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Grüne Woche - Bioökonomie
Schwerer Sprung vom Labor in die Industrie

Bioplastik - ein kompostierbarer Kunststoff aus nachwachsenden Pflanzen: Mit Konzepten wie diesem soll Deutschland unabhängiger vom Erdöl werden. Umweltschützer und Wissenschaftler suchen nach neuen Werkstoffen. Aber inwieweit lässt sich der Boden noch weiter ausbeuten?

Von Benjamin Dierks | 15.01.2015
    Eine Schale mit Biokohle aus Pflanzenresten steht am 17.07.2013 am Rande einer Pressekonferenz in Berlin auf einem Tisch. Das Bundeskabinett hat eine "Politikstrategie Bioökonomie" beschlossen, mit der die biobasierte Wirtschaft in Deutschland gestärkt und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu vermindert werden soll.
    Eine Schale mit Biokohle aus Pflanzenresten (picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
    Es herrscht Spannung im Versuchslabor von Hans-Peter Fink, und zwar ganz wörtlich. Eine Mitarbeiterin befestigt einen kleinen braunen Kunststoffstift in einer Art Schraubstock. Der zieht das etwa daumenlange Teil dann mit aller Kraft auseinander - bis das Material mit einem Knall zerbirst.
    Hans-Peter Fink ist zufrieden, das Material hat lang genug standgehalten. Fink ist der Leiter des Fraunhofer Instituts für angewandte Polymerforschung in Potsdam. Der kleine Stift, der hier gerade die Zerreißprobe mit Bravour gemeistert hat, basiert auf Milchsäure und Viskose. Ein Gemisch aus Biokunststoffen also, das ganz ohne Erdöl auskommt. Die Mischung macht ihn stabil und dehnbar. Neben herkömmlichen Kunststoffen experimentieren die Fraunhofer-Forscher viel mit biobasiertem Plastik. An der Wand hängt die Innenverkleidung für eine Autotür. Ein Prototyp aus Biofasern. Stabil im Crash-Test und dazu noch deutlich leichter als zum Beispiel herkömmliche Kohlefaser. Eigentlich ideale Eigenschaften. Nur ist der Stoff noch ein wenig zu teuer in der Herstellung, um Produzenten davon zu überzeugen.
    "Wir haben immer dieses Problem, technische Eigenschaften und Preis und wir sehen die besten Chancen für die Biokunststoffe, die entweder mindestens so preiswert wie die erdölbasierten sind, die gleiche Eigenschaften haben, oder aber, und das ist der bessere Weg, die bessere Eigenschaften oder andere nützliche Eigenschaften haben."
    Bioplastik. Es wird entweder in Form gegossen oder wie hier im Fraunhofer-Labor auf gewaltigen Spulen zu Garn gemacht und dann weiterverarbeitet. Es gibt bereits Kola-Flaschen aus Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben sowie Autoreifen aus Löwenzahn. Bioplastik steckt in Tragetaschen und Turnschuhen. Und es ist ein wichtiger Bestandteil der sogenannten Bioökonomie. Die steht für ein neues Wirtschaften. Das soll weniger abhängig sein von Erdöl, Kohle und Gas und mehr auf nachwachsende Rohstoffe setzen. Nicht mehr nur die Ölpumpen sollen unsere Industrie und Energie antreiben, sondern auch Pflug und Mähdrescher. Was die Landwirte produzieren, wächst schließlich nach. Fossile Brennstoffe dagegen gehen irgendwann zu Ende und haben außerdem eine ziemlich schlechte Klimabilanz. Bioökonomie, das ist zunächst ein großer Trend. Die Bundesregierung hat bereits 2010 ein 2,4 Milliarden Euro schweres Forschungsprogramm aufgelegt und sich eine nationale Politikstrategie verpasst. Ein eigens geschaffener Bioökonomierat berät sie seit einigen Jahren. Auch andere Staaten haben nachgezogen. Die EU fördert die Forschung ebenfalls mit Milliarden. Aber so groß sie klingt, so schwammig ist sie auch: Was also ist Bioökonomie? Clemens Neumann sollte es wissen. Er leitet die Abteilung für biobasierte Wirtschaft im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
    Bioökonmie - die Antwort auf das weltweite Ernährungsproblem?
    "Bioökonomie ist die Antwort auf die zentralen Fragen des 21. Jahrhunderts. Diese Herausforderungen sind Ernährungssicherung, die Versorgung mit regenerativen Rohstoffen und der Schutz der natürlichen Ressourcen."
    Das klingt nach einer gewaltigen Aufgabe, aber auch ein wenig so, als sei einfach alles in einen Topf geworfen worden, was irgendwie mit der Verarbeitung von Pflanzen zu tun hat. Und tatsächlich, ganz neu ist sie nicht, die Bioökonomie, sagt Joachim von Braun, Professor an der Uni Bonn und seit 2012 Chef des Bioökonomierats, der die Bundesregierung berät.
    "Die Bioökonomie ist eigentlich uralt, aber eben auch brandneu. Bioökonomie ist zum Beispiel Brot backen mit Hefe oder Bier brauen, tun wir seit Jahrtausenden. Aber das nagelneue an der Bioökonomie, die wir jetzt haben, sind die Einbeziehung neuen biologischen Wissens, neuer Technologien, Verarbeitungstechnologien, die auch zu völlig neuen Produkten führen."
    Tatsächlich also ist Bioökonomie irgendwie das, was Menschen schon immer gemacht haben, nur ein wenig anders. Etwas nüchterner wird es, wenn man die Praktiker fragt, den Verband der Chemischen Industrie zum Beispiel. Ricardo Gent ist dort Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie.
    "Es geht darum, nachwachsende Rohstoffe zu verarbeiten, in alle möglichen Richtungen, die sogenannte stoffliche Verwertung oder eben die energetische Verwertung. Die älteste Form der Bioökonomie ist im Übrigen die Landwirtschaft."
    Und in einem Punkt sind sich Industrie und Umweltschützer ungewöhnlich einig: Beide begrüßen, dass bei der Bioökonomie alles berücksichtigt werde, vom Anbau der Rohstoffe bis zu ihrer Verwertung, vom Lebensmittel- bis zum Chemiesektor. Steffi Ober kümmert sich beim Naturschutzbund NABU um nachhaltige Forschungspolitik.
    "Wir wollen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen aus klimapolitischen Gründen und natürlich muss man sich dann Gedanken machen, wie kann man diese Rohstoffe ersetzen, woher bekommt die Chemieindustrie ihre Rohstoffbasis, die Energieindustrie ihre Basis und natürlich auch die Ernährung und die Landwirtschaft. Wie werden dann die Flächen verteilt, das ist die riesengroße Frage. Und insofern sehen wir auch eine Chance in der Bioökonomie, das zusammen zu denken und einmal alles auf den Tisch zu packen, was von der Fläche überhaupt gewonnen werden soll."
    Bioökonomie fasst alle Industrien und Wirtschaftssektoren zusammen, die biologische Rohstoffe nutzen, also Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Dazu gehören neben der naheliegenden Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei und der Nahrungsmittelwirtschaft auch die Chemieindustrie, die Energieversorgung und die Biotechnologie, zu der auch die Gentechnik in ihren verschiedenen Ausführungen zählt. Auch die Autoindustrie oder der Bausektor spielen eine wichtige Rolle. Ziel ist, zumindest langfristig, die Grundlage der Wirtschaft umzustellen auf Biomasse – und diese nachwachsenden Rohstoffe effizienter zu nutzen. Darunter fällt viel – vom Kerosin, das eines Tages aus Algen gewonnen werden soll, bis zu den Enzymen, die das Brot im Supermarkt länger haltbar machen.
    Die chemische Industrie setzt bisher zu 13 Prozent auf nachwachsende Rohstoffe
    Die Forschung von Hans-Peter Fink und seinen Kollegen im Fraunhofer-Institut kommt vor allem der Chemieindustrie zugute und allen, die die Biokunststoffe verarbeiten. Neue Stoffe in der Chemieindustrie, das ist für die Bundesregierung ein wesentlicher Aspekt ihrer Bioökonomiestrategie. Allerdings zögert die Industrie noch, auf die neuen Grundstoffe umzustellen. Fink will versuchen, den Produzenten die Biokunststoffe näherzubringen.
    "Wir haben kürzlich gegründet ein Verarbeitungstechnikum für Biopolymere in Schwarzheide auf dem Fabrikgelände der BASF, wo wir versuchen wollen, die Verarbeitung von Biopolymeren dichter an die mittelständische Industrie heranzubringen."
    Die chemische Industrie setzt bislang zu 13 Prozent auf nachwachsende Quellen für den benötigten Kohlenstoff. Bioplastik hat an den pro Jahr schätzungsweise produzierten 300 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit einen Nischenanteil von fünf Prozent. Der niedrige Ölpreis von momentan unter 50 Dollar pro Barrel und die neue Form der Öl- und Gasförderung durchs Fracking bremsen die Umstellung. Sie machen die Verwendung der oft teureren Grundstoffe aus der Landwirtschaft und die oft ebenfalls teure technische Umstellung auf diese nicht besonders attraktiv.
    "Diese Umstellungsprozesse sind nicht einfach, sowohl in kleinen und mittelgroßen Unternehmen nicht, weil die natürlich die großen Investitionshürden erst einmal nehmen und bewältigen können müssen, um da hinzukommen, aber auch in großen Industrieunternehmen nicht, weil häufig Großanlagen da sind, die sind abgeschrieben, die Nutzung ist also relativ kostengünstig. Wir haben momentan relativ niedrige Ölpreise, all das sind momentan keine Anreizsysteme, um jetzt umzugestalten auf ganz andere Erzeugungsketten."
    Sagt Georg Schütte. Er ist Staatssekretär im Bundesforschungsministerium und zuständig für die Entwicklung der Bioökonomie. Das Ministerium unterstütze vor allem die Forschung, aber auch Pilotanlagen, durch die Unternehmen die neuen Stoffe und Produktionsprozesse kennenlernen sollen. Aus Sicht von Ricardo Gent vom Verband der Chemischen Industrie, der diese Unternehmen vertritt, ist die Umstellung vor allem eine Frage der Zeit.
    "Die Bioökonomie ist keine Revolution, sondern eine Evolution. Solange wir mit über 90 Prozent in der chemischen Produktion auf Kohlenstoffverbindungen auf Erdölderivaten beruhen, und das wird über die nächsten 25, 30 Jahre auch noch so bleiben, müssen wir aber jetzt anfangen, die Rohstoffbasis zu erweitern und nicht warten, bis die Preise günstiger sind. Das geht nicht von heute auf morgen. Der größte Teil der Industrie, der die Bioökonomie vorantreiben kann, ist die chemische Industrie. Aber das geht durch einen graduellen Umsetzungsprozess, und da sitzen wir mittendrin."
    Der Sprung vom Labor in die Industrie fällt noch schwer
    Doch auch aus dem Bioökonomierat kommt die Kritik, dass zwar ein guter Anfang gemacht wurde, es an der Umsetzung der Bioökonomie aber hapere. Ein Grund sei, dass es Unternehmen an Kredithilfen fehle. Dadurch scheuten sie sich, auch eigenes Geld einzusetzen. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen seien aber wichtig für die Entwicklung neuer Technik, sagt Joachim von Braun.
    "Wir haben ein nicht zu unterschätzendes Problem in Deutschland für den Einstieg in einen innovativen neuen Sektor wie die Bioökonomie und das ist unser Mangel an Wagniskapital, da hat Deutschland keine starke Kultur drin. Unser Bankensektor muss in Sachen Bioökonomie noch aufwachen."
    Der Sprung vom Labor in die Industrie, er fällt oft noch schwer. Die großen Anlagen, die entstünden bisher nicht in Deutschland, sondern in anderen Ländern.
    Zum Beispiel in Italien. Novara im Norden des Landes. Einst Sitz einer stolzen Chemieindustrie, heute zu weiten Teilen eine Industriebrache. Kaputte Fenster, herabgefallende Schilder vormals erfolgreicher Unternehmen. Doch im modernen Firmensitz von Novamont brummt es. In einem Reaktor tröpfeln verflüssigte Zusatzstoffe ineinander, die gemeinsam einen neuen Kunststoff ergeben sollen.
    "In dieser Maschine werden einzelne Bestandteile in einem Reaktor zusammengebracht, aus dem ganzen wird dann ein neues Material, das in unserem Fall zu einem Kunststoff wird. Das heißt, ich brauche viele Bausteine, um einen Kunststoff herzustellen."
    Stefano Facco ist bei Novamont zuständig für Produktentwicklungen. Das Unternehmen hat sich vor allem mit der Herstellung von kompostierbarem Kunststoff einen Namen gemacht. Und hat dazu beigetragen, dass in Städten wie Mailand die gesamte Müllsammlung umgestellt wurde – mithilfe von Biotüten. Als das Unternehmen vor über 20 Jahren anfing, mussten Facco und seine Kollegen nicht nur die Kunststoffe herstellen, sondern auch gleich die Produkte. Denn die Kunden vertrauten den neuen Stoffen nicht.
    "Als wir damals angefangen hatten, hatte keiner Verständnis für diese Produkte. Das heißt, wir mussten selbst die Produkte herstellen, auch für die Endabnehmer. Wir haben die Werkstoffe entwickelt, wir haben die Kunststoffe entwickelt, wir haben sie verarbeitet. Und zum Beispiel im Bereich der Landwirtschaft haben wir selber Mulchfolien hergestellt, um sie auf den Feldern zu testen, weil die Verarbeiter waren nicht daran interessiert, die Endkunden, die Landwirte, sind sehr konservativ. Und daraufhin haben wir gesagt, ok, wir müssen selbst die Produkte auf den Markt bringen und zeigen."
    Teller statt Tank? Kinderkrankheiten einer neuen Energiestrategie
    Die Folien, die Landwirte nach der Benutzung nur noch unterpflügen müssen, werden noch heute aus Novamont-Material hergestellt. Überhaupt ist von den anfänglichen Problemen nur noch wenig zu spüren. Im Gegenteil, die einst aus einer Forschungsabteilung entstandene Firma spielt heute ganz oben mit. Mitte Juni hat Novamont in einem Joint Venture mit Versalis, der Chemiesparte des italienischen Energiekonzerns Eni, eine gemeinsame Bioraffinerie auf Sardinien eröffnet.
    "Wir arbeiten zusammen, mit sehr unterschiedlichen Kulturen, aber mit großen Möglichkeiten. Denn sie haben die Fähigkeiten, große Anlagen zu bauen und wir haben die Biotechnologie."
    Der kleine Bioplastikhersteller Novamont und der Energieriese Eni schaffen in Italien also, worauf Deutschland noch wartet. Die langjährige Unternehmenschefin Catia Bastioli ist erkennbar stolz auf diesen Erfolg.
    "In diesem Fall stellen wir einen Bestandteil von Bioplastik her, aber wir arbeiten auch an der Basis von Bioschmierstoffen und Zusatzstoffen für Gummi, das heißt, angefangen von Bioplastik können wir dem durch unsere Innovationen und unsere Technik noch viel mehr hinzufügen."
    Fast alle Anlagen von Novamont entstehen dort, wo einst konventionelle Chemiekonzerne saßen. Bastioli will, dass die Bioökonomie mehr ist als nur ein neuer Rohstofflieferant. Die neuen Kunststoffe sollen Italien und am besten gleich ganz Europa neues Leben einhauchen.
    "Für mich ist Novamont viel mehr als ein Unternehmen, ich glaube, dass es einen Wandel auslöst."
    Aber bringt es schon den Wandel, wenn Plastik nicht mehr aus Erdöl hergestellt wird und die Industrie stattdessen auf Zuckerrüben und Mais setzt? Bioökonomie ist nicht an sich schon umweltfreundlich und schont auch nicht automatisch die Ressourcen. Das hat der Ärger um Biosprit und Bioenergiegewinnung gezeigt, sozusagen die Kinderkrankheiten der Bioökonomie. Durch Subventionen setzte die Regierung hohe Anreize. Das verzerrte den Markt und führte dazu, dass immer mehr Landwirte die benötigten Rohstoffe anbauten, zulasten etwa des Lebensmittelanbaus. Folge: hohe Lebensmittelpreise und eine hitzige Debatte darüber, ob in erster Linie für den Tank oder für den Teller produziert werden solle. Joachim von Braun, Chef des Bioökonomierats, räumt Fehler ein.
    "Die Bioökonomie der ersten Generation waren die Einführung von Ethanolquoten, Beimischquoten, E10, und ebenfalls die Subvention von Biogasproduktion. Da ist zu rasch zu viel von der Bioökonomie verlangt worden. Das hat zu einer starken Nachfrage nach Bioenergie geführt, also Sprit in den Tank. Das hat zu einer Expansion der Nutzflächen für Energiegewinnung sonst wo auf der Welt geführt, nicht nur in Europa."
    Die Folgen dieser Politik sind gravierend. Die Herstellung von Biomasse für die stoffliche Verwertung, das befürchten viele, könnte eine ähnlich einseitige Ausrichtung der Landwirtschaft provozieren. Auf der anderen Seite fühlen sich Hersteller verprellt, die wegen der Subventionen etwa im Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG auf Bioenergie gesetzt hatten. Sie mussten feststellen, dass sie sich auf einmal geschaffene Anreize nicht dauerhaft verlassen konnten.
    Auch das westeuropäische Konsumverhalten muss sich ändern
    "Das heißt, wir müssen jetzt sehr stark in den Dialog mit den Konsumenten gehen, was wir überhaupt unter Bioökonomie verstehen und dass Bioökonomie etwas Positives ist. Im Hinblick auf die stoffliche Nutzung ist ganz klar seitens der Bundesregierung festgelegt worden, dass wir im Gegensatz zur energetischen Nutzung von Biomasse hier keine Anreize in dem Sinne wie EEG oder Erneuerbare Energien Wärme Gesetz schaffen wollen."
    Sagt Clemens Neumann, zuständig für biobasierte Wirtschaft im Agrarministerium.
    Die Kritik an der Bioökonomiestrategie aber ist grundsätzlicher. Natur und Landwirtschaft würden durch sie einer immer effizienteren Verwertung unterworfen. Dass man unter Ausnutzung des Bodens genauso weitermachen könne wie bisher, sei eine Illusion, sagt Harald Ebner, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Gentechnik und Bioökonomiepolitik.
    "Es ist richtig, dass wir sozusagen auf neue Stoffe setzen, aber es ist falsch zu denken, wir könnten damit ein System weiterfahren, das auf ständig immer mehr setzt. Weil das werden wir weder mit fossilen noch mit nachwachsenden Rohstoffen und Energien auf Dauer bedienen können. Es wird nicht gehen."
    Auch Mitglieder des Bioökonomierats der Bundesregierung mahnen, dass das Vorhaben Bioökonomie ohne eine Änderung unseres Verhaltens kaum machbar sei. Die Bundesregierung will gegensteuern, indem Pflanzen mehrfach genutzt werden, dass also einem Maiskolben erst die Stärke entzogen wird für die Lebensmittelproduktion und er erst dann für die Energiegewinnung genutzt wird. Das allerdings kann auch viel Energie verbrauchen.
    "Wir können den heutigen Lebens- und Konsumstandard nicht fortführen, wenn wir umstellen auf Biomasse, so viel Land gibt es gar nicht. Schon heute importieren wir ein Drittel der Fläche in Europa für unsere Konsumbedürfnisse, vor allen Dingen für Fleisch. Und wir haben ja heute schon einen riesigen ökologischen Fußabdruck auf Kosten ärmerer Länder, und das wird sich verschlimmern, wenn wir jetzt auch noch umstellen, Biomasse für Energie, für Industrie, für sonstige Nutzungszwecke."
    Im Forschungsministerium trifft die Kritik auf Verständnis. Allerdings seien frühere Fehler korrigiert worden. Es werde nicht mehr passieren, dass wie vor einigen Jahren der übermäßige Anbau etwa von Mais für Biosprit Lebensmittelpreise in die Höhe treibt. Eine von High-Tech getriebene grüne Wirtschaft könne die Sicherung von Wohlstand mit Nachhaltigkeit vereinen, sagt Staatssekretär Georg Schütte.
    "Es ist sicherlich richtig, dass wir immer wieder unsere Art zu leben und unseren Lebensstandard reflektieren müssen. Ich glaube, die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass Vorschrifts- und Verzichtsmodelle nur mäßig funktionieren. In dem Sinne ist der Ansatz, Bioökonomie als großen Zielkorridor zu verfolgen, diesen Dreiklang von Nachhaltigkeit, technologischer Entwicklung und wirtschaftlichen Nutzen zu verfolgen, meines Erachtens ein zielführender, weil hier Know-how zusammenkommt mit Bestandssicherung und Ressourcensicherung und Erhalt von Lebensgrundlagen."