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Guido Westerwelle: Regierung verplempert Geld in vielen Bereichen

FDP-Chef Guido Westerwelle hat sich im Prinzip für Steuersenkungen ausgesprochen. Das CSU-Modell sei aber unseriös und nichts anderes als ein Wahlkampfmanöver. Notwendig sei vielmehr ein einfacheres und gerechteres Steuersystem, um dauerhaft solide Staatsfinanzen zu erreichen.

Moderation: Dirk Müller |
    Müller: Zugehört auf der anderen Leitung hat FDP-Chef Guido Westerwelle. Guten Morgen!

    Westerwelle: Schönen guten Morgen Herr Müller!

    Müller: Auch die FDP ist gegen die CSU-Vorschläge. Seit wann hat die FDP etwas gegen Steuersenkungen?

    Westerwelle: Ich bin der Auffassung, dass das Prinzip "mehr Netto vom Brutto" ein richtiger Grundsatz ist. Schließlich haben wir ihn als FDP ja auch auf unsere Plakate seit vielen Jahren geklebt und dafür geworben. Wir werden der CSU die Gelegenheit geben, bis zur Landtagswahl Wort zu halten und zu zeigen, dass sie es wirklich ernst meint, denn all die Steuersenkungsvorschläge, die die CSU jetzt öffentlich gemacht hat, werden wir bis zur Landtagswahl in Bayern im Herbst im Deutschen Bundestag zur Abstimmung stellen und dann kann die CSU zustimmen, oder aber bei dem bleiben, was sie die letzten zweieinhalb Jahre getan hat, nämlich gemeinsam mit SPD und CDU 19 Steuern zu erhöhen. Bisher war die CSU eine reine Steuererhöhungspartei und deswegen ist es auch nicht glaubwürdig, wenn sie jetzt mit Steuersenkungen ankommt.

    Müller: Nun kann man ja Fehler aus der Vergangenheit in der Zukunft versuchen zu korrigieren. Die FDP hat das in dem einen oder anderen Fall ja auch versucht. Wissen Sie denn, wo man Geld einsparen kann, um Steuern zu senken?

    Westerwelle: Ja! Diese Regierung hat Geld wie Heu. Sie verplempert es nur zu gerne in Bereichen, wo sie sich besser raushalten sollte. Wir haben als FDP - und das unterscheidet uns auch von der CSU - insgesamt 400 Einsparungsvorschläge im Deutschen Bundestag eingereicht.

    Müller: Sagen Sie uns doch den größten Posten, Herr Westerwelle!

    Westerwelle: Ich kann Ihnen ganz viele nennen. Ich nenne Ihnen beispielsweise eine besonders aktuelle Sache. Dass wir auch in diesem Jahr noch 187 Millionen Euro an Entwicklungshilfe an China zahlen - das Land, das uns ökonomisch im letzten Jahr überholt hat -, ist in keiner Weise verständlich. Wenn man hier und bei vielen anderen solchen Vorschlägen endlich den Mut hätte, bis hin zum Subventionsabbau auch den Staat auf Diät zu setzen, dann kann man sehr wohl die Kernaufgaben hervorragend finanziell ausstatten - wie die Bildung - und gleichzeitig ein gerechteres, niedrigeres und einfaches Steuersystem beschließen. Wir Liberale werden auch nur einen Koalitionsvertrag im Herbst des Jahres 2009 unterschreiben, wenn darin ein niedrigeres, einfaches und gerechteres Steuersystem vereinbart worden ist.

    Müller: Jetzt haben, Herr Westerwelle, viele das Gefühl, vor dem Hintergrund der neuesten Vorschläge: die CSU will 28 Milliarden investieren beziehungsweise den Bürger um diesen Betrag entlasten und dann die CDU, die jetzt plötzlich Zuschläge für die geringeren Renten zahlen möchte. Dann könnte die SPD die sagt, das geht alles nicht, weil wir müssen finanzpolitisch seriös bleiben, doch der bessere Partner sein.

    Westerwelle: Nein, denn die SPD ist ja eine Partei, die gemeinsam mit der CDU/CSU eine so große Steuererhöhung durchgesetzt hat, wie wir sie in der Geschichte der Republik noch nicht hatten. Allein durch die Mehrwertsteuererhöhung und die weiteren damit beschlossenen Erhöhungen in den letzten eineinhalb Jahren hat eine durchschnittliche vierköpfige Familie 1.600 Euro weniger persönlich zur Verfügung. Das hat die CSU zu verantworten, die CDU und die SPD. Wir sind die einzige Partei, die unter der Überschrift "mehr Netto vom Brutto" dagegen agiert hat.

    Alle anderen Parteien sind der Auffassung, der gute Staat ist der fette Staat. Wir sind der Überzeugung, ein guter Staat ist ein effizienter Staat. Und der Staat ist nicht in einem Gegensatz zwischen Haushaltskonsolidierung und Steuersenkungspolitik; im Gegenteil: Das eine bedingt das andere. Nur wenn ein niedrigeres, einfaches und gerechteres Steuersystem dafür sorgt, dass sich Arbeit und Leistung wieder lohnt, wird es übrigens auch auf Dauer stabile Staatsfinanzen geben. Es ist gut, wenn die CSU das allmählich erkennt. Allerdings merkt man, dass davon lediglich Worte übrig bleiben und das Gegenteil stattfinden wird. Aber bitte schön: Wenn die CSU jetzt lernt, dann werden wir jetzt in den nächsten Monaten jeden Monat einen Steuersenkungsantrag im Deutschen Bundestag zur Abstimmung bringen und dann kann die CSU ja zeigen, ob das nur Wahlpropaganda ist, oder ob sie es ernst meint und die Bürger wissen dann auch, was sie davon zu halten haben.

    Müller: Herr Westerwelle, Sie fordern ja auch immer die Gegenrechnung. Das heißt es muss gegenfinanziert werden. Auf der anderen Seite haben Sie in den vergangenen Jahren auch immer wieder öffentlich und offiziell argumentiert: Wenn es Steuerentlastungen gibt, gibt es automatisch dort auch einen Selbstfinanzierungseffekt. Das heißt der Aufschwung kommt dann auch automatisch. Gilt das nicht mehr?

    Westerwelle: Doch, das gilt, aber nicht eins zu eins. Es ist ja nicht denkbar, dass man Steuern senkt und dann sind die Staatseinnahmen plötzlich im selben Umfange größer. Man muss beides machen und das ist das Unseriöse an dem CSU-Konzept. Daran merkt man auch, dass es Wahlkampfmanöver ist und nicht mehr. Man muss natürlich einen Selbstfinanzierungseffekt mit einkalkulieren durch eine konjunkturelle Erholung. Deswegen wäre es übrigens auch besser gewesen, man hätte in Aufschwungzeiten dieses niedrigere, einfache und gerechtere Steuersystem, was wir FDP-Leute fordern, auch durchgesetzt. Man muss gleichzeitig aber auch konkrete Einsparungsvorschläge beim Staat machen. Und die FDP ist die einzige Partei, die sich traut, auch konkrete Einsparungsvorschläge zu machen.

    Müller: Jetzt hatten Sie uns 187 Millionen genannt. Das gibt vielleicht Verkehrsschilder für die Stadt Leverkusen her.

    Westerwelle: Aber wenn Sie das mal 400 nehmen, dann kommen Sie auf ganz stattliche Summen. Wir haben ein Volumen zusammengerechnet; da sind wir bei einem über zweistelligen Betrag, also etwas mehr als zehn Milliarden. Ich glaube es sind 11,noch etwas Milliarden Euro, die wir ausgerechnet haben, und das haben wir getan, ohne dass wir ein Ministerium im Hintergrund hätten, sondern nur mit den Mitteln der Opposition haben wir diese Vorschläge bereits zusammengesucht und vorgelegt. Man kann der FDP ja gerne vieles vorwerfen, aber dass wir nicht auch konkret sagen würden, wo der Staat sparen kann, das stimmt einfach nicht und das wissen Sie ja auch, denn Sie haben ja oft genug auch darüber berichtet.

    Müller: FDP-Chef Guido Westerwelle bei uns live im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Westerwelle: Danke schön!