimmt - besonders im Norden, wo die Serben bisher jede Annäherung ablehnen.

    Aufruf zum Wahlboykott in Mitrovica
    Auf den Straßen im Norden der geteilten Stadt Mitrovica sind viele Wahlplakate heruntergerissen, das Wort "Boykott" ist allgegenwärtig. Der Arzt Marko Jaksic, Abgeordneter im serbischen Parlament in Belgrad und in Nord-Mitrovica zu Hause, ist einer der Wortführer der Boykotteure:

    "Es gibt 1001 Gründe, warum die Serben nicht zu dieser Wahl gehen sollten. Wer wählen geht, tauscht die Zugehörigkeit zum Staat Serbien mit der Zugehörigkeit zum Kosovo. Wer wählt, lehnt seinen eigenen Staat ab und akzeptiert einen fremden Staat. Wenn die Serben diese Wahl boykottieren, haben sie damit auch das Brüsseler Abkommen abgelehnt."

    Gemeint ist das von der EU vermittelte Abkommen, das die Regierungen in Belgrad und Pristina als historisch bezeichnen. Kerngedanke: Die Serben im Kosovo erhalten weitgehende Autonomierechte und fügen sich im Gegenzug in die staatliche Gesamtstruktur des Kosovo ein. Eine Anerkennung des Staates Kosovo bedeute das aber nicht, meint Krstimir Pantic, der in Nord-Mitrovica wieder als Bürgermeister kandidiert:

    "Nach diesen Wahlen wird ein Verbund der serbischen Gemeinden im Kosovo entstehen, der die Interessen der Serben schützen wird. Der Verbund wird eine starke Stimme gegenüber der internationalen Gemeinschaft haben. Und sagen, dass wir das Leben in einem unabhängigen Staat Kosovo nicht akzeptieren wollen."

    Reicht es für die Legitimierung des Brüsseler Abkommens?
    So bleibt eine ganze Reihe von Fragen offen. Wenn nur zehn oder 20 Prozent der Serben im Nordkosovo wählen gehen, reicht das für eine Legitimierung des Brüsseler Abkommens? Werden die Wahlbeobachter von EU und OSZE die Abstimmung als frei und fair bezeichnen? Wird es bis Sonntagabend erneut Sprengstoffanschläge und andere Einschüchterungsversuche geben, wie es in den vergangenen Wochen im Nordkosovo der Fall war? Werden der serbische Vize-Premier Vucic und sein umstrittener Minister Vulin tatsächlich zum Wahlkampfabschluss noch im Kosovo auftreten?

    Vucic hat den Besuch mehrfach verschoben, Vulin droht nach Angaben aus Pristina eine Festnahme, weil er zuvor ohne Genehmigung in den Kosovo eingereist ist. Und selbst wenn die Wahl einigermaßen glatt läuft: Wie werden serbische und kosovo-albanische Seite das Brüsseler Abkommen künftig auslegen?

    Vom Springbrunnen im serbischen Nord-Mitrovica sind es nur wenige Schritte in den albanisch dominierten Süden der Stadt – über die berühmte Ibar-Brücke, die auf serbischer Seite nach wie vor durch einen meterhohen Erdwall blockiert ist. Im Süden tritt Bürgermeister Avni Kastrati zur Wiederwahl an. Er gibt sich optimistisch:

    "Die Brücke wird im Januar 2014 frei sein. Noch ist die Brücke ein negatives Symbol - obwohl man jetzt schon über andere Brücken ungehindert fahren kann. Ich bin ziemlich sicher: Diejenigen, die die Blockade errichtet haben, werden die Brücke auch wieder frei machen."
    Blick auf den Fluss Ibar, der in der kosovo-aIbanischen Stadt Mitrovica den serbisch-dominierten Norden vom albanischen Süden trennt.
    Der Fluss Ibar trennt in Mitrovica den serbisch-dominierten Norden vom albanisch dominierten Süden. (AP)