Dienstag, 16. April 2024

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Griechenland
"Wir sind Athen schon unheimlich entgegengekommen"

Vor den Beratungen der Euro-Finanzminister zu Griechenland hat der CDU-Politiker Ralph Brinkhaus die Forderung des Internationalen Währungsfonds nach Schuldenerleichterungen zurückgewiesen. Griechenland habe bereits mehrere Schuldenschnitte bekommen, sagte er im DLF. In der Vergangenheit hätten Freiräume für Athen allzu oft Reformstillstand zur Folge gehabt.

Ralph Brinkhaus im Gespräch mit Doris Simon | 09.05.2016
    Ralph Brinkhaus am Rednerpult des Bundestags.
    Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus. (dpa / Maurizio Gambarini)
    Der CDU-Politiker bemängelte, es sei immer noch so, dass Griechenland nicht sonderlich effizient mit seinen Finanzen umgehe. So seien die Privatisierungen noch nicht weit genug fortgeschritten und auch die Verwaltung in Griechenland noch nicht ausreichend angepasst. "Uns geht es darum, dass der Reformdruck bestehen bleibt", betonte Brinkhaus.
    Die Politiker stünden in der Pflicht, die Steuergelder zu schützen, die von den Arbeitnehmern in Deutschland und anderen Ländern aufgebracht worden seien. Es sei aber wichtig, dass der IWF bei den Verhandlungen an Bord bleibe. Er sei optimistisch, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble erfolgreich mit dem Währungsfonds verhandeln werde: "Das wird die Aufgabe sein in den nächsten Wochen".

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Doris Simon: Christine Lagarde, die Chefin des IWF, hat alle Eurofinanzminister aufgefordert, heute müsse in Brüssel über Schuldenerleichterungen für Griechenland gesprochen werden. Aber das will die Bundesregierung, das will Bundesfinanzminister Schäuble nicht. SPD-Chef Sigmar Gabriel schon. Bislang ist das für den Finanzminister kein Thema.
    - Am Telefon ist jetzt Ralph Brinkhaus. Er ist als stellvertretender CDU-Fraktionschef im Bundestag auch zuständig für Haushalt und Finanzen. Guten Morgen!
    Ralph Brinkhaus: Guten Morgen, Frau Simon.
    Simon: Herr Brinkhaus, wie wichtig ist es für Ihre Fraktion, dass der IWF mitmacht bei der Griechenland-Hilfe?
    Brinkhaus: Das ist für uns immer ein ganz zentrales Argument gewesen, dass die Griechenland-Hilfe nicht nur von den europäischen Partnern geschnürt wird, sondern dass der IWF dabei ist als Korrektiv, als Berater und als jemand, der von außen draufguckt.
    Simon: Also das muss sein, sonst keine Griechenland-Hilfe?
    Brinkhaus: Das ist eine ganz, ganz wichtige Geschichte für uns, weil wir gesehen haben, dass, wenn nur die Europäer über Griechenland und über Schulden reden, da oftmals Partikularinteressen eine Rolle gespielt haben. Und dementsprechend ist es wichtig, dass von außen jemand draufguckt.
    Simon: Die, die dann von außen draufguckt, nämlich die Chefin des Ganzen, Frau Lagarde, fordert jetzt ultimativ Schuldenerleichterungen. Sonst werde der IWF sich zurückziehen aus dem Hilfspaket. Wie gehen Sie damit um?
    Brinkhaus: Na ja. Beim IWF ist es ja so: Der macht nicht nur Politik und Programme für Europa, sondern für die ganze Welt. Deswegen steht Frau Lagarde natürlich auch intern unter Druck, die Schuldentragfähigkeit von Griechenland zu beurteilen. Aber man muss fairerweise auch eines sagen: Griechenland hat schon Schuldenschnitte bekommen. Es gab einen großen privaten Schuldenschnitt im Frühjahr 2012 und durch die Verlegung der Fälligkeiten und die Stundung auch von Zinszahlungen gab es in 2012 noch mal einen Schuldenschnitt. Und das waren mehr als 140 Milliarden Euro, die Griechenland dadurch schon gespart hat.
    Simon: Aber Sie sagt jetzt wieder, sonst sind wir raus.
    Brinkhaus: Na ja, da muss man jetzt drüber verhandeln. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch so, dass der IWF ungerne selber Schuldenschnitte macht und auf Geld verzichtet, das jetzt von den europäischen Partnern erwartet wird. Wir stehen als Politiker aber auch in der Verpflichtung, unsere Steuergelder zu schützen. Es ist ja kein abstraktes Geld, sondern das ist Geld, was mühsam eingezahlt worden ist von den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen, übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in viel ärmeren Ländern innerhalb der Europäischen Union beziehungsweise der Eurozone.
    Simon: Jetzt haben Sie das Dilemma gut beschrieben, Herr Brinkhaus. Trotzdem noch mal die Frage: Was sehen Sie dann, eher ohne IWF, oder dann doch Schuldenerleichterungen für Griechenland?
    Brinkhaus: Optimistisch, dass Schäuble mit dem IWF ein Verhandlungsergebnis erzielt
    Brinkhaus: Na ja. Ich bin optimistisch, dass Wolfgang Schäuble ein Verhandlungsergebnis erzielen wird. Sicherlich, wie Sie auch im Vorbericht gesagt haben, nicht heute. Da werden wir noch länger drüber verhandeln müssen. Und das wird jetzt die Aufgabe sein in den nächsten Wochen.
    Simon: Wird es vielleicht helfen, dass die IWF-Chefin ja gar nicht alleinsteht mit der Forderung? Es sind ja viele europäische Regierungen und zuletzt auch Ihr Koalitionspartner, Sigmar Gabriel, die für Griechenland keine Chance sehen ohne Schuldenerleichterungen. Die können ja wohl nicht alle auf dem Holzweg sein, oder doch?
    Brinkhaus: Wie gesagt, Griechenland hat ja schon mal einen Schuldenschnitt bekommen. Und man muss natürlich auch immer schauen, was passiert denn bei einem Schuldenschnitt. Es ist ja jetzt nicht so, dass Griechenland daran scheitern wird, dass es die Schulden in den nächsten Jahren nicht bezahlen kann, sondern die meisten Schulden, die auf dem europäischen Deckel stehen, die sind erst in weiter Ferne fällig. Und dementsprechend muss man immer gucken, was passiert, wenn es einen Schuldenschnitt gibt. Es geht wohl im Wesentlichen darum, auch wieder Raum zu schaffen. Und dieser Freiraum, da ist die Frage, wie wird der genutzt. Wird er genutzt, um den Reformprozess voranzubringen, oder wird dieser Freiraum nicht genutzt und es gibt einen Reformstillstand, wie es leider allzu lange in der Vergangenheit der Fall war.
    Simon: Würden Sie denn das Votum der Experten akzeptieren, wenn die sagen, die Schulden sind einfach nicht tragfähig?
    Brinkhaus: Wie gesagt, es ist nicht ein Problem der nächsten Jahre. Es ist ein Problem im nächsten und im übernächsten Jahrzehnt. Ein Teil der Schulden muss auch erst 2050 zurückgezahlt werden. Uns geht es darum, dass der Reformdruck auch bestehen bleibt. Das heißt, dass Griechenland das weiterführt, was heute Nacht oder gestern Nacht auch entschieden worden ist, nämlich Reformen nicht nur im Renten- und Einkommenssteuerbereich, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung. Die Vergangenheit hat gezeigt, jede Erleichterung für Griechenland führt am Ende dazu, dass die Reformgeschwindigkeit nicht steigt, sondern sich eher verlangsamt.
    Simon: Aber die Entwicklung hat auch gezeigt, vor ein paar Jahren hatte Griechenland noch ein Haushaltsdefizit von rund 15 Prozent, jetzt ist das Defizit ohne Schuldendienst nahe null. Muss man das nicht auch anerkennen und honorieren?
    Brinkhaus: Griechenland geht noch nicht effizient mit Mitteln um
    Brinkhaus: Ja, klar muss man das anerkennen und honorieren. Aber auf der anderen Seite ist es doch auch so: Wie sind denn diese 15 Prozent zustande gekommen? Und es ist immer noch so, dass Griechenland nun wirklich kein Land ist, was sonderlich effizient mit seinen Mitteln umgeht. Das heißt, wir haben im Rentensystem noch Probleme, deswegen der Beschluss von der letzten Nacht. Wir haben bei dem Thema Steuerehrlichkeit im Steuersystem noch erhebliche Probleme. Die Privatisierungen sind nicht so weit vorangeschritten, wie man es sich wünschen würde. Und natürlich ist die öffentliche Verwaltung noch weit davon entfernt, europäischen Standards zu entsprechen.
    Simon: Aber zugleich haben Sie ja auch die Bilder gesehen von dieser Nacht. Sie haben gesehen, dass die Regierung, die mit einem ganz anderen Programm ja mal angetreten war, dieses Sparprogramm, was gefordert wurde, durchgesetzt hat im Parlament mit knapper Mehrheit. Wenn die Regierung stürzen würde, dann würde es bestimmt nicht besser werden in der ganzen Entwicklung. Wäre das nicht auch ein Argument zu sagen, hier kann man den Griechen entgegenkommen?
    Brinkhaus: Was heißt entgegenkommen? Wir sind den Griechen ja schon unheimlich entgegengekommen. Das heißt, es sind mehrere hundert Milliarden europäische Steuergelder ins Feuer gesetzt worden, um den Griechen zu helfen, und auch das muss man sehen. Und noch mal: Dieses Geld, das fällt nicht vom Himmel. Das muss mühsam erwirtschaftet werden von Arbeitern, von Handwerkern, von kleinen Angestellten, die brav im Rest von Europa ihre Steuern zahlen. Und das gegenüber einem Land, was zum Beispiel in puncto Steuerehrlichkeit wahrlich kein Vorbild war.
    Simon: Aber derzeit ist es so, dass der IWF sagt, den Sie ja unbedingt und viele andere Deutsche dabei haben wollen bei diesen Hilfsprogrammen, wegen seines Blickes von außen: Die sagen, Gespräche über weitere Einsparungen in Griechenland sind einfach fruchtlos, und die Vereinbarungen, wie sie mit der EU getroffen worden sind, sind unrealistisch. Warum nehmen Sie das Urteil von dieser Instanz in dem Punkt nicht an?
    Brinkhaus: Der IWF sagt aber auch, dass er gerne Vorratsbeschlüsse haben möchte. Das heißt, dass Griechenland noch weitere Sparmaßnahmen für den Fall schon heute vorbereitet, dass die gesetzten Ziele nicht erreicht werden. Und wie gesagt: Wir sprechen mit dem IWF. Wir sind da in einem konstruktiven Dialog. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass alles, was von Seiten des IWF kommt, irgendwo mit der Unfehlbarkeit behaftet ist. Insofern muss man sich jetzt in Verhandlungen einigen, wie man weitermacht.
    Simon: Würden Sie solche Vorratsbeschlüsse unterstützen?
    Brinkhaus: Vorratsbeschlüsse in Griechenland hätten Charme
    Brinkhaus: Diese Vorratsbeschlüsse haben den Charme, dass man in dem Fall, dass in Griechenland die wirtschaftliche Entwicklung nicht so ist, wie man sich es vorstellt, ein Automatismus einsetzt und dass man nicht wieder quälende Nachtsitzungen in Parlamenten hat, wo man knappe Mehrheiten organisieren muss. Aber auf der anderen Seite ist der Druck, der innenpolitische Druck auf die griechische Regierung - und das haben Sie zurecht angesprochen -, solche Vorratsbeschlüsse nicht zu fassen, auch groß. Und insofern muss man auch da die nächsten Wochen nutzen, um ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen.
    Simon: Aber gerade Sie als Abgeordneter müssen das ja auch verstehen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten im Bundestag, Sie kriegten von der Regierung so etwas vorgelegt, jetzt beschließt bitte mal auf Vorrat etwas für den Fall, dass vielleicht etwas eintritt. Das würde Ihnen als Abgeordneter auch nicht passen.
    Brinkhaus: Wir sind zu solchen Sachen auch genötigt gewesen, denn wir haben Griechenland-Pakete verabschiedet. Das heißt, wir haben Geld zur Verfügung gestellt auch mit der Bedingung, dass Griechenland noch bestimmte Sachen erfüllen muss. Das heißt, es ist ja nicht unüblich, dass man auf Vorrat Beschlüsse fasst. Und dass man sagt, wenn die und die Entwicklung eintritt, dann wird das und das passieren. Das heißt, so ganz von der Hand zu weisen ist es nicht.
    Simon: Ralph Brinkhaus war das, der stellvertretende CDU-Fraktionschef im Bundestag, zuständig für Haushalt und Finanzen. Vielen Dank, Herr Brinkhaus.
    Brinkhaus: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.