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Grimme-Preise 2018
Deutsche Serien auf Weltniveau

Bei den Grimme-Preisen gehörten auch Serien zu den Gewinnern. "Babylon Berlin", "Dark" und "4Blocks" zeigten, dass man aufgeholt habe und international bestehen könne, sagte Juror Christian Buß im Dlf. Auch lernten die Öffentlich-Rechtlichen gerade, dass man diese Programmformate im Netz anbieten müsse.

Christian Buß im Gespräch mit Juliane Reil | 14.03.2018
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    "Da ist wirklich ein Meisterwerk rausgekommen", sagt Christian Buß über "Babylon Berlin" (Filmausschnitt: Sky Television)
    Juliane Reil: Was in den USA der Emmy Award ist, ist bei uns der Grimme-Preis, der renommierteste Preis für Fernsehproduktionen. Heute wurden die Gewinner der 54. Preisverleihung bekannt gegeben. Bemerkenswert dabei: In diesem Jahr wurde mit der Netflix-Produktion "Dark" zum ersten Mal die Serie eines Streaming-Anbieters nominiert und hat den Preis tatsächlich auch gewonnen, daneben auch zwei andere Serien. Film- und Fernsehkritiker Christian Buß saß mit in der Jury. Hallo, Herr Buß!
    Christian Buß: Hallo aus Hamburg.
    Reil: Gestern gab es ja noch das Statement von Ulrich Wilhelm, dem ARD-Vorsitzenden, dass man den Serien-Trend, den man aus dem angelsächsischen Raum kennt, total verschlafen hat in Deutschland. Bei den Grimme-Preisen wurden jetzt aber deutsche Serien ausgezeichnet. Heißt das, dass wir in diesem Bereich aufgeholt haben?
    Buß: Ja, wir haben da aufgeholt. Gleichzeitig hat Herr Wilhelm natürlich auch recht. Sein Sender-Verbund, die ARD, hat tatsächlich Teile dieses Trends - auch wenn immer wieder Einzelstücke dabei waren - über Zeiten verschlafen, tatsächlich. Da gab es großen Nachholbedarf. Wir sehen aber ja tatsächlich, auch bei den drei Serien, die dieses Jahr ausgezeichnet wurden, dass im Grunde genommen nur eine halbe auf Kosten der ARD, also eines Öffentlich-Rechtlichen, geht.
    Reil: Das ist "Babylon Berlin".
    Buß: "Babylon Berlin", also eine ARD-Produktion, co-produziert von Sky. Und ansonsten, die beiden anderen Serien: Sie sagten es, "Dark" …
    Reil: "Dark".
    Buß: … von Netflix und "4Blocks" ist von dem kleinen Sender TNT Serie, ein Bezahlsender. Da hat man tatsächlich in letzter Zeit, in den letzten Jahren schon gemerkt, dass diese Sender insgesamt ein bisschen beweglicher scheinen, um sich auf das Wagnis einer Serie einzulassen. Weil sie zum einen nicht so sehr unter einem Quotendruck stehen, zum anderen unter dem Formatdruck, weil man natürlich als Privatsender ganz anders versenden kann, diese schönen Sachen, als eine große öffentlich-rechtliche Anstalt, die dafür Platz frei machen muss in den Programmflächen. Neuen Platz, der vorher anders bespielt wurde.
    "Man muss bereit sein, sehr komplizierte Kooperationen mit den privatwirtschaftlichen Partnern einzugehen"
    Reil: Ja, und auf der anderen Seite ist da natürlich auch ein anderes Budget. Reichen die Gebühren nicht aus bei den Öffentlich-Rechtlichen für diese Serien oder diesen Aufwand?
    Buß: Doch, doch. Die reichen auf jeden Fall aus, man muss sie eben nur besser ordnen und einsetzen. Und das wird jetzt ganz wichtig in der Zukunft sein: Man muss bereit sein, sehr komplizierte Kooperationen mit den privatwirtschaftlichen Partnern einzugehen. Wir haben gesehen, bei "Babylon Berlin" hat das ästhetisch geklappt. Da ist wirklich ein Meisterwerk rausgekommen, das auf den internationalen Markt wirklich bestehen kann. Aber wenn man da weitermachen will an dieser Stelle, gilt es tatsächlich jetzt juristisch und logistisch, sehr klare Rahmenbedingungen zu schaffen, denn die sind ja noch überhaupt nicht gesetzt. Und da denke ich, wird in der Zukunft viel geschraubt werden müssen, auch von der Politik, zum Beispiel in Sachen Rundfunkstaatsvertrag, wo eben diese Rahmenbedingungen, wie öffentlich-rechtliches Fernsehen und wie Privatanbieter zusammenarbeiten können, geregelt ist.
    Reil: Also es hängt nicht am Budget, sondern Sie meinen, dass es einfach gewagte Formate sind, die man nicht so ohne Weiteres im Ersten oder Zweiten senden kann.
    Buß: Ja. Man hat immer noch große Probleme, eine Programmfläche dafür zu finden. Das ändert sich jetzt ein bisschen, weil man, glaube ich, lernen muss bei den Öffentlich-Rechtlichen - und das passiert gerade auch sensationellerweise -, dass man diese Programmformate auch im Internet anbieten muss, im Netz anbieten muss, in den Mediatheken anbieten muss. Weil sie dort natürlich vom Konsumenten in ihrer ästhetischen Form, also in ihrer Serienhaftigkeit, am besten konsumiert werden können. Jetzt geht es aber natürlich darum, dass auch das analoge Publikum bedient werden muss. Und da ist es teilweise schwierig. Wir werden ja auch sehen, wo Babylon Berlin dann im Herbst ausgestrahlt wird. Und da wird sich zeigen, ob sozusagen sich ein großes analoges Publikum tatsächlich noch einmal zu diesem Meisterwerk vor den Fernsehern versammelt. Oder ob es in seiner Ausstrahlung so ein bisschen zersplittert.
    Reil: Wird der Boom von Serien weitergehen?
    Buß: Ja, der wird unbedingt weitergehen. Das sieht man ja gerade, es findet ja ein Projekt nach dem anderen statt. Und man merkt dann auch tatsächlich bei den Öffentlich-Rechtlichen noch einmal, dass sie inzwischen viel schneller agieren. Man sieht das bei einer gefeierten Serie wie "Bad Banks": Das ist viel schneller produziert worden als "Babylon Berlin", viel schneller in die Mediathek gebracht worden, viel schneller auf sehr gute Sendeplätze gebracht worden.
    Reil: Christian Buß über die 54. Grimme-Preise. Danke Ihnen für das Gespräch.
    Buß: Ja, auf Wiedersehen. Tschüss.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.