Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Green Shipping
Abgas von Containerschiffen soll sauberer werden

Weltweit dürfen Schiffe nur noch schwefelarmen Treibstoff bunkern.Sie können auch weiter mit dreckigem Schweröl fahren, müssen dafür die Abgase direkt an Bord reinigen. Die Schwermetalle und Rußpartikel werden jedoch im Meer entsorgt. Verhindern soll dies eine spezielle Abwasser-Reinigungsanlage.

Von Tomma Schröder | 06.07.2020
Rauchender Schornstein eines Containerschiffes in Hamburg. In der EU sterben jedes Jahr etwa 60.000 Menschen vorzeitig an den Abgasen von Schiffen, so Experten.
Rauchender Schornstein eines Containerschiffes in Hamburg (picture alliance/ chromorange)
"Wir fahren gerade einen 36-Stunden-Betrieb, hier waren alle an Bord, mit 8-Stunden-Wache, die Schiffsbetriebstechniker haben aufgepasst, dass der Motor die Abgase liefert, die Studierenden haben auch 8-Stunden-Wachen geschoben und die Anlage überwacht und Proben gezogen."
Die Mannschaft ist an Bord, der Motor stampft und der Schornstein raucht. Doch voran geht es keinen Meter. Denn hier am Ufer der Flensburger Förde, in einer kleinen Halle, mit ein paar Laboren drum herum steht lediglich ein Forschungsschiffsmotor. Das einzige, was hier so ein wenig nach Schiff aussieht, steht draußen auf dem Hof: Es ist der Schornstein, der ganz typisch am Ende gebogen ist und Rauch in die Luft bläst. Weißen Rauch – denn die Abgase wurden zuvor von einer Scrubberanlage gereinigt, wie Versuchsleiterin Wiktoria Vith erklärt.
"Scrubber sind so riesige Duschen, wo das Abgas eingeleitet ist nach dem Kaminprinzip von unten nach oben, und dann in Gegenrichtung strömt das Waschwasser. Dieses Waschwasser ist in der Regel Seewasser und hat die Fähigkeit, gelöste Verbindungen zu binden: das sind die Schwefeloxide, das sind Rußpartikel, das sind Schwermetalle, das sind die letzten Öltröpfchen aus dem Verbrennungsprozess oder auch die PAKs."
Neuartige Membrananalage zur Reinigung von Scrubberabwasser
PAKs, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, und andere Schadstoffe finden sich auf diese Weise im Waschwasser wieder. Auf einem richtigen Schiff würde dies nun – mehr oder weniger stark verdünnt – im Meer landen, erklärt Michael Thiemke, Schiffstechniker an der Hochschule Flensburg:

"Es gibt Gebiete, wo man das verschmutzte Wasser einfach außenbords geben darf. Leider ist das so, und es gibt andere Gebiete, in denen das streng verboten ist."
Damit diese Verbotszonen ausgeweitet werden können und Reeder eine Alternative zum Verklappen der Schadstoffe haben, arbeiten Thiemke und seine Kollegin Vith an einem Reinigungsprozess für das Waschwasser, der so einfach und störungssicher wie möglich ist.

"Wir befinden uns in dem neuen Membrananlagenforschungsraum. Um diese Membran ist natürlich sehr viel mehr aufgebaut, sehr viele Rohrleitungen, Ventile, Pumpen."

Inmitten dieses Durcheinanders von Leitungen und Messgeräten nimmt sich das Herzstück der Anlage klein aus: Es ist ein wenige Zentimeter breites Rohr, in dem innen viele kleine Kanäle entlangführen, die sogenannten Membranen.

"Sobald das Abwasser auf dieses Membranrohr trifft, kommt es zu einer Trennung: Die Flüssigkeit kann diese Membrane passieren und auf der dichten Seite der Membran verbleiben die Partikel, die größer sind als die Poren der Membrane."
Ein Graffiti an der Außenwand des Großmaschinenlabor des Maritimen Zentrums der Hochschule Flensburg zeigt den Aufbau des deutschlandweit einzigartigen Versuchsstands zur Reinigung von Schiffsabgasen
Graffiti am Großmaschinenlabor des Maritimen Zentrums der Hochschule Flensburg in Kielseng (Copyright: Hochschule Flensburg)
Saubere Luft, dreckiges Meer: Der Schwindel mit den Schiffsabgasen
Wiktoria Vith zeigt zwei Flaschen: Eine mit klarer, gereinigter Flüssigkeit, die andere mit einem zähen schwarzen Gemisch – den herausgefilterten Schmutz- und Schadstoffen.

"Sowohl die Scrubber-Technologie wie auch die Reinigung von Wasser mit deutlich einfacheren Anlagen als die wir im Forschungsbetrieb haben, ist immer noch so komplex, dass sie nicht vollautomatisch, stabil, dauerhaft funktioniert. Zumindest gilt das für viele Betreiber, mit denen wir im Kontakt sind. Und die fahren deswegen mit extra Personal. Das kostet wiederum Geld."
Es scheint paradox: Es gibt schwefelarmen Treibstoff, der schon in den Raffinerien in großen Mengen gereinigt wurde. Trotzdem ist es für die Schifffahrt, selbst mit zusätzlichem Personalaufwand oft lohnender, das alte billige Schweröl zu verwenden und dieses an Bord selbst zu reinigen. Immerhin 4000 Schiffe fahren derzeit mit solchen Anlagen – Tendenz steigend. Und über 98 Prozent dieser Fahrzeuge entsorgen ihre Abwässer auf die ein oder andere Weise im Meer. Thiemke hofft, dass sich diese Praxis und die Vorschriften ändern könnten, wenn sie es schaffen eine gute und günstige Reinigungstechnologie zu entwickeln. Beate Klünder vom Nabu indes wünscht sich eher, dass Scrubber grundsätzlich verboten werden:
"Wenn ein Schiff aber ein Scrubber hat, darf es dieses sehr sehr dreckige und günstige Schweröl noch tanken, und es kontrolliert aber niemand, ob der Scrubber tatsächlich die ganze Zeit läuft. Und gerade auf dem offenen Meer ist das quasi unkontrollierbar."

Das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie schätzt, dass vor allem große Mengen giftiger PAKs eingeleitet werden, wenn sich die Scrubbertechnologie ohne weitere Filterung des Waschwassers durchsetzt. Letztlich, so fasst es ein Behördenmitarbeiter zusammen, sei es schlichtweg absurd, dass viel Energie aufgewendet werde, um Schadstoffe lediglich von der Luft ins Meer umzuverteilen.