Sandra Schulz: Nach streng journalistischen Kriterien ist das eigentlich gar keine Nachricht, "Das Ringen um die Zukunft des angeschlagenen Autobauers Opel geht weiter", denn eine Information muss rein journalistisch technisch gesehen neu sein und die zähen Verhandlungen beobachten wir jetzt ja schon seit Monaten. Neu ist aber immer wieder, welche Formen dieses Ringen annimmt.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass es immer unrealistischer wird, eine Entscheidung noch vor der Bundestagswahl zu erwarten. Daran hat auch das gestrige Spitzentreffen zwischen Vertretern von Bund und Ländern auf der einen und dem US-Autokonzern General Motors auf der anderen Seite nichts geändert.
Meine Kollegin Anne Raith hatte vor der Sendung Gelegenheit, Einschätzungen von Professor Willi Diez einzuholen vom Institut für Automobilwirtschaft der Fachhochschule Nürtingen. Zuerst hat sie ihn gefragt: nach dem monatelangen Ringen um Opel, wie lange geht das noch gut?
Willi Diez: Ja, es ist schon für alle Beteiligten eine Belastungsprobe und natürlich die Belegschaft leidet ja geradezu unter einem Psychoterror, was Ankündigungen anbelangt, und dann doch keine Entscheidung. Das setzt die Menschen schon sehr unter Druck, es verunsichert natürlich auch die Käufer und man muss davon ausgehen, wenn das noch eine Weile sich hinzieht, dann wird das sicher die Marke Opel, das Image der Marke Opel schädigen und dann auch zu konkreten Kaufzurückhaltungen führen.
Anne Raith: Was steckt denn Ihrer Meinung nach dahinter? Wer hält hier wen hin?
Diez: Ich denke, wir haben eine Situation, in der sich die unterschiedlichen Überlegungen gegenseitig blockieren. General Motors möchte langfristig gesehen die Kontrolle über Opel behalten – entweder direkt, indem man eben jetzt Opel nicht verkauft, oder indirekt über den Finanzinvestor RHJ. Auf der anderen Seite möchte man natürlich aber auch die Staatsbürgschaft in Höhe von 4,5 Milliarden Euro bekommen und da wiederum hat sich ja die Bundesregierung festgelegt: Die gibt es nur bei der Lösung mit Magna. Und das ist nun wiederum die Lösung, die ja gerade General Motors im Moment nicht zu favorisieren scheint. Das ist eine klassische Blockade und jetzt werden sich beide, das heißt auch die Bundesregierung, bewegen müssen, damit es zu einer schnellen Lösung kommt.
Raith: Sie haben es eben schon angesprochen: Es gibt Gerüchte, dass GM seine Tochter Opel gar nicht verkaufen will. Warum nicht?
Diez: General Motors weiß, dass man im Weltautomobilmarkt langfristig nur überleben kann, wenn man in allen großen Absatzregionen, also in Nordamerika, in Asien und eben auch in Europa, stark vertreten ist, und das kann General Motors nur gelingen, wenn es eben hier mit seiner Tochter eine Position, eine starke Position in Europa behält. Deshalb hat man ein schon langfristiges strategisches Interesse daran, dass Opel im Einflussbereich von General Motors bleibt, und dementsprechend gehen eben die Überlegungen dahin: Wie kann man direkt oder indirekt die Kontrolle über Opel behalten?
Raith: Kann sich General Motors das denn leisten? Es ist ja von 4,3 Milliarden Dollar die Rede, die für die Sanierung von Opel nötig sind.
Diez: Im Moment kann sich das General Motors noch nicht leisten, aber man muss sehen: Die Welt bei General Motors hat sich in den letzten Wochen und Monaten verändert. General Motors ist ja ein Staatskonzern geworden, der Markt in den USA stabilisiert sich, General Motors profitiert von der Abwrackprämie, die es ja auch auf dem amerikanischen Markt gibt. Also General Motors erstarkt wieder. Im Moment ist man sicher nicht in der Lage, diese vier oder fünf Milliarden aufzubringen, aber die Zeiten können sich ändern und deshalb geht ja auch, denke ich, die Strategie von General Motors dahin, mit Ripplewood einen Finanzinvestor zu haben, der jetzt frisches Kapital in das Unternehmen einbringt und dem man dann später aber auch wieder die Anteile abkaufen kann.
Raith: Was würde diese Lösung denn für Opel bedeuten, wenn Opel nun doch als Tochter bei Mutter GM bleibt?
Diez: Opel würde meines Erachtens bei dieser Lösung nicht unbedingt auf der Verliererseite stehen, denn Opel hat ja die Entwicklungskompetenz im gesamten GM-Konzern für Mittelklassefahrzeuge. Das Entwicklungszentrum für diese Fahrzeuge liegt in Rüsselsheim und das ist ja eine Kategorie von Fahrzeugen, die auch in Amerika immer wichtiger wird, wo ja auch der Trend zu verbrauchssparsameren Modellen geht. Das heißt, Opel könnte eine ganz wesentliche technologische Führungsrolle in diesem Bereich im gesamten GM-Konzern übernehmen, und das hätte sicher auch positive Auswirkungen auf den Standort Rüsselsheim.
Raith: Wirtschaftsminister zu Guttenberg hat ja offenbar von diesen möglichen GM-Plänen aus der Zeitung erfahren. Lässt sich die Bundesregierung da von GM gerade an der Nase herumführen?
Diez: GM spielt natürlich ein etwas undurchsichtiges Spiel, wobei man auch fairerweise dazu sagen muss, dass sich ja die gesamte Führungsetage bei GM neu positioniert und neu organisiert und da natürlich auch ein wenig die personelle Kontinuität fehlt und dementsprechend auch immer die Verbindlichkeit der Aussagen. General Motors muss sicher jetzt auch im Interesse von Opel und auch im eigenen Interesse Entscheidungen treffen, klar sagen, was man will, wo die Reise hingehen soll, denn diese Hängepartie um Opel schädigt die Marke nachhaltig und das wäre langfristig auch für General Motors nicht gut.
Schulz: Professor Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft der Fachhochschule Nürtingen. Die Fragen stellte Anne Raith
Inzwischen zeichnet sich ab, dass es immer unrealistischer wird, eine Entscheidung noch vor der Bundestagswahl zu erwarten. Daran hat auch das gestrige Spitzentreffen zwischen Vertretern von Bund und Ländern auf der einen und dem US-Autokonzern General Motors auf der anderen Seite nichts geändert.
Meine Kollegin Anne Raith hatte vor der Sendung Gelegenheit, Einschätzungen von Professor Willi Diez einzuholen vom Institut für Automobilwirtschaft der Fachhochschule Nürtingen. Zuerst hat sie ihn gefragt: nach dem monatelangen Ringen um Opel, wie lange geht das noch gut?
Willi Diez: Ja, es ist schon für alle Beteiligten eine Belastungsprobe und natürlich die Belegschaft leidet ja geradezu unter einem Psychoterror, was Ankündigungen anbelangt, und dann doch keine Entscheidung. Das setzt die Menschen schon sehr unter Druck, es verunsichert natürlich auch die Käufer und man muss davon ausgehen, wenn das noch eine Weile sich hinzieht, dann wird das sicher die Marke Opel, das Image der Marke Opel schädigen und dann auch zu konkreten Kaufzurückhaltungen führen.
Anne Raith: Was steckt denn Ihrer Meinung nach dahinter? Wer hält hier wen hin?
Diez: Ich denke, wir haben eine Situation, in der sich die unterschiedlichen Überlegungen gegenseitig blockieren. General Motors möchte langfristig gesehen die Kontrolle über Opel behalten – entweder direkt, indem man eben jetzt Opel nicht verkauft, oder indirekt über den Finanzinvestor RHJ. Auf der anderen Seite möchte man natürlich aber auch die Staatsbürgschaft in Höhe von 4,5 Milliarden Euro bekommen und da wiederum hat sich ja die Bundesregierung festgelegt: Die gibt es nur bei der Lösung mit Magna. Und das ist nun wiederum die Lösung, die ja gerade General Motors im Moment nicht zu favorisieren scheint. Das ist eine klassische Blockade und jetzt werden sich beide, das heißt auch die Bundesregierung, bewegen müssen, damit es zu einer schnellen Lösung kommt.
Raith: Sie haben es eben schon angesprochen: Es gibt Gerüchte, dass GM seine Tochter Opel gar nicht verkaufen will. Warum nicht?
Diez: General Motors weiß, dass man im Weltautomobilmarkt langfristig nur überleben kann, wenn man in allen großen Absatzregionen, also in Nordamerika, in Asien und eben auch in Europa, stark vertreten ist, und das kann General Motors nur gelingen, wenn es eben hier mit seiner Tochter eine Position, eine starke Position in Europa behält. Deshalb hat man ein schon langfristiges strategisches Interesse daran, dass Opel im Einflussbereich von General Motors bleibt, und dementsprechend gehen eben die Überlegungen dahin: Wie kann man direkt oder indirekt die Kontrolle über Opel behalten?
Raith: Kann sich General Motors das denn leisten? Es ist ja von 4,3 Milliarden Dollar die Rede, die für die Sanierung von Opel nötig sind.
Diez: Im Moment kann sich das General Motors noch nicht leisten, aber man muss sehen: Die Welt bei General Motors hat sich in den letzten Wochen und Monaten verändert. General Motors ist ja ein Staatskonzern geworden, der Markt in den USA stabilisiert sich, General Motors profitiert von der Abwrackprämie, die es ja auch auf dem amerikanischen Markt gibt. Also General Motors erstarkt wieder. Im Moment ist man sicher nicht in der Lage, diese vier oder fünf Milliarden aufzubringen, aber die Zeiten können sich ändern und deshalb geht ja auch, denke ich, die Strategie von General Motors dahin, mit Ripplewood einen Finanzinvestor zu haben, der jetzt frisches Kapital in das Unternehmen einbringt und dem man dann später aber auch wieder die Anteile abkaufen kann.
Raith: Was würde diese Lösung denn für Opel bedeuten, wenn Opel nun doch als Tochter bei Mutter GM bleibt?
Diez: Opel würde meines Erachtens bei dieser Lösung nicht unbedingt auf der Verliererseite stehen, denn Opel hat ja die Entwicklungskompetenz im gesamten GM-Konzern für Mittelklassefahrzeuge. Das Entwicklungszentrum für diese Fahrzeuge liegt in Rüsselsheim und das ist ja eine Kategorie von Fahrzeugen, die auch in Amerika immer wichtiger wird, wo ja auch der Trend zu verbrauchssparsameren Modellen geht. Das heißt, Opel könnte eine ganz wesentliche technologische Führungsrolle in diesem Bereich im gesamten GM-Konzern übernehmen, und das hätte sicher auch positive Auswirkungen auf den Standort Rüsselsheim.
Raith: Wirtschaftsminister zu Guttenberg hat ja offenbar von diesen möglichen GM-Plänen aus der Zeitung erfahren. Lässt sich die Bundesregierung da von GM gerade an der Nase herumführen?
Diez: GM spielt natürlich ein etwas undurchsichtiges Spiel, wobei man auch fairerweise dazu sagen muss, dass sich ja die gesamte Führungsetage bei GM neu positioniert und neu organisiert und da natürlich auch ein wenig die personelle Kontinuität fehlt und dementsprechend auch immer die Verbindlichkeit der Aussagen. General Motors muss sicher jetzt auch im Interesse von Opel und auch im eigenen Interesse Entscheidungen treffen, klar sagen, was man will, wo die Reise hingehen soll, denn diese Hängepartie um Opel schädigt die Marke nachhaltig und das wäre langfristig auch für General Motors nicht gut.
Schulz: Professor Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft der Fachhochschule Nürtingen. Die Fragen stellte Anne Raith