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"Größe ist überhaupt nicht gleich Erfolg"

Jörg Reinbrecht, Ver.di-Sprecher für den Bereich Banken, hat den Kauf der Dresdner Bank durch die Commerzbank scharf kritisiert. Angesichts von 6500 Stellen, die gestrichen werden sollen, könne man nicht von einem guten Deal sprechen. Von anderen internationalen Fusionsprojekten wisse man darüber hinaus, dass Größe allein keinen Schutz vor feindlichen Übernahmen schaffe. Das sei ein Irrglauben, betonte Reinbrecht.

Jörg Reinbrecht im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Die Suche nach Profitsteigerung ist eine alte menschliche Sucht, auch in Verbindung mit Geld. Vergil riet schon in seinen "Epistole". "Mach Geld, Geld, wenn Du kannst, auf ehrliche Art. Wenn nicht, auf eine andere Art. Hauptsache Geld." Ist das auch die Hauptsache bei der Bankenfusion vom Wochenende? Kommt dabei das Menschliche zu kurz? Wie kann man die angekündigten Entlassungen verhindern? - Fragen, die wir jetzt erörtern wollen mit Jörg Reinbrecht, Sprecher bei Ver.di für den Bereich Banken und Mitglied im Aufsichtsrat der Allianz. Zunächst mal guten Morgen, Herr Reinbrecht.

    Jörg Reinbrecht: Schönen guten Morgen.

    Liminski: Herr Reinbrecht, Ihre Gewerkschaft hat Widerstand gegen die Entlassungen angekündigt. Wie soll der aussehen?

    Reinbrecht: Wir sind noch nicht davon überzeugt, dass dieser Deal unbedingt ein guter Deal ist. Auf jeden Fall ist jetzt schon mal klar, dass er für die Beschäftigten erhebliche Probleme beinhaltet, da eben 6500 Arbeitsplätze im Inland abgebaut werden sollen. Das bedeutet für uns, dass wir natürlich Regelungen treffen müssen, um das zu verhindern, das heißt auch um Standorte abzusichern. Dafür werden wir gemeinsam mit den Beschäftigten einen so genannten Integrationstarifvertrag versuchen durchzusetzen.

    Liminski: Denken Sie auch an Streiks?

    Reinbrecht: Das ergibt sich ja dann im Laufe von solchen Verhandlungen und wenn sie sich schwierig gestalten werden und die Beschäftigten uns folgen, dann ist das ein Mittel zur Durchsetzung unserer Ziele.

    Liminski: Es soll ja keine betriebsbedingten Kündigungen geben und vor zwei, drei Jahren soll sowieso niemand entlassen werden. Es ist also mit Sozialplänen zu rechnen. Kann man da nicht eine Menge für die Angestellten herausholen?

    Reinbrecht: Na ja, man muss wissen, dass bis überhaupt Personal abgebaut werden kann es noch etwas dauert, weil die Dresdner Bank ja noch etwa ein Jahr existieren wird und erst dann beide Unternehmen zusammen auftreten werden und auch dann erst richtig Personaleinsparungen vorgenommen werden können. Klar ist natürlich, dass es auch Sozialplanverhandlungen mit den Betriebsräten geben wird. Da Betriebsräte aber nicht in der Lage sind, über Arbeitskampfmaßnahmen etwas durchzusetzen, wollen wir über eine tarifvertragliche Forderung wieder so ein Gleichgewicht mit dem Management herstellen.

    Liminski: Die Börse hat die Commerzbank abgestraft. Der Kurs brach gestern um mehr als zehn Prozent ein. Glauben Sie, dass der Deal noch rückgängig gemacht werden kann?

    Reinbrecht: Das glaube ich nicht. Der feste Wille ist da, aber diese Börsenentwicklung deutet darauf hin, dass wir mit unserer Kritik vielleicht nicht ganz falsch liegen, dass noch nicht geklärt ist, ob das ein wirtschaftlich erfolgreiches Projekt ist.

    Liminski: Nun hat die Allianz ihrerseits angekündigt, dass man eine neue Bank gründen werde. Könnte es nicht sein, dass diese neue Bank die meisten Entlassungen auffängt, gerade wenn es sich um Mitarbeiter handelt, die mit Versicherungsprodukten befasst waren?

    Reinbrecht: Nein. Das kann man so nicht sehen, weil diese neue Bank etwas ganz anderes sein wird und auf bestehenden Strukturen aufbauen wird. Ansonsten hätte die Allianz ja die Dresdner Bank nicht verkaufen müssen, wenn sie parallel jetzt versucht, wieder die neue Bank aufzubauen.

    Liminski: Die Bankenfusion, Herr Reinbrecht, ist in der Politik fast einhellig begrüßt worden, auch von SPD-Minister Steinbrück. Damit sei die Commerzbank nun besser gegen feindliche Übernahmen aus dem Ausland gerüstet. Bedeutet das langfristig nicht auch eine Art Sicherung der Arbeitsplätze?

    Reinbrecht: Dieser Glaube von Herrn Steinbrück ist aus unserer Sicht ein Irrglaube. Auch sehr große Banken können übernommen und zerschlagen werden. Das wissen wir aus anderen internationalen Fusionsprojekten. Die Größe allein schafft keinen Schutz vor Übernahmen.

    Liminski: Sie sind auch im Aufsichtsrat der Allianz, Herr Reinbrecht. Ist das nun ein gutes oder schlechtes Geschäft für den Global Player Allianz? Immerhin hatte man die Dresdner mal für mehr als das Doppelte des Verkaufspreises eingekauft.

    Reinbrecht: Die Frage kann ich Ihnen im Detail nicht beantworten. Dazu bin ich nicht berechtigt als Mitglied des Aufsichtsrates. Aber das wird eigentlich dann die Geschichte zeigen müssen, ob das letztlich ein erfolgreicher Deal war.

    Liminski: Für den Laien mutet der Deal an wie Monopoly, vor allem wenn man hört, dass das Ziel der neuen Großbank ist, die Vormachtstellung der Deutschen Bank zu brechen. Ist das eine Art Größenwahn unter Bänkern, oder schlicht nur Wettbewerb?

    Reinbrecht: Es ist nicht nur Wettbewerb, sondern es gibt einen Trend und einen Glauben daran, dass Größe Erfolg schafft und logischerweise auch Macht schafft. Aber Sie wissen: Die Beschäftigten leiden. Die Kunden leiden im Übrigen auch, weil nämlich der Wettbewerb leidet. Insoweit bringen einen solche Prozesse insgesamt gar nicht nach vorne.

    Liminski: Also Größe ist nicht gleich Erfolg?

    Reinbrecht: Nein. Größe ist überhaupt nicht gleich Erfolg.

    Liminski: Es ist noch nicht aller Tage Abend im großen Banken-Deal. Das war Jörg Reinbrecht, Sprecher bei Ver.di für den Bereich Banken. Danke für das Gespräch, Herr Reinbrecht.