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Gewaltsamer Zwischenfall vor der Moschee

Bulgarien gilt wegen des weitgehend friedlichen Zusammenlebens von Christen und Muslimen als Modell der Toleranz. Doch die ultra-nationalistische Ataka-Partei versucht diesen Frieden zu stören: Mit Stöcken attackierten Ataka-Anhänger betende Muslime beim Freitagsgebet - um daraus politisches Kapital für die kommenden Wahlen zu schlagen.

Von Simone Böcker | 31.05.2011
    Jordanka Evgenieva hat eine rosa Nelke in der Hand, behutsam steckt sie sie in eine Vase vor dem Zaun der Moschee im Zentrum Sofias. Wo noch vor wenigen Tagen Gebetsteppiche brannten, legen seitdem immer wieder Menschen Blumen nieder.

    Evgenieva: "Was hier passiert ist, ist unannehmbar und widerspricht geltenden gesellschaftlichen Normen. Deswegen lege ich diese Blume nieder, weil ich als Bürgerin nicht anders zeigen kann, wie unwohl ich mich fühle. Mit dieser Geste möchte ich mich entschuldigen dafür, was meine Mitbürger getan haben."

    Ihre Entschuldigung gilt den Muslimen, die beim Freitagsgebet vor zehn Tagen von Anhängern der rechtsextremen Partei Ataka angegriffen wurden. Auch Jordanka Evgenievas Begleiter Christo Petrov ist empört:

    "Die bulgarischen Muslime sind friedliche Gläubige. Wir sollten die Religion nicht für politische Ziele missbrauchen, so wie die Partei Ataka das tut."

    Der gewaltsame Zwischenfall vor der Moschee hat in Bulgarien hohe Wellen geschlagen. Während die Führung von Ataka darauf beharrt, die Gewalt sei nicht von ihnen ausgegangen, fordern Bürger in Petitionen ein Verbot der Partei, die Justiz ermittelt. Dadurch gerät nun auch die Regierung von Premierminister Boiko Borissov unter Druck. Denn Ataka ist die letzte verbliebene Partei, die seine Minderheitsregierung noch stützt. Die Ereignisse zwingen Borissovs Partei GERB nun aber, sich gegenüber Ataka klar zu positionieren. Der GERB-Abgeordnete Anastas Anastasov im Parlament:

    "Liebe Kollegen von Ataka, wir waren immer dankbar für Ihre Unterstützung und das, was wir mit Ihren Stimmen erreicht haben. Aber diesmal haben Sie eine Grenze überschritten. Ihr Weg ist nicht unserer, und so muss jeder seine eigene Richtung einschlagen."

    Doch diese Distanzierung kommt zu spät, findet Politikwissenschaftler Antony Todorov von der Neuen Bulgarischen Universität in Sofia:

    "GERB hätten sich erst gar nicht mit ihnen einlassen dürfen. Das war ein schlechter Zug. Diese Art von Bündnis findet sich in Europa selten und wenn ist sie Gegenstand heftiger Kritik. GERB hat den Effekt unterschätzt, den das auf die Wähler hatte. Viele Wähler sagen sich: Gott, wo sind wir jetzt gelandet? Dieser Kampf vor der Moschee macht einen extrem schlechten Eindruck auf die gesamte Öffentlichkeit in Bulgarien."

    Eine Folge könnten nun vorgezogene Wahlen sein. Doch Premierminister Borissov hofft noch, mit einzelnen Abgeordneten anderer Fraktionen weiterregieren zu können: zum Beispiel den drei Abgeordneten von Ataka, die aus Protest ihren Parteiposten niedergelegt haben. Für eine Regierungsmehrheit würde das allerdings nicht genügen. Politikwissenschaftler Todorov glaubt deswegen an neue Verhandlungen:

    "Bei Neuwahlen hätte im Moment niemand wirklich eine Chance, zu gewinnen, auch GERB nicht. Niemand ist auf Wahlen vorbereitet. Deswegen werden die Parteien versuchen, die Situation irgendwie mit anderen Mitteln hinzubekommen."

    Eine Woche nach dem Vorfall beim Freitagsgebet vor der Moschee. Viel mehr Gläubige als sonst sind gekommen, die Gebetsteppiche reihen sich auf dem Vorplatz aneinander. Trotz Ankündigungen der Rechtsextremen sind sie an diesem Tag weit und breit nicht zu sehen. Die Stimmung ist friedlich. Nezir Pachedji schaut gelassen auf die betende Menge:

    "Ich fühle mich wie jeden Freitag sehr ruhig. Der größte Teil der Bulgaren ist doch besonnen. Sie würden sich nie zu so was verleiten lassen. Ein großer Teil schämt sich. Mit den normalen Menschen habe ich überhaupt kein Problem."