Freitag, 19. April 2024

Archiv

Großspenden
Henkel: "Die AfD ist verwerflich und dumm geworden"

In der AfD-Spendenaffäre habe die Fraktionschefin Alice Weidel den Zeitpunkt längst verpasst, politische Verantwortung zu übernehmen, sagte der ehemalige Vize-Chef der Partei Hans-Olaf Henkel im Dlf. Der Skandal zeige, wie schnell sich die AfD den traditionellen Parteien angepasst hätte.

Hans-Olaf Henkel im Gespräch mit Silvia Engels | 16.11.2018
    Hans-Olaf Henkel im Oktober 2014
    Der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel baute die AfD mit auf, verließ die Partei aber im Jahr 2015. Heute gilt er als einer ihrer Kritiker. (picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Silvia Engels: Zur Entwicklung der Spendenaffäre bei der AfD hatten wir an dieser Stelle nach diversen Absagen von AfD-Spitzenpolitikern gestern eigentlich eine Zusage von Ralf Özkara bekommen, dem AfD-Landeschef von Baden-Württemberg. Also aus dem Bundesland, in dem die dubiosen Spenden im Kreisverband Bodensee angekommen sind. Herr Özkara hat uns dann gestern Abend allerdings wieder abgesagt. Ich zitiere: "Aufgrund der aktuellen Ereignisse hätten sich parteiinterne Termine ergeben. Die hätten Vorrang", so die Begründung.
    Wir freuen uns deshalb besonders, dass uns kurzfristig Hans-Olaf Henkel zugesagt hat. Früher war er BDI-Präsident, dann baute er die AfD in ihrer Anfangszeit unter dem früheren Parteichef Lucke mit auf. Damals ging es ja vor allen Dingen um die Kritik an der Wirtschafts- und Währungspolitik der Bundesregierung. 2014 wurde er dann für die AfD ins Europaparlament gewählt, und als sich in den Kurs der Partei immer mehr rechtsradikale Elemente mischten, trat er aus . Im Juli 2015 war das und er wurde zum scharfen Kritiker. Guten Morgen, Herr Henkel.
    Hans-Olaf Henkel: Guten Morgen.
    Engels: Sie haben die AfD, damals noch eine eurokritische, aber eher liberale Partei, mit aufgebaut. Wie haben Sie damals dafür gesorgt, dass bei einer schnell wachsenden Partei trotzdem in Sachen Finanzen und Spenden alles ordentlich lief?
    Henkel: Ja, das war gar nicht einfach, denn wir haben inzwischen gelernt, dass die Parteien in Deutschland im Gegensatz zu Parteien in irgendwelchen anderen Ländern eine sehr großzügige staatliche Unterstützung bekommen. Deshalb ist es für neue Parteien immer sehr, sehr schwer, in das politische Geschehen eingreifen zu können. Wir haben damals verzweifelt nach Finanzquellen gesucht, auch die eine oder andere gefunden, natürlich die dann auch angemeldet, wenn es nötig war. Und ehrlich gesagt, letzten Endes habe ich dann eingegriffen mit einem Kredit von erst 600.000 Euro und dann noch aufgestockt auf eine Million, denn sonst hätten wir den damals ja dann schließlich erfolgreichen Europawahlkampf gar nicht führen können.
    "Vernünftige und die Anständige haben Partei verlassen"
    Engels: Damals natürlich alles angegeben und angemeldet. Ist denn damals auch in dieser Gründungsphase mal etwas schiefgegangen beim Umgang mit Spenden, die an die AfD gingen? Denn jede neue Partei muss ja erst mal das Handwerkszeug lernen.
    Henkel: Ich war damals ja auch stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes und war bei allen diesen Vorstandstreffen anwesend. Ehrlich gesagt, kann ich mich an so was nicht erinnern. Ich kann mir schon vorstellen, dass irgendwo mal in einem Kreisverband oder in einem Landesverband irgendwas schieflief. Wir hatten zum Beispiel ein recht skandalöses Verhalten des damaligen Vorsitzenden des nordrhein-westfälischen Verbandes, Herrn Pretzell, aber da hat der Vorstand dafür gesorgt, dass das aufgearbeitet und untersucht wurde. Das endete dann schließlich in der Empfehlung der Gruppe, die das untersucht hatte, dass der Herr Pretzell sein Amt niederlegen müsse. Das hat er dann nicht getan und das hat sich dann auch alles schon dadurch erledigt, dass dann, ich möchte mal sagen, die Vernünftigen und die Anständigen diese Partei dann verlassen haben.
    Engels: Nun haben wir beim AfD-Kreisverband Bodensee direkt zwei möglicherweise illegale Großspenden. Zum einen gab es eine gestückelte Spende von 132.000 Euro über eine Schweizer Firma, hinter der womöglich ein Geschäftsmann steht. Die Spende hätte, aus der Schweiz kommend, laut Parteiengesetz wohl gar nicht angenommen werden dürfen. So lautet ein Vorwurf. Außerdem wurde sie erst Monate später zurückgezahlt und dem Bundestagspräsidium nicht gemeldet. Das wäre ein zweiter Verstoß.
    Dann geht es um einen zweiten Fall: 150.000 Euro einer Stiftung namens "Identität Europa", die nach neuesten Erkenntnissen wohl niederländische Wurzeln hat. Das Geld ging Mitte Februar ein. Wegen Unklarheit der Spenderidentität habe der Kreisverband Bodensee das Geld zurückgezahlt. Das sagt die AfD. Allerdings hat sie nicht unverzüglich gemeldet oder zurückgezahlt, sondern erst im Mai, also drei Monate später, und das Bundestagspräsidium erfuhr offenbar erst vor einigen Tagen davon. Sind das zwei klare Verstöße gegen das Parteiengesetz, nach Ihrer Einschätzung?
    "Bei uns wäre das auf keinen Fall passiert"
    Henkel: Nach meiner Einschätzung ist der erste Fall offensichtlich ein klarer Verstoß, und ich glaube, deshalb hat ja die Staatsanwaltschaft in Konstanz auch Ermittlungen aufgenommen. Das wird die dann schon herauskriegen. Das kann ich hier nicht so von der Ferne aus sagen. Aber es sieht so aus.
    Beim zweiten Fall kommt es darauf an. Es hätte gemeldet werden müssen, mit Sicherheit, schon aufgrund der Höhe. Die Frage ist, ist zu viel Zeit verstrichen, bevor man es dann von sich aus zurücküberwiesen hat. Das kann ich auch nicht beurteilen. Ich kann nur eines sagen: Das wäre bei uns damals auf keinen Fall passiert.
    Übrigens mir fällt bei diesen Skandalen auf: Diese Partei hatte ja auch noch zu unserer Zeit sich immer damit gebrüstet, dass sie sich in der Moral von den anderen Altparteien unterscheiden wolle. Bei der CDU hat es Jahrzehnte gedauert, bevor es zu diesem großen Parteiskandal kam; bei der AfD nur drei oder vier Jahre. Man sieht, wie schnell sich diese Partei schon angepasst hat.
    Engels: Alice Weidel, die Fraktionschefin, hat heute früh noch mal in einer Presseerklärung deutlich gemacht, dass sie alle Vorwürfe zurückweist. Jetzt haben Sie einen langen Überblick auch über Parteispenden-Skandale in anderen Parteien. Wann ist nach Ihrer Erfahrung heraus einfach auch der Punkt erreicht, wo man politisch Verantwortung übernehmen muss, wenn in der eigenen Partei auf untergeordneter Ebene so etwas passiert?
    Henkel: Der ist schon nach meiner Meinung längst überschritten. Man kann ja über den Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble alles Mögliche sagen, aber die haben ja damals dann letzten Endes auch ihre Konsequenzen gezogen, beziehungsweise ziehen müssen. Hier stellt sich offensichtlich der Parteivorsitzende, Herr Gauland, sogar noch hinter seine Kollegin und verteidigt sie. Man kann daran sehen, dass diese Partei eigentlich mit diesen Spendengeschichten zwei Gesichter gezeigt hat. Sie ist auf der einen Seite verwerflich geworden und auf der anderen Seite dumm. Denn das so was rauskommt, ist doch ganz offensichtlich. Und mit den beiden Begriffen verwerflich und dumm habe ich, glaube ich, die Entwicklung dieser Partei nicht nur, was die Spendengeschichte betrifft, beschrieben.
    Engels: Hans-Olaf Henkel war das. Er war früher BDI-Präsident. Dann baute er die AfD in ihrer Anfangszeit mit auf und trat dann aus, als rechtsradikale Elemente dort übernahmen. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen, Herr Henkel.
    Henkel: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.