Dienstag, 14. Mai 2024

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Großbritanniens EU-Austritt
Die unendliche Geschichte des Brexits

Nach dem Abschied kommt der nächste Verhandlungsmarathon: Im Anschluss an den Austritt Großbritanniens aus der EU will das Land bis zum Ende des Jahres seine Beziehungen zur Europäischen Union regeln. Doch die Hürden sind hoch, Fragezeichen gibt es in vielen Bereichen: von Handel und Fischerei bis hin zur Außen- und Sicherheitspolitik.

Von Bettina Klein und Peter Kapern | 30.01.2020
Ein Anti-Brexit-Demonstrant am 30. Januar 2020 in London, England
Ein Anti-Brexit-Demonstrant am 30. Januar 2020 in London, England (imago images / Kyodo News)
L-O-W – T – 0-5.0-7-1 – gar nicht so einfach, die kleine Kammer mit dieser Nummer zu finden, die sich hier Abgeordnetenbüro nennt. Es ist die letzte Sitzungswoche des Europaparlaments in Straßburg – jedenfalls für Seb Dance, den Labour-Abgeordneten, der seit mehr als fünf Jahren seinen Londoner Wahlkreis in Europa vertritt. Die wenigen Büroschränke und Regale sind bereits leer, auf dem Boden stehen ein paar Pappkartons.
Die kleine Europaflagge, die auf seinem Schreibtisch steht, die wird er noch einpacken, erzählt der 38-Jährige. Dazu ein Bild mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten aller EU-Hauptstädte. Und natürlich die nette Weihnachtskarte des FDP-Bundestagsabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff. Und dann spürt man den tiefen Frust, den Seb Dance empfindet.
Hier zu sitzen und die Ruinen der britischen EU-Mitgliedschaft zu überblicken, das sei einfach herzzerreißend, sagt er. Der Schreibtisch, der Drucker, der Computer – das alles bleibt hier, für seinen glücklichen Nachfolger.
Neben Seb Dance verlieren am Freitag exakt um Mitternacht Brüsseler Zeit, 23 Uhr Londoner Zeit, 72 weitere Abgeordnete aus dem Vereinigten Königreich ihren Sitz im Europaparlament. Nicht alle sind darüber so unglücklich wie Seb Dance. Die Tories und die Vertreter der Brexit-Partei sehen sich nach jahrzehntelangen Kampagnen gegen die britische EU-Mitgliedschaft am Ziel ihrer Träume. 27 Abgeordnete aus anderen EU-Staaten werden nachrücken. Unter dem Strich also wird das Europaparlament verkleinert, von jetzt 751 auf 705 Sitze. Und dann - soll der parlamentarische Alltag wieder einziehen.
Das schrumpfende Parlament
Und zu dem gehören die Verhandlungen zwischen der EU-27 und dem Vereinigten Königreich über ein Abkommen, das die künftigen Beziehungen regelt. Ein Unterfangen, das manche Experten in Brüssel für fast aussichtslos halten. Jedenfalls unter den jetzt abgesteckten Rahmenbedingungen.
Der Europa-Abgeordnete und Labour-Politiker Seb Dance spricht während der Verkündung der Ergebnisse der Europa-Wahl im Mai 2019
"Diese Idee, wir könnten mit den größten Volkswirtschaften mithalten, indem wir unsere Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte zerfetzen – das ist ja eine irre Idee." Der britische EU-Abgeordnete Seb Dance (Labour) (picture alliance / empics / Isabel Infantes)
Bis Ende des Jahres läuft eine Übergangsperiode, in der sich eigentlich nichts ändert – abgesehen davon, dass in den EU-Institutionen keine Politiker aus Großbritannien mehr vertreten sein werden. Eigentlich könnte man diese Übergangsperiode um bis zu zwei Jahre verlängern, um mehr Zeit für die Verhandlungen zu haben. Aber genau das lehnt die britische Regierung kategorisch ab.
Beginnen können die Gespräche Anfang März. Bis dahin werden die EU-Staaten der Kommission ein präzise definiertes Verhandlungsmandat erteilt haben. Beendet sein müssen die Verhandlungen spätestens im November, damit die EU-Staaten Zeit für die Ratifizierung haben. Es bleiben also gerade einmal acht bis neun Monate, um ein Abkommen auszuhandeln, das viel komplexer ist als etwa der Freihandelsvertrag zwischen Kanada und der EU. Und über diesen wurde sieben Jahre lang verhandelt.
"Wir werden so etwa zehn Verträge schließen müssen. Fischereizugang, Polizeizusammenarbeit, Flugverkehr und so weiter. Wobei das wichtigste in der Tat der Handelsvertrag ist. Ich glaube, da muss man Prioritäten setzen", sagt Bernd Lange von der SPD, der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament. Prioritäten setzen, das bedeutet, dass bis zum Jahresende wohl nur wenige der erwähnten zehn Verträge unter Dach und Fach sein werden. Als unverzichtbar gilt aber ein Handelsvertrag. Weil die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals auf das Engste miteinander verflochten ist.
Binnenmarkt ≠ Freihandelsabkommen
Am einfachsten wäre es gewesen, wenn sich die Briten trotz des EU-Austritts entschieden hätten, Mitglied im Binnenmarkt und in der Zollunion zu bleiben. Dann hätte das Vereinigte Königreich künftig einen Status wie etwa Norwegen.
Das aber hat die britische Regierung definitiv ausgeschlossen. Denn Mitgliedschaft im Binnenmarkt, das bedeutet auch Freizügigkeit für Arbeitnehmer. Und gerade die soll ja durch den Brexit beendet werden. Außerdem will London eigene Handelsverträge abschließen können, was eine weitere Mitgliedschaft in der Zollunion ausschließt. Was als Option bleibt, ist ein Freihandelsvertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. Daniel Caspary, Chef der Unionsabgeordneten im Europaparlament:
"Wir als Europäische Union haben ja bewiesen, wir können alles, wir können Binnenmarkt, wir können Handelsabkommen, aber wir brauchen jetzt von Großbritannien klare Ansagen. Rosinenpickerei wird es nicht geben und jetzt müssen wir schauen, dass wir für beide Seiten eine gute Lösung hinbekommen."
Das Symbolfoto zum Brexit zeigt die Flaggen der EU und Großbritanniens übereinander.
Der Brexit und seine AuswirkungenNach 47 Jahren Mitgliedschaft und vier Jahre nach dem Referendum verlässt Großbritannien am 31. Januar die Europäische Union. Doch auch danach wird es noch einiges zu klären geben: Bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsfrist, in der beide Seiten ihre Beziehungen neu aushandeln wollen.
Zwischen einem Binnenmarkt und einem Freihandelsabkommen gibt es gravierende Unterschiede. In einem Binnenmarkt gibt es keine Grenzen für Waren, Kapital und Dienstleistungen. Keine Kontrollen, keine Zölle, keine Einfuhrquoten. Außerdem gibt es eine pauschale, gegenseitige Anerkennung von Produktstandards. Ein Bügeleisen, ein Auto, das in Großbritannien als sicher gilt und dort verkauft wird, darf überall in der EU verkauft werden – solange Großbritannien dem Binnenmarkt angehört.
In einem Freihandelsvertrag allerdings muss Produkt für Produkt, Branche für Branche ausgehandelt werden, ob die Standards der einen Seite auch von der anderen anerkannt werden. Das wird vor allem dann zum Problem, wenn Großbritannien sich wie angekündigt von den EU-Standards entfernen will, um leichter Handelsverträge mit anderen Staaten wie den USA und China abschließen zu können.
"Je mehr sich Großbritannien von den Standards im EU-Binnenmarkt entfernt, umso schwieriger wird für ihre Unternehmen der Marktzugang."
Großbritannien als "Singapur des Nordens"
Gemeinsame Standards haben die EU-Mitgliedsstaaten aber nicht nur für die Produktsicherheit vereinbart. Auch im Umwelt- und im Sozialbereich, bei Steuern und Subventionen gelten gemeinsame Regeln und Mindeststandards. Sie bilden das sogenannte "Level Playing Field", das Spielfeld, auf dem alle Akteure dieselben Bedingungen vorfinden. Dieses "Level Playing Field" ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass es einen fairen Wettbewerb gibt und nicht das eine Land versucht, sich Vorteile zu verschaffen, indem es die für alle anderen geltenden Standards unterläuft.
Jens Geyer, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, hat starken Zweifel, dass sich die Briten auch nach dem Brexit auf einem "Level Playing Field" mit dem Rest der EU bewegen wollen:
"Was denen vorschwebt, ist etwas, was man als 'Singapur in der Nordsee' bezeichnen könnte. Also ein Land voller Steuerschlupflöcher, wo Leute graues Kapital unterbringen wollen, wo man investieren kann, ohne großen Ärger mit Gewerkschaften zu haben, weil der Arbeitsschutz reduziert ist und so weiter."
Das sind keine grundlosen Unterstellungen. Schließlich hat Großbritanniens Finanzminister Sajid Javid erst kürzlich in einem Interview mit der Financial Times angekündigt, dass sich Großbritannien künftig definitiv nicht mehr an die Regeln der EU halten will.
Am Verhandlungstisch werden also zwei Parteien sitzen, die sich im Laufe der Zeit weiter voneinander entfernen dürften. Seb Dance, der Labour-Europaabgeordnete aus London, glaubt zu wissen, in welche Richtung die konservative britische Regierung gehen will:
"Diese Idee, wir könnten mit den größten Volkswirtschaften mithalten, indem wir unsere Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte zerfetzen – das ist ja eine irre Idee. Aber die glauben wirklich dran. Ich denke, dass bei diesen Standards wirklich die Gefahr eines Wettlaufs nach unten besteht. Die EU-Kommission ahnt das natürlich, und meine Bitte ist, in dieser Sache keinen Zentimeter nachzugeben. Aber ich fürchte, dass es Druck auf die Kommission gibt, nachzugeben, nur um irgendein Verhandlungsergebnis zu erzielen. Ich hoffe einfach, sie werden dem widerstehen."
Streit um die Fanggründe in der Nordsee
Die Gespräche über ein Handelsabkommen werden also beinhart werden. Und ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Das Ergebnis wäre ein verspäteter No-Deal-Brexit: Ein Austritt Großbritanniens ohne vertragliche Grundlage. Und schon jetzt lässt sich erahnen, in welchen Bereichen bei den Verhandlungen besonders große Probleme liegen werden.
London muss zum Beispiel darauf drängen, der britischen Finanzwirtschaft weiter einen möglichst ungehinderten Zugang zum europäischen Markt zu gewähren. Schließlich trägt keine andere Branche zum britischen Bruttoinlandsprodukt so viel bei wie die Banken der Londoner City. Die EU hingegen dürfte hoffen, der jetzigen Übermacht der britischen Banken zu entkommen.
Die geschäftige Union Street im Herzen der schottischen Stadt Aberdeen
Schottland gegen den Brexit
Einer Untersuchung zufolge würde ein EU-Austritt Aberdeen am härtesten treffen. In Schottlands drittgrößter Stadt sind die Menschen deshalb gegen den Brexit. Auch die Schotten insgesamt würden heute wieder wie 2016 mit großer Mehrheit für den Verbleib in der EU stimmen.
Besonders kompliziert werden die Verhandlungen auch im Fischereisektor. Die britischen Fischer, die die Leave-Kampagne so stark unterstützt haben wie kaum eine andere Berufsgruppe, wollen unbedingt die britischen Fanggründe wieder für sich allein nutzen. Das wäre ein gravierender Rückschlag für die Berufskollegen aus Frankreich, Belgien, Irland und anderen EU-Staaten, die heute Zugang zu den britischen Hoheitsgewässern haben. Gleichzeitig sind die britischen Fischer darauf angewiesen, ihren Fang auf dem EU-Markt verkaufen zu können. Der faire Ausgleich der Interessen wird nicht einfach zu organisieren sein. Leo Varadkar, der irische Ministerpräsident, ist allerdings sicher, wer am Ende das Armdrücken gewinnen wird.
"Die EU ist eine Union von 27 Staaten, das Vereinigte Königreich ist allein. Wir haben einen Markt mit 450 Millionen Verbrauchern, die Briten einen mit 60 Millionen. Wenn das also zwei Mannschaften wären, die im Fußball gegeneinander antreten: Was meinen sie, welches Team stärker wäre?"
Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik stellen sich nach dem Brexit viele Fragen. In der Praxis haben insbesondere die E3-Staaten eng zusammengearbeitet: Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Sie sind auch die europäischen Unterzeichner der Nuklear-Vereinbarung mit dem Iran. Am 14. Januar dieses Jahres lösten die E3 den darin vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus aus. Sie hoffen, durch die nun beginnenden Konsultationen Zeit zu gewinnen und den Iran dazu zu bewegen, sich wieder an die Vereinbarung zu halten.
Großbritannien mit den USA gegen die EU?
In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich alle drei Länder zu ihrem Willen, den Iran-Deal zu erhalten. Doch noch am selben Tag sorgte der britische Premierminister bei seinen Partnern für hochgezogene Augenbrauen. In einem BBC-Interview sagte Boris Johnson: Wenn wir den Iran-Deal loswerden, dann lasst ihn uns ersetzen und zwar durch einen Trump-Deal!
"If we gonna get rid of it – let’s replace it. And let’s replace it with the Trump deal"
Trump sei ja der selbst ernannte "Deal-Maker", so Boris Johnson. Warum also nicht zusammenarbeiten, die Nuklear-Vereinbarung ersetzen und stattdessen den Trump-Deal bekommen.
"Let’s work together to replace the JCPOA – and get the Trump deal instead!"
Die verkürzten Passagen aus Johnsons Interview warfen sogleich die Frage auf, wie lange das Vereinigte Königreich nach dem Brexit bei einem so wichtigen außenpolitischen Thema noch an der Seite seiner europäischen Partner stehen wird – beziehungsweise wie schnell es den Schulterschluss mit der Regierung in Washington suchen wird. Die britische Regierung betont, wie sehr sie sich gemeinsamen europäischen Werten verpflichtet fühlt. Simon McDonald, Staatssekretär im britischen Außenministerium:
"Das Vereinigte Königreich und die EU stehen natürlich noch immer vor den gleichen Herausforderungen, wir teilen noch immer dieselben Werte. Unser Bekenntnis zu Sicherheit und Wohlstand des europäischen Kontinents ist umfassend. So schwierig es ist, das Ergebnis der Austrittsverhandlungen vorwegzunehmen, glauben wir, dass es unvermeidlich bei einer engen Partnerschaft bleiben wird."
Zusammenarbeit mit der EU als Unsicherheitsfaktor
Und eine künftige enge Zusammenarbeit liegt ja auch im Interesse der EU-27. In der "Politischen Erklärung", die dem Austrittsabkommen beigefügt ist, streben beide Seiten die enge Anbindung Großbritanniens an die EU ausdrücklich an. David McAllister, Chef der Brexit-Steuerungsgruppe für das Europäische Parlament:
"Weil Großbritannien ein ganz wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne ist. Das Land ist ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Großbritannien ist neben Frankreich die führende militärische Macht in Europa."
Doch gleichzeitig signalisiert London, dass es die Zusammenarbeit mit der EU nur als eine Option unter vielen sieht. Je nach britischer Interessenlage wird London also bilaterale Kontakte in die einzelnen Hauptstädte suchen. Außenminister Dominic Raab im vergangenen Jahr bei einem Besuch in Washington: "Wir werden gute Freunde und Nachbarn mit unseren europäischen Partnern bleiben, aber wir wollen gleichzeitig unsere globalen Möglichkeiten jenseits Europas für das Vereinigte Königreich nutzen."
Man strebt andere, kleinere Formate an, so heißt es, alle Instrumente der klassischen Diplomatie. Eines davon wird E3 bleiben, versichern die Briten. Das E3-Format sei "Brexit-proof", also Brexit-fest.
Pro-Brexit-Demonstration in London
Labour-Abgeordneter Bradshaw - "Es ist eine ganz schlimme Zeit in Großbritannien"
Britische Unterhaus-Abgeordnete lebten derzeit in einem Klima der Angst und der Einschüchterung, berichtet der britische Labour-Abgeordnete Ben Bradshaw im Dlf.
Auf jeden Fall ist es das, so lange Großbritannien inhaltlich an der Seite Frankreichs und Deutschlands bleibt. Dafür gibt es in der Zukunft aber keine Garantie. Wenn die Briten Glück haben, stimmen die Positionen der EU und der USA überein, sagt Sven Biscop vom Egmont-Institut für internationale Beziehungen in Brüssel. Aber wie bei der Iran-Frage wird Großbritannien irgendwann wählen müssen zwischen der Position der USA und der der Europäer. Und das könne wirklich ungemütlich werden, denn man könne nicht beides gleichzeitig haben.
"And then they will have to choose and that will become really uncomfortable, as the Iran position proves. Because you can’t have it both ways, you know."
"Ein erheblicher Verlust an Sicherheit"
In puncto Verteidigung werden die Dinge etwas einfacher, glaubt der belgische Politikwissenschaftler. Großbritannien bleibt Mitglied der Nato und ist darüber mit den europäischen Partnern verbunden. Nach dem Brexit kommen allerdings 80 Prozent der Verteidigungsausgaben in der NATO aus Nicht-EU-Ländern. Schon jetzt beträgt deren Anteil mehr als 70 Prozent. Das Problem der künftigen strategischen Aufstellung Europas wird nach dem EU–Austritt der Briten noch deutlicher sichtbar werden.
Noch entscheidender aus britischer Sicht ist die Frage, wie eng die eigene Verteidigungsindustrie in Zukunft mit dem Rest Europas kooperieren darf. Einerseits haben die Briten lange eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ausgebremst. Doch nun, da – auch in Folge des Brexit – ein europäischer Verteidigungsfond entsteht und die PESCO gegründet wurde, also die "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit", wollen die Briten Zugang haben. Und nicht wie ein sonstiger Drittstaat behandelt werden.
"Über diese Drittstaatenregelung verhandeln wir gerade." Annegret Kramp-Karrenbauer, die deutsche Verteidigungsministerin, sprach sich kürzlich bei einem Besuch in London dafür aus, dem Vereinigten Königreich hier einen privilegierten Status einzuräumen.
"Ich will ganz offen sagen, dass das keine einfache Diskussion ist, auch mit den anderen befreundeten europäischen Staaten. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir Großbritannien als einen, aus meiner Sicht sogar privilegierten Partner und Drittstaat in diese Kooperationen aufnehmen müssen."
Ein besonders heikles Thema sind die Fragen der Sicherheit im engeren Sinne: Die Zusammenarbeit der Geheimdienste und der damit verbundene Austausch von Erkenntnissen. Aber auch der Informationsfluss bei Passagierdaten oder die Kooperation der Justizbehörden stehen zur Debatte.
"Nehmen Sie Europol, Eurojustice, also die Zusammenarbeit der Staatsanwälte, den europäischen Haftbefehl, das Schengen-Datensystem", sagt der britische Labour Europa-Abgeordnete Richard Corbett, "wenn Sie aus all dem aussteigen, bekommen Sie einen erheblichen Verlust an Sicherheit."
Wiedereintritt der Briten 2034?
Der Brexit hat nun einmal Konsequenzen, heißt es dazu auf Seiten der EU. Wenn die gemeinsamen Regeln, die gemeinsamen Aufsichts- und Rechtssprechungsorgane wegfallen, dann könne es eben nicht so weiter gehen wie bisher. Gleichzeitig weiß man natürlich auch in Brüssel, dass die Sicherheitszusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich nicht von einem Tag auf den anderen wegbrechen darf. Im ureigenen Interesse. Das Thema hat für die EU bei den nun beginnenden Verhandlungen Priorität.
Unterdessen gibt es in Brüssel zahlreiche Bemühungen, die Verbindungen zu jenen Briten, die jetzt die EU-Institutionen verlassen, nicht völlig abreißen zu lassen. Britische Minister, so eine der Ideen, könnten hin und wieder zu den Treffen der EU-Fachminister eingeladen werden. Im Europaparlament ist eine Freundschaftsgruppe gegründet worden, die dafür sorgen soll, dass die Europaabgeordneten und britische Politiker auch nach dem Brexit im Kontakt miteinander bleiben.
Der Europapolitiker Richard Corbett (Labour)
Wiedereintrittt in die EU in 14 Jahre? Der Labour-Abgeordnete Richard Corbett glaubt daran (Deutschlandradio / Andreas Diel)
Und dann ist da die Hoffnung vieler britischer Abgeordneter auf eine Rückkehr ihres Landes in die EU. Sie wollen eine "Rejoin-Kampagne" starten. Vielleicht, so sagt Seb Dance, der Labour-Abgeordnete aus London, könnten mit den Europawahlen im Jahr 2034 wieder Briten in das Straßburger Parlament einziehen. Und sein Fraktionskollege Richard Corbett setzt ganz auf den demographischen Wandel.
"Beim Referendum hat die große Mehrheit der jungen Menschen für einen Verbleib in der EU gestimmt. Und es waren die Älteren, die dafür waren, die EU zu verlassen."
Im Laufe der Jahre, so Corbett, werde sich das auf die Meinung der Briten zur EU auswirken. Und er hat das in einen Satz gefasst, der aus einem Shakespeare-Drama stammen könnte: "While there is death, there is hope." Solange es den Tod gibt, gibt es Hoffnung.