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Grünen-Politikerin kritisiert Kombilohn als "Mogelpackung"

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer kritisiert die Kombilohn-Pläne von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) als "Mogelpackung". Lohnzuschüsse an Arbeitgeber für die Einstellung älterer Arbeitnehmer seien bereits möglich, sagte Pothmer. Allerdings würden sie kaum genutzt, da ein Arbeitgeber auch bei befristeten Zuschüssen niemanden einstelle, den er nicht für "richtig am Platze hält".

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Lohnzuschüsse, um ältere Arbeitslose in Beschäftigung zu bringen, das ist die Kernformel des Kombilohnvorschlages von Arbeitsminister Franz Müntefering. Vorgesehen sind aber auch Gelder, um die staatliche Förderung der Weiterbildung auszubauen, etwa jetzt auch in größeren Betrieben. Diese Absicht passt so gar nicht zu dem, was neulich im Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen wurde. Dort wurde nämlich eine Haushaltssperre über 1,1 Milliarden Euro an Qualifizierungsgeldern für Arbeitslose verhängt. In Leipzig fehlen deshalb etwa beispielsweise jetzt die Gelder, um Arbeitslose für einen der 10.000 neuen Jobs am Drehkreuz des Postdienstleisters DHL zu qualifizieren.

    In den Informationen am Mittag hier im Deutschlandfunk begrüße ich nun die Grünen-Bundestagabgeordnete Brigitte Pothmer. Einen schönen guten Tag, Frau Pothmer!

    Brigitte Pothmer: Guten Tag, Herr Birke!

    Birke: Frau Pothmer, wird hier nur gefordert und nicht gefördert, wie bei der Hartz-Reform versprochen?

    Pothmer: Man kann, glaube ich, tatsächlich sagen, dass die Regierung gegenüber den Arbeitslosen nicht vertragstreu ist. Sie hat ihnen ja versprochen, sie zu fordern, aber auch zu fördern. Also das Fördern ist das Kernstück, und dieses Versprechen wird ja nun Stück um Stück und immer weiter gebrochen. Ich muss sagen, es ist nicht nachvollziehbar, dass die Arbeitslosen hier immer mit Missbrauchsvorwürfen belegt werden. Ich meine, sie halten ihren Teil der Vereinbarung ein. Wer hier Vereinbarungen bricht, dass ist doch die Regierung.

    Birke: Nun sind Sie Oppositionspolitikerin, mittlerweile gehören Sie also der Opposition als Grünen-Politikerin an, und da lässt sich ja immer leicht kritisieren. Woher sollte denn Herr Steinbrück die Gelder holen, wenn er sie nicht hat? Die Haushaltssperre ist ja sicher aus gutem Grund verhängt worden.

    Pothmer: Naja, also das sehe ich etwas anders, also man kann ja nun mal sagen, dass die Bundesagentur für Arbeit hohe Milliardenbeträge wahrscheinlich einsparen wird. Das ist eigentlich Geld der Versicherten, und das ist auch das Geld, das eigentlich den Arbeitslosen zur Verfügung gestellt worden ist. Das hat der Bundesgesetzgeber, das hat das Parlament so beschlossen, und ich meine, es ist nicht richtig, dieses Geld jetzt immer weiter zusammenzustreichen. Und es ist im Übrigen so, wenn ich das noch einmal in Erinnerung rufen darf: Herr Müntefering hat uns im Parlament, hat uns im Sozialausschuss versprochen, dass dieses Geld, diese 1,1 Milliarden sofort freigegeben werden, sobald sie gebraucht werden. Dass dieses Geld gebraucht wird, das war vorhersehbar und das ist ja nun mehr als belegt. Also Herr Müntefering soll jetzt sein Versprechen einhalten und die Haushaltssperre auflösen.

    Birke: Es ist ja interessant, dass der von Ihnen erwähnte Arbeitsminister Franz Müntefering jetzt ja gerade auch für die Lohnzuschüsse im Rahmen seines 50-plus-Modells hier Gelder frei machen will. Wären die nicht ohnehin besser in der Qualifizierung aufgehoben statt Lohnzuschuss zu gewähren?

    Pothmer: Das was Herr Müntefering jetzt sozusagen uns als eine Mogelpackung präsentiert, gibt es ja bereits. Nämlich das, was jetzt Kombilohn heißt, hieß bis jetzt und in den derzeitigen Regelungen Entgeltsicherung. Also jetzt schon ist es möglich, dass Arbeitgeber, wenn sie ältere Arbeitnehmer einstellen, einen Lohnzuschuss erhalten. Dieses Instrument wird kaum genutzt, aus gutem Grund, weil sich ein Arbeitgeber nicht entscheidet, jemanden einzustellen, den er nicht für sozusagen richtig am Platze hält, nur weil er für befristete Zeit einen Lohnzuschuss bekommt.

    Birke: Sie befürchten also Mitnahmeeffekte, Frau Pothmer?

    Pothmer: Eindeutig. Also der wird ihn nur dann einstellen, wenn er ihn brauchen kann, und dann kriegt er noch Geld obendrauf und er stellt niemanden ein, den er eigentlich nicht einstellen will, wegen dieses Geldes.

    Birke: Nun hat der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Wansleben, heute Morgen hier im Deutschlandfunk die Frühverrentung zitiert und gesagt, dass wir beim Kombilohn einer ähnlichen Milchmädchenrechnung aufsäßen. Teilen Sie diese Auffassung?

    Pothmer: Ich würde es mehr eine Milchjungenrechnung nennen, aber diese Auffassung ist ausdrücklich richtig. Wer jetzt beim Fördern und Qualifizieren spart, also bei den Arbeitslosen spart, der erhöht ja die Kosten für die Arbeitslosigkeit. Und man kann also nicht auf der eine Seite sagen, wir wollen die Älteren mehr einstellen und auf der anderen Seite mit der 58er-Regelung oder auch mit der Frühpensionierung von 15.000 Beamten bei Post, Bahn und Telekom genau in die andere Richtung gehen. Also das wird sicher nicht funktionieren.

    Birke: Wäre es denn nicht besser, generell die Steuerlast für Geringverdiener auf Null zu schrauben oder Zuschüsse zu gewähren, um eigentlich Arbeit generell im Verhältnis zur Arbeitslosigkeit wieder attraktiv zu machen, ich meine natürlich insbesondere niedrig bezahlte Arbeit?

    Pothmer: Ja, genau da hat Deutschland einen erheblichen Nachteil gegenüber anderen Ländern. Bei uns sind die Lohnkosten insbesondere im unteren Lohnsegment, in den Lohnnebenkosten viel zu hoch, deswegen schlagen wir als Grüne ja auch vor, nicht eine allgemein Senkung der Lohnnebenkosten, sondern im unteren Bereich, und sie dann ansteigen zu lassen, wie das bei der Steuer auch der Fall ist. Da können dann zusätzlich neue Arbeitsplätze entstehen, und das wäre wirklich ein Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

    Birke: So eine Art negative Einkommenssteuer, ein Modell, dass ja auch in der Wirtschaftstheorie immer wieder diskutiert wird.

    Pothmer: Genau. Wir nennen es Progressivmodell.

    Birke: Das war Brigitte Pothmer von den Grünen. Sie sitzt auch im Arbeitsausschuss zur Situation Kombilohn und Qualifizierungsmaßnahmen, vor allen Dingen Haushaltssperre für 1,1 Milliarden an Qualifizierungsmitteln. Vielen Dank für dieses Gespräch. Auf Wiederhören.

    Pothmer: Auf Wiederhören.