Donnerstag, 25. April 2024

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Griechische Forderungen
"Reparationen wird es nicht geben"

Die griechischen Forderungen nach Reparationszahlungen seien nicht berechtigt, sagte Michael Grosse-Brömer, Geschäftsführer der Unionsfraktion, im DLF. Statt "Nebelkerzen aus Griechenland" müsse das Land "das tun, was schon lange vertraglich vereinbart ist", forderte der CDU-Politiker.

Michael Grosse-Brömer im Gespräch mit Christiane Kaess | 23.03.2015
    Michael Grosse-Brömer von der CDU
    Großen Sprüche weglassen und endlich große Taten angreifen: Das forderte Michael Grosse-Brömer, Geschäftsführer der Unionsfraktion, im Deutschlandfunk. (imago stock&people / Christian Thiel)
    Grosse-Brömer befürwortete den heutigen Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras in Berlin. Es sei gut, "wenn die Sprüche aufhören und die Taten beginnen", sagte er im Interview mit dem Deutschlandfunk. Er hoffe, dass Tsipras' Besuch das Vertrauen wieder herstellen könne, das die griechische Regierung zerstört habe.

    Europa wolle Griechenland auch weiter helfen. Reformen zu fordern, sei dabei nicht zu viel verlangt. Der CDU-Politiker rief das verschuldete Land nachdrücklich zur Umsetzung von Reformen auf. Diese würden auch in Griechenland Erfolge zeigen, betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion.
    Merkel empfängt Tsipras heute Nachmittag in Berlin. Es ist der erste offizielle Besuch des neuen griechischen Ministerpräsidenten.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Begegnet sind sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras jetzt schon mehrmals, aber erst heute kommt Tsipras zum ersten offiziellen Besuch nach Berlin. Viel Zeit bleibt den in Athen Regierenden nicht mehr, eine komplette Reformliste vorzulegen, wenn sie ihr Land vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren wollen. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" verfügt die griechische Regierung nur noch bis zum 8. April über genügend Liquidität. Das Feld bereitet für den Besuch von Alexis Tsipras hat gestern Abend schon der griechische Außenminister Nikos Kotzias.
    Mitgehört am Telefon hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer von der CDU. Guten Morgen!
    Michael Grosse-Brömer: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Seit fast 60 Tagen ist Alexis Tsipras im Amt. Ist dieser Besuch überfällig?
    Grosse-Brömer: Jedenfalls ist es gut, dass er stattfindet, denn Herr Tsipras hatte ja in den letzten Wochen alles Mögliche zu tun, auch insbesondere Sprüche in Richtung Deutschland loszulassen, die im Zweifel nicht das zum Ziel hatten, was eigentlich angezeigt ist, dass die griechische Regierung nämlich jetzt endlich mal das liefert, was vertraglich vereinbart ist, damit man innerhalb Europas, nicht nur zwischen Deutschland und Griechenland, auch solidarisch sein kann. Da gehören halt immer zwei zu und deswegen wäre es gut, wenn die Sprüche aufhören und die Taten beginnen, und dafür ist heute eigentlich ein schöner Tag.
    Kaess: Die Sprüche kamen ja von beiden Seiten und viele Beobachter sagen, das Verhältnis zwischen den europäischen Partnern war noch nie so vergiftet. Hätte man sich nicht tatsächlich schon früher um Entspannung kümmern müssen, um diese Missstimmung zu vermeiden?
    Grosse-Brömer: Ich würde da einen Hauch von Widerspruch wagen, ob das immer so ist, dass Sprüche von beiden Seiten kamen.
    Kaess: Wenn Herr Schäuble ganz offen vom Grexit spricht?
    Grosse-Brömer: Ja, aber man muss hier auch auf manche Vorhaltungen dann auch reagieren dürfen. Faktum ist doch, dass Europa Griechenland in sehr intensiver Weise geholfen hat und auch gerne weiter helfen will. Nur dass es dann nicht darum geht, dass man jeden Tag eine neue Nebelkerze aus Griechenland Richtung Deutschland auf den Weg bringt, sondern dass man dann auch das mal umsetzt, was schon lange vertraglich vereinbart ist. Es geht zur Zeit um ein zweites Rettungspaket, um die letzten Tranchen in dieser Hinsicht, und dann hat Griechenland schon eine Menge versprochen und nie geliefert. Und dass man das nicht so besonders toll findet und dass das für Griechenland auch nicht besonders gut ist, das, glaube ich, kann man Deutschland jetzt nicht direkt vorwerfen.
    "Reparationsforderungen sind nicht berechtigt"
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein griechischer Amtskollege Nikos Kotzias schütteln für die Fotografen Hände.
    Sind im Streit um Reparationszahlungen einen Stück voran gekommen: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und sein griechischer Amtskollege Nikos Kotzias (l.) (imago/Popow)
    Kaess: Beim Streit um die Reparationen, wir haben das gerade von unserem Korrespondenten gehört, da tut sich etwas. Der griechische Außenminister schlägt einen Rat aus Wissenschaftlern vor. Es ist die Rede vom Ausbau des Zukunftsfonds, des deutsch-griechischen Jugendwerks, es ist die Rede von einem Investitionsfonds. Ist das eine Lösung, die sich da tatsächlich abzeichnet?
    Grosse-Brömer: Ja. Das hat aber alles nichts mit den Forderungen nach Reparationen zu tun. Die wird es nicht geben, die Forderung ist auch nicht berechtigt, sondern das sind Überlegungen, wie man das Verhältnis noch verbessern kann, und da gibt es Jugendwerke nicht nur mit Griechenland, sondern auch mit anderen Ländern, und es ist auch Aufgabe des Auswärtigen Amtes, mal darüber nachzudenken, kann man hier intensivieren, kann man hier noch besser werden, und wir wollen ja nach wie vor gute Beziehungen zu Griechenland behalten und möchten die auch pflegen. Nur wenn man Beziehungen pflegen will, gehören da eben zwei Seiten dazu, und ich hoffe, dass heute Herr Tsipras in Berlin auch deutlich macht, dass er auch ein hohes Interesse hat, mit Deutschland weiterhin gut zusammenzuarbeiten und die Beziehungen sicherlich dann auch zu verbessern.
    Kaess: Darf ich da noch mal kurz zwischenfragen? Sie würden diese Überlegungen jetzt nicht als Zugehen von deutscher Seite auf die griechische Seite werten?
    Grosse-Brömer: Doch, das ist sicherlich ein Zugehen, eine Überlegung, ob man diese Fonds oder dieses deutsch-griechische Jugendwerk nicht intensivieren kann, ist sicherlich ein Vorschlag, der aber auch schon in der letzten Woche in der Diskussion war. Der hat aber direkt nichts mit Reparationszahlungen zu tun.
    "Wieder mal so eine Nebelkerze aus Griechenland"
    Kaess: Aber dahinter steht ja der Streit um die Reparationen.
    Grosse-Brömer: Die Reparationsforderungen waren ja wieder mal so eine Nebelkerze aus Griechenland, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Deswegen haben wir uns da ja auch intensiv mit beschäftigt. Das kann man auch tun. Jeder der darüber redet sagt aber, das sollten wir mal losgelöst von den Problemen in Europa und von Rettungspaketen und von den Voraussetzungen oder Pflichten der Griechen sehen. Das kann man auch alles machen. Ich bin sehr dafür, dass das Auswärtige Amt überlegt, wie kann man deutsch-griechische Beziehungen verbessern und intensivieren. Das ändert aber nichts an der Kernaufgabe in Europa, die nicht nur zwischen Griechenland und Deutschland besteht im Übrigen, sondern zwischen Griechenland und Europa. Ich erinnere mal daran, dass der deutsche Finanzminister mit allen anderen Finanzministern in Europa gegenüber Herrn Varoufakis gesagt hat, er muss jetzt endlich mal liefern und nicht nur erzählen, was er dann irgendwann machen will. Es geht nicht um Griechenland und Deutschland alleine, es geht um Griechenland in Europa, und da steht Griechenland zur Zeit sehr alleine, um es mal so zu sagen.
    Kaess: Dann schauen wir auf die Reformen. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat gesagt, Athen müsse erkennen, dass es ohne Reformen als Gegenleistung für die finanzielle Hilfe nicht gehe. Das ist klar. Aber er hat auch gesagt, umgekehrt müsse der Rest Europas erkennen, dass es nicht reiche, nur die Banken zu retten. Gesteht die deutsche Regierung hier also Fehler in der Rettungspolitik für Griechenland ein?
    Grosse-Brömer: Nein. Wir müssen mal darauf achten, dass die Strategie, die in Europa gefahren ist, um schwachen Ländern zu helfen, ja sehr erfolgreich war. Das sehen wir in Portugal, das sehen wir in Irland, das sehen wir auch teilweise in Spanien.
    Kaess: Griechenland verelendet im Moment. Was ist daran erfolgreich?
    Grosse-Brömer: Ja, die Verelendung ist immer ein bisschen zu fragen, wo findet die statt. Dass es natürlich harte Reformschritte gab, ist ja unstreitig. Und dass die Menschen dort auch vieles haben ertragen müssen, ist auch unstreitig. Und dass ich auch bis heute nicht verstehe, dass die Reeder dort keine Steuern bezahlen, das, glaube ich, denken wir alle so. Aber man muss ja auch in Europa darauf hinweisen dürfen, dass Portugal, Irland, Spanien, alle auch diese Reformschritte auferlegt bekommen haben und sie auch durchgeführt haben. Und nur Griechenland ist offenkundig nicht in der Lage, das zu tun, was vertraglich vereinbart ist. Und ich finde, dass man dann darauf hinweist, dass wechselseitig auch die Verpflichtungen erfüllt werden müssen, die man vorher eingegangen ist, dann, glaube ich, ist das jetzt keine zu viel oder zu Grosse Forderung an Griechenland.
    "Überlegen, wie wir Athen wieder erfolgreicher machen können"
    Kaess: Aber auch Sie würden sagen, bisher nur die Banken zu retten, das war ein Fehler, so wie der Bundeswirtschaftsminister das sagt?
    Grosse-Brömer: Nein. Es geht ja auch nicht nur um Bankenrettung. Wenn Griechenland nur mal zurückblickt auf 2014, dann legte das Bruttoinlandsprodukt nach sechs Jahren erstmals wieder zu. Also die Reformen zeigten auch in Griechenland Erfolge. Und deswegen war es ja ein Stück weit auch hier der Hinweis darauf: Das, was wir in Europa machen, nämlich solidarisch zu sein und auch zu helfen, im Gegenzug aber abzufordern, dass dort auch Verbesserungen stattfinden, die in anderen Ländern auch abgefordert wurden, das ist nicht zu viel verlangt, sondern das ist sogar der Hinweis darauf, dass manches auch besser wurde. Und wenn man jetzt vielleicht in Griechenland auch mal fordert, dass da ein ordentliches Finanzsystem entwickelt wird und dass vielleicht auch nicht versteuertes Vermögen in der Schweiz auch mal dringend abgerufen wird von dieser Regierung und überhaupt mal überlegt wird, ...
    Kaess: Das will man ja jetzt versuchen. - Aber dennoch, Herr Grosse-Brömer, sagt Sigmar Gabriel jetzt auch sogar, soziale Härten in Griechenland müssten abgefedert werden. Würden Sie sich da Ihrem Koalitionspartner anschließen? Braucht Athen noch mehr Zugeständnisse?
    Grosse-Brömer: Wir müssen jetzt erst mal überlegen, wie wir Athen auch wieder erfolgreich machen können. Das überlegen wir schon eine recht lange Zeit und dazu gehört aber auch die Bereitschaft, mitzutun und nicht nur zu sagen, ...
    Kaess: Das muss ja Athen auch in erster Linie selber bestimmen.
    Grosse-Brömer: So ist es! Und deswegen sagen wir auch, wenn wir euch helfen, was wir gerne tun, und wenn wir euch gerne im Euro halten wollen, was natürlich unsere Absicht ist, dann müsst ihr aber auch nicht nur irgendwelche Sprüche machen, sondern dann müsst ihr auch was unternehmen, damit das gemeinsam gelingen kann. Und ich finde, das ist auch nicht zu viel verlangt, sondern das ist eine eigentlich denklogische Aufgabe, dass man sich wechselseitig Aufgaben gibt, die man dann auch erfüllt, und zwar - das, glaube ich, ist ganz wichtig - in Europa auch wechselseitig auch vertrauensvoll miteinander umgeht. Und Vertrauen ist zerstört worden durch die griechische Regierung, das muss zurückgewonnen werden, und ich hoffe, dass das heute auch gelingen kann, einmal mehr, denn wir sind natürlich darauf angewiesen, gute Verhältnisse in Europa zu haben, aber auch zwischen Deutschland und Griechenland.
    Kaess: Das Vertrauen ist die eine Seite. Der Druck ist die andere Seite. Nun ist es, Sie haben das gerade schon angedeutet, ja in niemands Interesse, dass Griechenland aus der Eurozone ausscheiden könnte. Deshalb die Frage: Welchen Druck können die Geldgeber eigentlich aufbauen?
    Grosse-Brömer: Der Druck auf Griechenland, darum geht es in dem Falle nicht. Man kann das so nennen. Ich halte das einfach für eine normale wechselseitige Forderung, das zu tun, was man vorher zugesagt hat. Und wenn das nicht funktioniert, hat man in der Tat ein Problem in Europa, weil wir sind darauf angewiesen, wechselseitig vertrauensvoll miteinander umzugehen, und deswegen muss man das, was man vereinbart hat, auch einhalten. Das ist ein Kerngrundsatz in Europa, denn gerade wenn man bereit ist, anderen zu helfen, dann muss man von ihnen auch abfordern können, dass sie sich selbst auch helfen wollen. Deswegen geht es jetzt in erster Linie nicht um Druck; es geht um die notwendige Einsicht der griechischen Regierung, jetzt nicht noch mehr Zeit vergehen zu lassen, ohne was zu tun, und mal die Grossen Sprüche wegzulassen und mal Grosse Taten jetzt endlich anzugreifen. Das ist der Punkt, um den es geht.
    Kaess: ... , sagt Michael Grosse-Brömer. Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Danke für dieses Interview heute Morgen.
    Grosse-Brömer: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.