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Griechenland
Der schwere Kampf gegen den alltäglichen Steuerbetrug

Die griechische Regierung hat den Geldgebern eine Liste mit geplanten Reformen vorgelegt. Dazu gehört auch der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht. Beides ist weit verbreitet. Aber während der politische Wille da ist, fehlt es den Finanzbehörden für ihre Arbeit an ganz praktischen Dingen.

Von Jerry Sommer | 02.04.2015
    Gerüstbauer arbeiten auf einer Baustelle.
    Schwarzarbeit ist bei Handwerkern und Händlern weit verbreitet. (picture-alliance / dpa / Christian Charisius)
    Auf dem Straßenmarkt unweit des Athener Zentrums wird das Kilo Bananen für einen Euro angeboten. Wie bei der Mehrheit der Griechen ist auch hier die Unterstützung für die Politik der von der radikallinken Syriza geführten Regierung groß. Insbesondere begrüßt man, dass sie endlich gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht vorgehen will. Panagiotis, ein 30-jähriger Verkäufer:
    "Da bewegt sich schon etwas. Man muss aber wirklich die großen Steuerhinterzieher dran bekommen. Klar hinterziehen auch die kleinen Leute Steuern. Wir dürfen aber nicht die Fliegen jagen und die Elefanten ungeschoren davonkommen lassen. Ich glaube, das wird die Regierung richtig machen."
    Auf dem Markt stelle wohl nur jeder zweite Stand Quittungen aus, schätzt er - und enthalte dem Staat dadurch die Mehrwertsteuer vor. Auch Handwerker arbeiten in der Regel schwarz. Die Kunden können dadurch die 23-prozentige Mehrwertsteuer sparen - für viele Griechen in Zeiten der Krise eine deutliche Erleichterung. - Auch im Gaststätten- und Tourismusgewerbe ist Steuerhinterziehung weit verbreitet. Im Athener Finanzministerium kursiert deshalb die Idee, Griechen oder ausländische Touristen als sogenannte Steuerspione einzusetzen, um Mehrwertsteuerbetrüger auf frischer Tat zu ertappen. Nikos, ein Gemüseverkäufer, hält das für sinnvoll:
    "Die Griechen zahlen doch nur Steuern unter Druck, wenn sie Angst haben. Wenn man Angst hat, dass jeder Kunde ein Spion sein könnte, dann würden alle korrekt abrechnen."
    Kein konsequentes Vorgehen gegen Steuerbetrüger
    350 Millionen Euro hofft die griechische Regierung dieses Jahr durch solche und andere Maßnahmen gegen Mehrwertsteuerbetrug zusätzlich einzunehmen.
    Antonis, der Besitzer eines einfachen Musikrestaurants in Athen, ist davon nicht überzeugt:
    "Die Bürger haben doch in unserem schwachen Staat gelernt, wie sie Steuern hinterziehen können. Du kannst ja nicht in jedem Betrieb einen Steuerkontrolleur einsetzen. Deshalb werden sie immer einen Weg finden, den Staat zu beklauen."
    Antonis weiß, dass die vorherigen Regierungen gegen Steuerbetrüger nicht konsequent vorgegangen sind. Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Steuerbeamten, Trifon Alexiadis, erinnert an die sogenannte Liste "Lagarde", die 2010 von der damaligen französischen Finanzministerin überreicht worden ist. Darauf standen die Namen von Griechen mit Bankkonten in der Schweiz.
    "2062 Fälle sind da aufgelistet. Doch bis heute sind nicht mehr als 100 untersucht worden. Und die Strafbarkeit endet am 31. Dezember dieses Jahres."
    Es mangelt an Computern und Personal
    Doch langsam tut sich etwas: Seit diesem Monat müssen die Banken den Steuerbehörden auf Anfrage direkten Zugang zu sämtlichen Kontobewegungen von verdächtigen Personen erlauben, ergänzt er. Die griechische Regierung erhofft sich dieses Jahr durch die Verfolgung der Steuerflucht Mehreinnahmen in Höhe von 700 Millionen Euro. Ein Mitarbeiter der Steuerfahndung, der anonym bleiben will, ist froh, dass jetzt endlich der politische Wille da sei, gegen Steuerbetrüger vorzugehen. Aber das allein genüge nicht:
    "In drei bis vier Monaten werden wir dank der neuen Möglichkeiten, sofort Kontobewegungen von Verdächtigen einzusehen, erste Ergebnisse vorweisen können. Aber es gibt auch andere Probleme: Es mangelt an Computern, an Kopierern, an Personal."
    Tatsächlich hat Griechenland nur 9500 Steuerbeamte für elf Millionen Einwohner. In Deutschland sind für eine vergleichbare Einwohnerzahl 15.000 Steuerbeamte zuständig. Wie viel an Mehreinnahmen die griechische Regierung durch die Bekämpfung der Steuerflucht tatsächlich einnehmen kann, halten Steuerexperten für schwer schätzbar. Der Oppositionspolitiker Haris Theoharis von der liberalen Partei "Der Fluss" sieht zwar, dass die neue linke Regierung die Reichen des Landes nicht verschone, wie es ihre Vorgänger gemacht hätten, aber sie mache sich Illusionen:
    "Ich erkenne an, dass die neue Regierung den politischen Willen hat, gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Aber sie überschätzt die Möglichkeiten, so Geld hereinzuholen. Und sie unterschätzt die Probleme, die man angehen muss, um erfolgreich gegen Steuerhinterzieher vorzugehen."
    Die grundlegende Reform der Steuerverwaltung sei eine langwierige Aufgabe. Vor allem müssten Steuerbeamte nach Leistung und nicht entsprechend ihrem Parteibuch eingestellt werden, meint der Politiker. Panagiotis, der Marktverkäufer, hofft jedenfalls wie viele Griechen, dass die Maßnahmen gegen Steuerbetrüger erfolgreich sein werden. Denn weitere Lohn- und Rentenkürzungen oder neue Steuererhöhungen seien für die große Mehrheit der Griechen einfach nicht mehr tragbar.