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Glyphosat-Prozess
Monsanto muss Krebskrankem Schadenersatz zahlen

78 Millionen Dollar Schadenersatz soll die Bayer-Tochter Monsanto an den krebskranken Amerikaner Edwin Hardeman zahlen, der über Jahre hinweg den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup eingesetzt hat. Das hat ein US-Gericht entschieden. Das Urteil könnte die Richtung für weitere Verfahren vorgeben.

Von Nicole Markwald | 28.03.2019
Der Unkrautvernichter Roundup von Monsanto steht im Regal eines Geschäfts
Monsanto hält am glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup fest (AFP/EDELSON)
Auf dem Grundstück von Edwin Hardeman in Nordkalifornien wuchs Giftefeu und Unkraut. Dazu überwucherten seine Pflanzen regelmässig. Deshalb griff Hardeman seit den 80er-Jahren zum Unkrautvernichtungsmittel Roundup des Herstellers Monsanto.
Was in keinem Werbespot erwähnt wird: Roundup enthält das Mittel Glyphosat. Und das steht im Verdacht Krebs zu erregen, aber davon steht auf den dickwandigen Plastikbehältern nichts. Monsanto brachte Roundup in den 70er-Jahren auf den Markt, heute wird es in mehr als 160 Ländern verkauft, bei Millionen Farmern und Grundstücksbesitzern in den USA steht Roundup in der Garage.
Hardeman ist inzwischen 70 Jahre alt. 2015 erkrankte er an Lymphdrüsenkrebs und ging gegen Monsanto vor Gericht. Nun entschied eine sechköpfige Jury in San Francisco: Der Hersteller kann für die Krebsrisiken seines Unkrautvernichters mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat haftbar gemacht werden. Monsanto muss Hardeman rund 80 Millionen Dollar Schadensersatz zahlen.
Bayer zeigt sich vom Urteil der Jury enttäuscht
Als Hardemans Anwältin Jennifer Moore gefragt wird, wie es ihrem Klienten gehe, sagt sie: "Er freut sich. Er hat das Gefühl, die Jury hat gut zugehört, alle Fakten berücksichtigt. Niemand sollte das durchmachen, was er durchgemacht hat. Und dieses Urteil verschafft ihm etwas Frieden. Die Jury hat erkannt, was hier passiert ist und Monsanto zur Rechenschaft gezogen."
In einer ersten Phase des Prozesses war die Jury einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass Glyphosat 'wesentlich' zu dem Krebs des Mannes beigetragen hat. Im zweiten Teil des Prozesses ging es um die Frage der Verantwortlichkeit des Konzerns und eventuelle Schadenersatzansprüche.
Der Bayer-Konzern hatte Monsanto im Sommer 2018 übernommen und musste schon im August vergangenen Jahres einen ersten Schlag hinnehmen. Eine andere Jury sprach einem an Krebs erkrankten Hausmeister 289 Millionen Dollar zu. Ein Richter reduzierte die Summe anschließend auf 78 Millionen. Bayer ging gegen das Urteil in Berufung.
Nach dieser zweiten Niederlage erklärte Bayer nun, es sei von dem Urteil der Jury enttäuscht. "Wir haben großes Mitgefühl mit Herrn Hardeman und seiner Familie. Bayer steht hinter diesen Produkten und wird sie entschieden verteidigen", so der Konzern.
Könnte die Richtung für mehr als 760 Verfahren vorgeben
Aimee Wagstaff, eine weitere Anwältin von Hardeman, sagte dazu:
"Dann sage ich: Es ist die zweite einstimmige Jury-Entscheidung, nach der Roundup Krebs verursacht. Sie haben eine Woche bis zur Urteilsfindung gebraucht. Sie haben wissenschaftliche Unterlagen aus 40 Jahren durchgesehen. Wir sagen: 40 Jahre Täuschung und 40 Jahre wissenschaftliche Unehrlichkeit. Und die Jury hat das ernst genommen, gesehen, dass dies es kein sicheres Mittel ist und Bayer muss aufhören, das zu behaupten."
Dieses neue Urteil könnte die Richtung für mehr als 760 weitere Verfahren vorgeben, die beim Gericht in San Francisco anhängig sind. Zwar ist der Ausgang des aktuellen Verfahrens rechtlich nicht bindend für weitere Klagen in den USA. Allerdings gibt der Prozess Hinweise auf die Erfolgsaussichten.
Bayer verweist unterdessen weiter darauf, dass Zulassungsbehörden weltweit den Unkrautvernichter bei sachgemäßer Anwendung als sicher bewerteten.
Experten sind uneinig, ob Glyphosat tatsächlich Krebs verursachen kann. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass keine Krebsgefahr von dem Herbizid ausgeht. Die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung sieht das anders: Sie schrieb vor vier Jahren, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" sei.