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Glücklich, wer eine Lebensversicherung hat

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins für den Euroraum auf den niedrigsten Stand seit Einführung der gemeinsamen Währung gesenkt. Das hat gravierende Auswirkungen auf Sparanlagen. Neue Lebensversicherungen etwa werfen deutlich weniger Ertrag ab. Altverträge sollte man keinesfalls kündigen.

Von Michael Braun | 06.05.2013
    Für die, die drin sind, ist alles gut. Noch. Sie haben voriges Jahr in Deutschland gut 87 Milliarden Euro Beiträge in ihre Lebensversicherungen eingezahlt. Und sie bekamen auch noch eine Rendite zugeschrieben. Peter Schwark, in der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft zuständig für die Lebensversicherung, sagt, die 90 Millionen Lebensversicherungen in Deutschland hätten noch ein gutes Auskommen. Das liege auch an den Garantien:

    "Das heißt, auch in größeren Kapitalmarktkrisen verlieren die Leute kein Geld. Es gibt eine Mindestverzinsung – und das kriegen Sie fast bei gar keinem anderen Vorsorgerprodukt. Auch in Zeiten niedriger Zinsen bleibt die Lebensversicherung unerreicht. Wir haben aktuell ein Gesamtverzinsungsniveau von 3,6 Prozent. Und das bietet kaum ein anderes Produkt heutzutage."

    Stimmt, sagt auch Christian Badorff von der Ratingagentur Standard & Poor’s:

    "Wir glauben aber nach wie vor, dass die Gewinnbeteiligung im Vergleich zu den derzeitigen Kapitalmarktbedingungen noch eine Höhe hat, die man nicht als unattraktiv ansehen kann."

    Derjenige, der eine Lebensversicherung hat, womöglich schon zehn Jahre und mehr, sollte die auf keinen Fall wegen der Niedrigzinspolitik der EZB kündigen. Denn nur für neue Lebensversicherungen müssen die Anbieter einen Garantiezins von nur 1,75 Prozent anbieten. Im Jahr 2000 hatte der noch bei vier Prozent gelegen – und das für die ganze Laufzeit des Vertrages. Wer vorzeitig kündigt, realisiert vermutlich sogar Verluste, weil die Abschlusskosten des Vertrages höher als die schon verdienten Erträge sind. Außerdem sind die genannten vier Prozent bei solchen Altverträgen auch für die Zukunft sicher.

    Nur neue Verträge werfen deutlich weniger Ertrag ab, und das schon seit einiger Zeit. Auch Bundesbankvorstand Andreas Dombret sieht das realistisch:

    "Von diesen anhaltend niedrigen Zinsen sind die deutschen Lebensversicherer spürbar betroffen. Das Niedrigzinsumfeld spiegelt sich immer deutlicher in ihren Ergebnissen aus der Kapitalanlage wider. Und die Tendenz ist weiter fallend."

    Wenn nicht die Verbraucher beruhigt, sondern die Politik aufgeschreckt werden soll, dann kritisiert auch der Branchenverband GDV die Zinspolitik der EZB: Die Niedrigzinstherapie der EZB wirke sich negativ auf die bestehende private Altersvorsorge aus und sorge für Fehlanreize, heißt es im Verband. Soll heißen: Wenn Vorsorge keinen Ertrag bringe, sorge auch niemand vor. Das wäre aber die falsche Konsequenz, politisch und auch im Blick auf die Alterseinkünfte eines jeden Einzelnen. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:

    "Der Marktzins ist derzeit sehr, sehr niedrig. Die Versicherer werden die Zinsen in den nächsten Jahren weiter anpassen müssen, wenn die Zinsen nicht deutlich steigen. Und man muss sich aber bei der Altersvorsorge und bei der Geldanlage auf dieses sehr, sehr niedrige Zinsniveau einstellen. Es geht leider nicht anders."

    Das heißt: Mehr sparen, um später trotz niedriger Verzinsung den gewünschten Lebensstandard finanzieren zu könne. Oder an diesem Standard Abstriche machen. Wer sich zur ersten Variante entschließt, muss ja nicht eine zweite Lebensversicherung abschließen. Auch langfristig orientierte Sparer, und das sind ja Lebensversicherte in der Regel, können den Vermögensverlusten durch Zinsen unterhalb der Inflationsrate auch anders zu entgehen versuchen.

    "Man könnte das Enteignung nennen. Der kann der einzelne Sparer allerdings dann entgehen, wenn er sich andere Anlageformen sucht, die man beispielsweise auch an der Börse findet."

    Sagt Holger Bahr, Volkswirt bei der Deka Bank. Aktien bringen andere Risiken. Aber sie gehören zum obersten Gebot für den Anleger: Nicht alle Eier in einen Korb zu legen, auch nicht wenn er Lebensversicherung heißt.