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Griechenland
Künstlerische Inspiration trotz Krise

Staatliche Gelder für Kunst sind weggebrochen. Die Künstler suchen deshalb neue Möglichkeiten, ihre Kunst zu präsentieren. So gibt es nach Schätzungen mittlerweile etwa 60 Künstlerkollektive in Griechenland.

Von Chrissi Wilkens | 29.12.2013
    Später Nachmittag in der Athener Pinakothek im Stadtteil Metaxourgio. Eine Gruppe von Künstlerinnen steht im Flur des neoklassizistischen Gebäudes und diskutiert. Es sind die Mitglieder der Gruppe Provo Principles, die gemeinsam hier ihre Werke ausstellen.
    Aliki Pappa deutet auf ihre Werke. Drei melancholische wirkende Schwarz-Weiß-Zeichnungen aus Öl und Kohle, die auf die Bedeutung des Raumes im Raum hinweisen, sowie auf den Übergang von einem realen Raum in das Gedächtnis.
    Die 31-jährige Künstlerin macht zusammen mit ihren Kolleginnen eine kurze Zigarettenpause draußen vor der Pinakothek. Für sie ist die gemeinsame Ausstellung eine sehr wichtige Erfahrung.
    "Es ist interessant, wie jeder von uns ein wenig in den anderen hineinschlüpfen kann, ohne ihn zu beeinflussen, sondern ihn eher als einen Bezugspunkt und eine Verbindung erlebt."
    Die Künstlergruppe Provo Principles entstand im Jahr 2011 nach dem Beginn der Krise. Auch früher schon gab es Künstlerkollektive. Während der Krise sind sie aber viel präsenter geworden, erklärt Nikos Sepetzoglou.
    "Es gab immer schon den Willen, miteinander zu kommunizieren und eine Ausstellung oder etwas anderes gemeinsam zu organisieren. Jetzt ist es aber viel sichtbarer. Ich glaube, es ist vielleicht das Publikum selbst, das so ein Kollektiv von den Künstlern verlangt."
    In den letzten Jahren wurden die Ausgaben für die Kultur im staatlichen Budget drastisch gekürzt. Gleichzeitig werden immer mehr Arbeitsstellen im staatlichen Kulturbereich gestrichen. Kunstlehrer verlieren ihre Arbeit, Beamte werden in Reserve gestellt. Kurz vor Anfang der Ausstellung wurden die Fahrer sowie weiteres Personal der Pinakothek gefeuert, sagt Aliki mit frustrierter Stimme. Die Künstler mussten selber einen LKW organisieren und ihn mit eigenen Geldern bezahlen, um ihre Werke in das Museum transportieren zu können. Die schwierige Situation in Griechenland stärkt jedoch ihren Willen.
    "Ich konzentriere mich darauf, wie ich es schaffen werde: Nicht aufhören, zu arbeiten, trotz der jetzigen Situation. Man denkt nicht mehr, dass etwas Großartiges passieren wird. Es hat mehr mit der persönlichen Beziehung zur Kunst zu tun, was auch wichtiger ist und eigentlich Sinn der Sache."
    Die meisten Künstler in Griechenland müssen gleichzeitig einen anderen Beruf ausüben, um überleben zu können. So auch die Mitglieder dieser Gruppe. Bis jetzt gibt es keine neuen Finanzierungsquellen, betont Dimitris Merantzas.
    "Generell gibt's kein Geld. Und es wird immer schwieriger, die Kosten von Projekten zu decken, insbesondere, wenn es sich um kollektive Projekte handelt. Es gibt nicht mehr die Gelder vom Kulturministerium und von anderen Institutionen. Sie sind um mehr als die Hälfte reduziert worden."
    Eine elegante Frau mit schwarzem Mantel betritt den Raum. Es ist die Kunsthistorikerin Lida Kazantzaki, die sich die Ausstellung anschauen will. Sie begrüßt die Mitglieder der Gruppe am Eingang. In den letzten Jahren beobachtet sie die Tendenz, dass sich immer mehr Künstler in Gruppen organisieren, um gemeinsam ihre Projekte zu präsentieren, egal, ob in der bildenden Kunst oder der Musik.
    "Die Galerien haben in den vergangenen Jahren sehr große Summen verlangt. Deswegen haben manche Künstler angefangen, sich selbst zu organisieren, ihre Werke selbst zu verwalten und Gruppen sowie Kollektive zu formieren. Ich finde diese Entwicklung sehr wichtig in einem Land, in dem die Selbstbezogenheit von den politischen Eliten bis hin zu den unteren sozialen Schichten sehr präsent war."
    Die Kunsthistorikerin glaubt auch, dass aufgrund der Krise die Künstler versuchen, mit ihren Werken direkter mit dem Publikum zu kommunizieren.
    "Wir kehren zurück zu einer mehr greifbaren und darstellenden Kunst. Wir verlassen die rein konzeptionelle Kunst, die nicht mal die Menschen, die sich mit der Kunst befassen, berührt. Wir gehen weg von dieser Art von Kunst und kehren zurück zu den Materialien und dem Gefühl, die diese Materialien beim Publikum hinterlassen."
    Ein paar Straßen weiter, in einer Kunstwerkstatt in einem alten Gebäude des Athener Stadtzentrums, treffen sich Eva und Efi, um über ein neues Projekt zu sprechen. Die beiden jungen Frauen sind Mitglieder eines Künstlerkollektivs mit den Namen Skouze3, das sechs Mitglieder zählt. Das Kollektiv wurde vor einem Jahr gegründet. Efi Spyrou, erklärt, wie sich die Mitglieder untereinander unterstützen.
    "Wenn man kein Material hat oder kein Geld, um dies zu kaufen, sucht man halt andere Wege. Als Beispiel: Ich hatte Papier gebraucht, aber keines finden können. Eva hat mir dann Papier gegeben. Und ich habe ihr anderes Material gegeben, das ich nicht gebraucht habe. Es ist diese Art des Dialogs, der unter anderen Bedingungen nicht passieren würde. Es ist die positive Seite dieser ganzen Situation."
    Die Künstlerwerkstatt gehört Eva Marathaki, einer 36-jährigen energischen Frau. Es ist ein großer heller Raum, der nicht nur von Skouze3, sondern auch von anderen Kollektiven benutzt wird.
    Laut Schätzungen gibt es in Griechenland mehr als 60 Künstlerkollektive mit zwei bis 250 Mitgliedern. Eva ist skeptisch.
    "Viele Künstlerinnen in Griechenland haben eine sehr dynamische Art gefunden, um mit der Situation umzugehen. Dies ist aber nicht die Lösung des Problems und wird der Kunst in Griechenland nicht die Stellung geben, die sie verdient. Wir haben sehr viel Lust und Energie. Ich bin aber beunruhigt, weil ich nicht weiß, wie wir griechische Künstlerinnen es aushalten werden, auf diese Weise Kunst zu betreiben."