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Grundeinkommen in Spanien
Regierung will soziale Abstürze verhindern

Die Coronakrise hat die wirtschaftliche Lage vieler Menschen in Spanien verschärft. Rund 20 Prozent der Bevölkerung gelten als arm. Mit der Verabschiedung des schon länger geplanten Grundeinkomens will die Regierung nun gegensteuern. Bedingungslos sei das Grundeinkommen aber nicht.

Von Jessica Sturmberg | 29.05.2020
Erwerbslose stehen vor einem Arbeitsamt in Madrid Schlange.
Viele Spanier stehen in der Coronakrise mit Nichts da (picture alliance / dpa / Juanjo Martin)

Kann sich Spanien das Grundeinkommen für arme Menschen leisten?

Wenn man sich anschaut, in welche Situation Spanien durch die Coronakrise geraten ist, dann könnte man auf den ersten Blick sagen: Das Geld ist eigentlich nicht dafür da, um jetzt soziale Leistungen zu verbessern. Es wird mit einem Anstieg des Haushaltsdefizits auf rund 116 Milliarden Euro oder gute zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts gerechnet.
Die von der Industrie finanzierten, aber weitgehend unabhängigen Forschungsstiftung Fedea rechnet sogar mit einem Haushaltsdefizit von 130 Milliarden Euro. Das Grundeinkommen muss man da einordnen: Spanien hatte sich von der Finanzkrise wirtschaftlich erholt, aber die ärmere Bevölkerung hat nicht gleichermaßen davon profitiert. Es haben sich nicht in dem Maße ordentliche Jobs – unbefristet und mit Sozialversicherung – entwickelt. Sondern schon vor der Coronakrise lebten viele immer noch von der Hand in den Mund, mit Zeitverträgen, die manchmal nur ein paar Tage dauern. Und viele dieser Menschen stehen jetzt mit Nichts da, deren Jobs in der Tourismusindustrie, im Handel oder der Reinigungsbranche sind weggefallen.
Darum hat sich die Regierung jetzt sogar beeilt, dass Programm schneller umzusetzen als ursprünglich geplant, damit den vielen von der Coronakrise akut betroffenen Menschen geholfen werden kann. 20 Prozent gelten durch prekäre Arbeitsbedingungen in Spanien als arm. Bei etwa vergleichbaren Lebenshaltungskosten wie in Deutschland.
Spanien, die Gemeinde Caminreal östlich von Madrid: Ein Mann spaziert mit seinem Hund eine Straße entlang.
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Das Grundeinkommen ist nicht bedingungslos
Wenn wir von Grundeinkommen sprechen, meinen wir meist das bedingungslose Grundeinkommen, bei dem Menschen – egal, was sie tun oder nicht tun, einen bestimmten Betrag vom Staat erhalten. Aber das ist damit nicht vergleichbar. Wörtlich heißt es "ingreso mínimo vital" – das kann man übersetzen mit "Mindesteinkommen zum Leben." Das erhalten Menschen, die unter dem Mindesteinkommen von 1.050 Euro liegen. Alleinstehende sollen demnächst rund 450 Euro bekommen, eine vierköpfige Familie knapp über 1000 Euro.
In einigen Regionen gibt es Sozialhilfen, die sollen sich zum Teil kombinieren lassen. Aber gedeckelt. Und bedingungslos ist das auch nicht: Für die neue Sozialhilfe müssen die Empfänger aktiv auf dem Arbeitsmarkt nach Arbeit suchen. Es soll auch eine Verpflichtung zu berufsqualifizierenden Maßnahmen geben und Unternehmen, die die Menschen einstellen, sollen Vorteile erhalten.
Zudem will die Regierung Missbrauch verhindern, indem sie zur Verpflichtung macht, dass die Daten der Sozialversicherung, des Finanzamts und weiterer staatlicher Stellen abgeglichen werden.
"Es geht darum, dass Menschen nicht sozial abstürzen"
Spanien ist eines der Länder, das das meiste Geld aus dem EU-Rettungsprogramm erhalten soll. Es steht entsprechend die Kritik im Raum, damit würden jetzt Wohltaten der spanischen Regierung finanziert. Wenn Spanien einen Großteil von dem Geld des EU-Rettungsprogramms erhält, dann wird selbstverständlich genau geschaut, welche Ausgaben insbesondere im Sozialbereich tätigt die Regierung denn da gerade? Und dann unterliegt es der Einschätzung solcher Programme, ob das im Geiste einer Rettung ist oder überzogen.
Das Grundeinkommen war schon vorher geplant, ist nicht eigens für die Krise konzipiert worden, aber jetzt nach Einschätzung der Regierung eben umso nötiger. Die Frage ist, ob man es Wohltat nennen will. Es ist eher mit unserem Hartz IV vergleichbar. Es geht darum, dass Menschen nicht sozial abstürzen und daraus ein Teufelskreis nach unten entsteht, sowohl für die Menschen als auch volkswirtschaftlich. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen die zweithöchste in Europa nach Griechenland mit aktuell 17 Prozent.
Die Kosten belaufen sich nach Berechnungen der Regierung auf gute 3 Milliarden Euro, das dürfte jetzt mehr sein, weil durch Corona noch mehr Menschen betroffen sind. Und die spanische Regierung will offenbar auch im eigenen Land die Reichen stärker besteuern. Nach Medienberichten plant das linke Bündnis Unidas Podemos von Vizeregierungschef Pablo Iglesias Turrión, diejenigen, die ein Nettovermögen von mindestens einer Million Euro haben, mit Steuersätzen zwischen zwei und dreieinhalb Prozent zu belegen.