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Griechenland
Türkische Asylbewerber offenbar illegal zurückgewiesen

Immer wieder versuchen türkische Staatsangehörige nach Griechenland zu gelangen, um dort Asyl zu beantragen. Nun wird von Fällen berichtet, in denen diese Asylsuchenden illegal zurück in die Türkei gedrängt wurden - dahinter sehen manche ein System, die Empörung ist groß.

Von Rodothea Seralidou | 22.06.2017
    Die griechische Flagge ist hier auf der Akropolis zu sehen, darunter stehen Menschen
    Die griechische Regierung lehnt die türkischen Putschisten ab. (AFP / Andreas Solaro)
    Beide Vorfälle sollen ähnlich abgelaufen sein, sagt Giorgia Spyropoulou von der griechischen Liga für Menschenrechte, einer in Griechenland sehr bekannten Organisation:
    "Glaubwürdige Quellen informierten uns darüber, dass asylsuchende Türken über den Fluss Evros nach Griechenland gekommen waren. In Griechenland haben sie ihren Wunsch geäußert, Asyl zu beantragen. Die griechischen Polizeibeamten haben aber das Asylgesuch nicht registriert, sondern die asylsuchenden Menschen wieder zurück in die Türkei gebracht, wo sie festgenommen wurden."
    In beiden Fällen soll es sich um Personen handeln, die in der Türkei als Putschisten gelten. Zum einen um den Journalisten Murat Capan, der bei der Zeitschrift "Nokta" gearbeitet hat. Wegen seiner Artikel wurde der Journalist in seiner Heimat des Terrorismus und der Teilnahme am Putschversuch beschuldigt und in Abwesenheit zu über 22 Jahren Haft verurteilt. Capan soll zusammen mit zwei Freunden und einer türkischen Familie mit drei Kindern aufs Schlauchboot gezwungen und auf der türkischen Uferseite wieder abgesetzt worden sein.
    Im zweiten Vorfall seien es insgesamt zehn Personen gewesen, darunter ein Hochschulprofessor, ein türkischer Offizier und drei Lehrer, einer zusammen mit seiner Frau und seinen vier minderjährigen Kindern.
    Große internationale Empörung
    Die internationale Empörung ist groß: Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muiznieks, richtet auf der offiziellen Facebook-Seite der Organisation einen Appell an Griechenland, mit den illegalen Zurückweisungen aufzuhören. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk hat reagiert. Leo Dobbs, UNHCR-Sprecher in Griechenland:
    "Internationales, aber auch nationales Recht sehen vor, dass jeder, der in Griechenland Asyl sucht, auch die Möglichkeit haben muss, dies zu beantragen. Dies scheint diesmal nicht der Fall gewesen zu sein. Und das ist nicht das erste Mal. Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte über illegale Push-Backs. Wir haben der griechischen Regierung mitgeteilt, dass uns das beunruhigt."
    Dass es nun um türkische Staatsbürger geht, macht die Situation richtig heikel, sagt Spyropoulou von der griechischen Liga für Menschenrechte. Es sei nicht auszuschließen, dass es noch mehr solcher Zurückweisungen gegeben hat, die nie an die Öffentlichkeit gekommen sind:
    "Wir wissen, dass die Türkei in einem Ausnahmezustand ist. Diese Menschen können keine faire Verhandlung erwarten, viele bekommen überhaupt keine Verhandlung. Da ist es absolut inakzeptabel, dass der griechische Staat türkische Bürger zurück in die Türkei bringt."
    Offiziell weist Griechenland die Vorwürfe zurück. Tatsächlich aber sind Türken, die in ihrer Heimat als Putschisten gelten, bei der griechischen Regierung nicht gerne gesehen. Das wurde am Montag nochmals deutlich, beim Amtsbesuch des türkischen Premierministers Yildirim in Athen.
    Griechische Regierung ist gegen die Putschisten
    Auf der gemeinsamen Pressekonferenz wurden Yildirim und sein griechischer Amtskollege Tsipras danach gefragt, was mit den acht türkischen Offizieren passieren werde, die in Griechenland Asyl beantragt haben. Die Türkei hat die Auslieferung der mutmaßlichen Putschisten gefordert. Die obersten griechischen Richter lehnten dies aber ab. Der griechische Premierminister antwortete:
    "Die griechische Justiz ist unabhängig. Abgesehen von diesem konkreten Fall aber war unsere politische Haltung von Anfang an gegen die Putschisten. Diese Menschen sind in unserem Land nicht willkommen."
    Und doch sollen griechischen Medien zufolge mittlerweile über 400 türkische Bürger in Griechenland Asyl beantragt haben. Für die schon angespannten Beziehungen zwischen den zwei Ländern eine Zerreißprobe.
    Der Journalist Dimitris Aggelidis von der linksliberalen Zeitung "efimerida ton sintakton" - auf Deutsch: Redakteurszeitung - verfolgt seit Jahren die griechische Flüchtlingspolitik. Für ihn haben die Pushbacks an der nordöstlichen Grenze des Landes System:
    "Zwischen zwei Demokratien sollten die guten Beziehungen allein auf den Regeln des Rechtsstaates und der internationalen Verträge basieren und nicht darauf, dass diese Regeln verletzt werden. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass diese Polizisten von sich aus solche Initiativen ergreifen oder dass der griechische Staat nicht in der Lage ist, diese illegalen Aktivitäten zu stoppen."