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Unternehmen skeptisch beim Kombilohn

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), erwartet vom geplanten Kombilohn für ältere Arbeitnehmer keinen Beschäftigungsschub. "Man wird keine Beschäftigung in Deutschland aufbauen können gegen den Markt oder gegen ökonomische Prinzipien", sagte Wansleben. Der Unternehmensvertreter verlangte stattdessen mehr unternehmerische Freiheiten

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Mit ihren jüngsten Reformen ist die Koalition bei den Wählern nicht gut angekommen. Die Zustimmung zu Schwarz-Rot sinkt von Woche zu Woche auf neue Tiefstwerte. Ein guter Zeitpunkt, um den Wählern auch einmal etwas zu schenken: den Kombilohn für Ältere zum Beispiel, bestehend aus zwei Teilen, einem Staatszuschuss für ältere Arbeitslosengeldempfänger, die bereit sind, für weniger Lohn als zuletzt zu arbeiten, und einen Staatszuschuss für Unternehmen, wenn die ältere Arbeitnehmer für mindestens ein Jahr einstellen. Heute berät das Kabinett diesen Vorschlag Franz Münteferings, und wir wollen wissen, wie die Unternehmen die Sache beurteilen.

    Am Telefon ist Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Guten Morgen, Herr Wansleben!

    Martin Wansleben: Guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Stellen DIHK-Unternehmen mit Kombilohn mehr ältere Arbeitnehmer ein als ohne?

    Wansleben: Also vieles von dem, was Franz Müntefering vorschlägt, gibt es ja heute schon, und es wird nicht wirklich intensiv genutzt. Das heißt, hier ist Skepsis angebracht. Und das Zweite ist: Selbst wenn mehr Ältere eingestellt würden, wir aber den Arbeitsmarkt nicht flott kriegen, das heißt, wir nicht die Beschäftigung insgesamt ausweiten, ist dann eben zu befürchten, dass wir das Gegenteil machen, mit dem, was wir mit der Frühverrentung damals versucht haben, dann stellen wir Ältere ein und entlassen Jüngere. Das kann ja auch nicht Sinn der Sache sein.

    Heuer: Sie sagen, Sie sind skeptisch, was den Kombilohn angeht aber den Subventionsvorteil, der da in Aussicht gestellt wird, den würden ihre Unternehmen schon kassieren, oder?

    Wansleben: Also es ist überhaupt keine Frage, dass jedes Unternehmen gucken muss, dass es am wirtschaftlichsten arbeitet. Das heißt, immer dann, wenn Politik Anreize schafft zu Mitnahmeeffekten, da sind die Unternehmen ja geradezu gezwungen, diese Effekte auch mitzunehmen. Das heißt, es liegt an der Politik, die Spielregeln so zu formulieren, das nicht mitzunehmen ist, sondern dass man einstellen kann und zwar Beschäftigung ausweitet und nicht Alte einstellt und dafür Junge entlässt.

    Heuer: Würden Sie sich denn mit einem Kombilohn auch gezwungen fühlen, das Versprechen sozusagen der Unternehmen einzuhalten und Arbeitnehmer, ältere Arbeitnehmer, die dann neue Stellen bekommen, auch über zwei Jahre hinaus weiter zu beschäftigen oder wäre dann Schluss?

    Wansleben: Sie sprechen jetzt genau die Punkte an. Also man wird keine Beschäftigung in Deutschland aufbauen können gegen den Markt oder gegen ökonomische Prinzipien. Das hat überhaupt keinen Sinn. Die Unternehmen müssen Beschäftigung aufbauen, wenn es sich für die lohnt. Deswegen sind Subventionen per se eine große Gefahr und wenn sie jetzt sich noch angucken, wie die Gesundheitsreform verunglückt ist, zumindest was die Zielsetzung angeht, die Lohnnebenkosten zu senken, dann sehen Sie, dass wir unheimlich aufpassen müssen, hier nicht schon wieder ein Fass aufzumachen, und dann steigen die Lohnnebenkosten schon wieder, und dann haben wir die Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutschland noch verringert.

    Heuer: Das heißt, die Frage, wie viele neue Stellen für ältere Arbeitnehmer Sie mit einem Kombilohn versprechen würden, die kann ich mir gleich sparen ja?

    Wansleben: Also wir würden überhaupt nichts versprechen. Wer Beschäftigung verspricht, der braucht auch vorher ein Versprechen seiner Kunden, dass sie auch bei ihm kaufen. Also auf dieser Ebene, glaube ich, können wir die Diskussion überhaupt nicht führen.

    Heuer: Subventionen sagen Sie, Herr Wansleben, die bringen es nicht. Aus der Wirtschaft ist dann immer zu hören, eine Lockerung des Kündigungsschutzes würde es bringen. Da machen Sie natürlich mit.

    Wansleben: Ja also, ich würde mal sagen, das was wir brauchen, wir brauchen einen ganzen Strauß. Und jetzt wollen wir die Sache doch noch mal positiv aufzäumen. Herr Müntefering spricht natürlich mit dem Thema ein ganz, ganz wichtiges Thema an, also mit seiner Initiative. Das ist gut an der Initiative von Herrn Müntefering, denn wir müssen die Beschäftigungsquote der Älteren, der über 50- oder über 55-Jährigen dringend erhöhen. Deutschland liegt hier im internationalen, auch im europäischen Vergleich hinten. Und angesichts der demografischen Entwicklung brauchen wir hier eine größere Beteiligung. Das ist überhaupt keine Frage. Das Zweite ist, es ist ja eigentlich auch gut, dass die Rente mit 67 weitestgehend akzeptiert ist. Das heißt, wir wissen alle, wir müssen auch länger arbeiten. So, und jetzt kommt die dritte Sache: Das was wir über Jahre, durch Frühverrentungsanreize, durch Jugendwahn, in der "Braunschweiger Zeitung" kam das ja, der Jugendwahn war übrigens auch bei den Älteren, die dann gesagt haben, es lohnt sich für mich nicht mehr, mich weiter zubilden und, und, und... Diese ganzen Dinge, die wir über Jahrzehnte herbeigeführt haben, und das ist die große Gefahr, die werden wir jetzt nicht auf einen Knopfdruck wieder kompensieren können. Das heißt, was wir jetzt machen müssen, wir müssen wirklich mit langem Atem strukturelle Entscheidungen treffen, um dann zunächst einmal zu verhindern, dass Ältere zu früh ausscheiden, und dann zu ermöglichen, dass Ältere wieder stärker eingegliedert werden. Und ein wichtiger Punkt ist: Weiterbildung, Weiterbildung, Weiterbildung. Ein zweiter, wichtiger Punkt ist, dass die Unternehmen auf Unternehmensebene mehr Freiheit haben, also die berühmten Bündnisse für Arbeit, damit sie ihre Entscheidungen richtig treffen können....

    Heuer: Herr Wansleben, das ist jetzt noch einmal das ganze Programm. Das kennen wir. Es ist natürlich trotzdem interessant.

    Wansleben: Es ist nun einmal die Antwort.

    Heuer: Ja, es ist die Antwort. Ich möchte aber einen Teil dieser Antwort herausgreifen. Sie haben jetzt zum zweiten Mal die Frühverrentung erwähnt. Verstehen wir sie heute früh richtig, dass der DIHK sich bereit erklärt, auf dieses Instrument künftig zu verzichten, mit langem Atem, wie Sie sagen, um mehr ältere Arbeitnehmer im Job zu halten?

    Wansleben:.[Anmerk. der Redaktion: Vorhergehendes unverständlich] unsere Zeit, um es ganz deutlich zu sagen, Frau Heuer. Das ist überhaupt keine Frage. Ich meine, das müssen wir heute doch alle miteinander einsehen. Wir haben damals Spielregeln geschaffen, die uns alle motiviert haben, in eine falsche Richtung zu marschieren. Es hat doch auch nicht geklappt. Also diese platte Formulierung, lieber Ältere in die Rente schicken als Jüngere arbeitslos zu haben, hat doch nicht funktioniert. Alle empirischen Untersuchungen zeigen, dass viel mehr Arbeit vernichtet worden ist, als dass Junge nachher nachgerückt hätten können. Also das heißt also diese ganzen, ja fast muss man sagen, diese ganzen Milchmädchenrechnungen haben einfach nicht funktioniert, und deswegen sind müssen wir jetzt wirklich die strukturellen Entscheidungen treffen, und wir haben ja schon die Diskussion eben mit dem Kündigungsschutzthema auf dem Arbeitsmarkt gebracht.

    Heuer: Herr Wansleben, wenn es Deregulierung gibt, um das mal zusammenzufassen, versprechen Sie dann für Ihre Unternehmen, dass mehr ältere Arbeitnehmer im Job gehalten beziehungsweise wieder neu eingestellt werden?

    Wansleben: Das funktioniert nicht mit Versprechen, sondern das Einzige, was funktioniert ist, was wir tun können und die IHK-Organisation hat hier im übrigen auch Herrn Müntefering Vorschläge gemacht, ist, dass wir, ähnlich, wie wir das beim Ausbildungspakt machen, immer wieder versuchen, durch Weiterbildung, durch Information, auch durch Kommunikation, Jugendwahn, altersgerechte Arbeitsplätze und so weiter und so fort, eine ganz andere Ausrichtung hinzukriegen. Nur, das muss einfach klar sein, wenn der Arbeitsmarkt nicht anspringt, das heißt, wenn wir nicht mehr Beschäftigung hier in Deutschland generieren können, hilft das alles nichts.

    Heuer: Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben. Herr Wansleben, ich danke Ihnen.