Dienstag, 19. März 2024

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Grundsteuerreform
„Enormer Druck von der kommunalen Seite“

Die Grundsteuerreform steht. Nur kann nach dem Kompromiss von SPD und Union jedes Bundesland die Grundsteuer selbst regeln. „Ob es aber tatsächlich zu dem Flickenteppich kommt, da würde ich zwei große Fragezeichen machen“, sagte Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund im Dlf – denn das würde Geld kosten.

Gerd Landsberg im Gespräch mit Christine Heuer | 17.06.2019
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, begrüßt die Einigung im Streit um die Grundsteuerreform (picture alliance / Britta Pedersen/dpa)
Christine Heuer: Eine Kuh haben SPD und Union nach ihrem Koalitionsgipfel von gestern Abend jetzt vom Eis. Die Grundsteuerreform steht: Noch vor der Sommerpause soll ein Gesetzentwurf dafür in den Bundestag eingebracht werden. Herausgekommen ist nach monatelangem Streit zwischen Finanzminister Olaf Scholz von der SPD und vor allem dem Freistaat Bayern ein Regelwerk mit Öffnungsklauseln. Die Länder sollen vom Bundesgesetz abweichen und die Grundsteuer selbst regeln können.
Aus den Beschlüssen beziehungsweise nicht Beschlüssen der Koalition von gestern Abend greifen wir uns die Grundsteuer heraus und besprechen das jetzt mit Gerd Landsberg, dem Hauptgeschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund. Guten Tag, Herr Landsberg.
Gerd Landsberg: Guten Tag, Frau Heuer.
Heuer: Herr Schäfer-Gümbel von der SPD sagt, das ist mal ein richtig guter Kompromiss, der da gefunden wurde. Finden Sie das auch?
Landsberg: Ich bin ja schon mal froh, dass wir diesen Kompromiss haben. Insofern bin ich schon erleichtert. Aber erlöst bin ich, ehrlich gesagt, erst, wenn das Ganze im Bundesgesetzblatt steht, und das ist noch ein langer Weg, denn wir brauchen eine Grundgesetzänderung. Und das ist ja bekannt: Die Große Koalition hat nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit, weder im Bundestag, noch im Bundesrat. Deswegen wird, wie ja auch anmoderiert, der Teufel da noch sehr im Detail liegen.
Heuer: Das heißt, Sie fürchten, es kommt gar nicht dazu?
Landsberg: Nein, das fürchte ich nicht. Ich bin ja überzeugter Optimist. Da ist natürlich auch enormer Druck von der kommunalen Seite, auch von uns aufgebaut worden. Es ist eigentlich nicht fünf vor; es ist schon fünf nach zwölf. Es geht immerhin um 14 Milliarden Euro.
Wenn die bei den Kommunen wegfallen, dann werden wir Schwimmbäder schließen, Jugendarbeit zurückfahren, Sanierung von Schulen und Kindergärten nicht mehr durchführen können. Das weiß die Politik. Insofern ist jetzt wirklich Druck da und ich bin hoffnungsfroh, dass es am Ende auch gelingt. Aber es ist halt nicht ganz einfach.
"Das Abweichen kostet Verwaltungskraft"
Heuer: Geeinigt hat man sich auf einen Flickenteppich. Ist das nicht ein ziemlich fauler Kompromiss, wenn jeder machen kann was er will?
Landsberg: Na ja. Wir wären schon auch für eine bundeseinheitliche verbindliche Regelung gewesen. Aber wenn der Widerstand so ist, wie er ist, dann ist in der Politik es üblich, Kompromisse zu schließen, und ob es tatsächlich zu dem Flickenteppich kommt, da würde ich mal zwei ganz große Fragezeichen machen.
Denn nach meinem Kenntnisstand ist es im Moment Bayern, die eine eigene abweichende Lösung präferieren. Von den anderen Bundesländern höre ich das in der Form nicht, und zwar aus einem ganz einfachen Grunde: Das Abweichen kostet Verwaltungskraft. Das ist Aufwand, so ganz einfach ist das nicht.
Bayern scheint sich da vorbereitet zu haben. Es könnte vielleicht am Ende so sein, dass alle dem Bundesgesetz folgen, nur Bayern nicht, und dann kann man eigentlich auch nicht von Flickenteppich sprechen.
"Steuern sind immer Aufwand"
Heuer: Ich hätte jetzt angenommen, dass das Scholz-Modell, wenn sich das komplett durchgesetzt hätte, auf jeden Fall die Kommunen, die es anwenden wollen, viel Mehr Verwaltungskraft kostet, weil ja jede einzelne Wohnung, jedes einzelne Haus, jedes einzelne Grundstück dann neu geschätzt werden muss.
Landsberg: Ja, aber das ist eigentlich nicht so schwierig. Es geht ja um fünf Kriterien: Das Baujahr, das weiß jeder, die Lage, die weiß jeder, die Größe weiß auch jeder, den Bodenwert, die Richtlinie haben wir, und den Mietspiegel haben wir auch. Das ist kein großes Hexenwerk, das kann man machen.
Und es ist ja nicht so, dass wir das machen, weil wir Spaß daran haben, sondern weil das Bundesverfassungsgericht ganz klar gesagt hat, das muss gerechter werden. Insofern wundere ich mich auch, wenn ich höre, es muss eine einfache pauschale Lösung geben. Dann soll man sich die Entscheidung des Verfassungsgerichts mal genau angucken. Da steht wörtlich drin: "Auch wenn es einen enormen Aufwand macht, es muss gerecht sein."
Deswegen glaube ich, dass man mit pauschalierten Werten weiterkommt. Wir haben dann ja auch noch fünf Jahre Zeit. Es ist ja nicht so, dass das Gesetz am 1. 1. 2020 umgesetzt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat gesehen, es sind 35 Millionen Grundstücke, das dauert. Wir haben dann fünf Jahre Zeit - der Schwerpunkt liegt ja ohnehin bei der Finanzverwaltung -, das auch auf digitalem Wege zu machen. Natürlich ist das Aufwand, aber Steuern sind immer Aufwand und ohne Steuern können wir nicht leben.
Heuer: Herr Landsberg, ist der Städte- und Gemeindebund nicht einfach deshalb fürs Scholz-Modell, weil die Kommunen dadurch einfach sehr viel mehr Geld einnehmen werden?
Landsberg: Nein, eindeutig nicht! Wir bekennen uns dazu, dass das Gesamtvolumen bleibt. Das sind im Moment etwa 14 Milliarden. Es gibt ja zwei Hebesätze immer bei der Grundsteuer: eine Messzahl des Landes und eine Messzahl der Kommune. Das heißt nicht, dass im Einzelfall einer weniger und der andere mehr bezahlt. Das ist der Gerechtigkeit geschuldet. Aber wir haben uns dazu bekannt und das macht auch die Kommunalpolitik, die wird die Kirche im Dorf lassen.
"Das Gesamtvolumen bleibt"
Heuer: Ja? Sie garantieren den Hörern des Deutschlandfunks heute Mittag, dass die Kommunen den Hebesatz senken und damit alles nicht überhandnimmt?
Landsberg: Ich garantiere jedenfalls, dass die Kommunen alles tun werden, dass das Gesamtvolumen bleibt und dass das nicht genutzt wird, um da jetzt die Steuerschraube nach oben zu drehen. Daran haben wir kein Interesse und das setzen Sie vor Ort in der Kommunalpolitik doch auch gar nicht durch.
Das heißt nicht, dass nicht im Einzelfall einer mehr und ein anderer weniger bezahlt, und das ist auch richtig. Die Villa, die super liegt, kann nicht das gleiche kosten wie die mäßig ausgestattete Drei-Zimmer-Wohnung in einem anderen Baugebiet.
Heuer: Wenn die mäßig ausgestattete Drei-Zimmer-Wohnung aber im Ballungsgebiet liegt, dann wird es auf jeden Fall teurer, und zwar für den Mieter. Das nehmen Sie in Kauf?
Landsberg: Nein, das ist noch mal eine andere Frage. Erst einmal muss man wissen: Es wird ja immer gesagt, die Mieten werden teurer. Im Durchschnitt beträgt die Grundsteuer für eine 90 Quadratmeter Wohnung auch in Ballungsräumen 20 Euro im Monat. Da kann mir nun keiner erzählen, dass diese 20 Euro nun das Sein oder nicht Sein des Mietmarktes bestimmen.
Heuer: Aber es soll ja exorbitant steigen in manchen Regionen, um mehrere hundert Prozent.
Landsberg: Das behaupten manche, aber dafür haben Sie die Messzahl. Dann müssen Sie die Messzahl so weit heruntersetzen, dass es nicht um mehrere hundert Prozent steigt. Das wollen wir und das werden wir.
Und die Frage, wie weit das auf die Mieter umgelegt wird, ist keine Frage des Grundsteuergesetzes, sondern eine Frage der Betriebskostenverordnung. Es war übrigens in den 70er-Jahren so, dass die Eigentümer es nicht umlegen dürfen.
"Jetzt müssen wir sie umsetzen"
Heuer: Dahin würden Sie gerne wieder zurück?
Landsberg: Aus kommunaler Sicht muss ich mich da gar nicht festlegen. Wir bekommen die Steuer vom Eigentümer und es ist eine politische Entscheidung, ob man sagt, der Eigentümer soll es umlegen dürfen, ja oder nein.
Heuer: Das Bundesverfassungsgericht verlangt ja die Reform der Grundsteuer, weil die alten Werte überaltert sind, und auch, weil sie so uneinheitlich sind. Ist das Mischmodell überhaupt verfassungskonform?
Landsberg: Wenn wir jetzt neu bewerten, dann wird es verfassungskonformer, auch wenn man mit pauschalen Werten sicherlich arbeitet. Das erkennt ja auch das Verfassungsgericht. Aber wie gesagt, wir können doch nicht ernsthaft Werte von 1935 in den neuen Bundesländern und von 1965 als gerechten Maßstab sehen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts war vorhersehbar. Ich habe nie an was anderes geglaubt. Es hat halt gedauert und jetzt müssen wir sie umsetzen.
"In anderen Bereichen haben wir den längst einen Flickenteppich"
Heuer: Aber, Herr Landsberg, wenn Bayern da nicht mitmacht, Baden-Württemberg, Hamburg - wer weiß, wer sich dem noch alles anschließt; ist ja auch ein schönes Zeichen gegenüber den eigenen Bürgern, wenn man die nicht zu sehr zur Kasse bittet -, wenn wir diesen Flickenteppich bekommen, geht dann nicht irgendwer wieder nach Karlsruhe vors Verfassungsgericht?
Landsberg: Da können wir schon mal beide von ausgehen. Es wird immer Leute geben, die sagen, ich zahle zu viel, ich gehe vors Verfassungsgericht, und dann wird man sehen, wie das Verfassungsgericht entscheidet. Außerdem können Sie nicht direkt zum Verfassungsgericht; Sie müssen ja erst mal den Steuerbescheid angreifen. Dann geht das praktisch über die Verwaltungsgerichte, über die Finanzgerichte. Da muss man abwarten.
Aber noch mal zum Thema Flickenteppich: Man muss ja fairerweise sagen, in anderen Bereichen haben wir den längst, nämlich zum Beispiel bei der Grunderwerbssteuer. Die liegt in Bayern bei 3,5, in Berlin über sechs Prozent, und da reden wir über ganz andere Summen.
Heuer: Ja, genau! Da könnten die Kommunen ja auch ein bisschen was tun, um das Bauen zu erleichtern, indem sie die Grunderwerbssteuer mal senken, statt sie weiter ständig zu erhöhen.
Landsberg: Das können sie nicht, weil die Grunderwerbssteuer ist eine reine Ländersteuer. Das können nur die Länder, da haben die Kommunen keinen Einfluss drauf und sie bekommen auch leider nichts davon. Insofern sind wir da im wahrsten Sinne des Wortes steuerlich unschuldig.
Heuer: Dann halten wir das fest. – Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer beim Städte- und Gemeindebund war das zur Grundsteuer hier im Deutschlandfunk.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.