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Gustav Landauer
Der pazifistische Poet

Der Sozialist und Anarchist Gustav Landauer begeisterte und beeinflusste mit seinen visionären Schriften vom herrschaftsfreien Leben noch viele Jahrzehnte später Beatniks, Bohemians und auch die ökologische Umweltbewegung. Am 7. April 1870, vor 150 Jahren, wurde er geboren.

Von Michael Langer | 07.04.2020
    Portrait von Gustav Landauer
    Gustav Landauer kam wegen "Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Staatsgewalt" mehrmals in Haft. (imago)
    "Die Menschen wissen heute nicht, erleben es nicht, was das ist: freudiges, schönes Leben. Wir wollen es ihnen zeigen.": "Frei sei der Mensch auf freier Erde!"
    Die Träume vom sozialistischen Bund aller Menschen hat er Zeit seines Lebens nicht aufgegeben und auch nicht den Traum, jeglichen Staat durch die Gemeinschaft zu ersetzen: Gustav Landauer, der Schriftsteller, Mystiker und Anarchist leistete sich eine luxuriöse Definition von Sozialismus: Sozialismus – das sei auch die Stille, das Sanfte, die Schönheit, das Bleibende, das Alte und die Demut vor dem Tod. Er war der pazifistische Poet unter den politischen Denkern des letzten und auch des vorletzten Jahrhunderts.
    "Vom Individuum beginnt alles; und am Individuum liegt alles"
    Gustav Landauer wurde am 7. April 1870 in der badischen Residenzstadt Karlsruhe geboren. Er wuchs auf in einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie, absolvierte das humanistische Gymnasium und studierte in Heidelberg, Straßburg und Berlin Germanistik und Philosophie. Zu seinen Förderern zählte der Sprachwissenschaftler Fritz Mauthner, zu seinen engsten Freunden der Religionsphilosoph Martin Buber. Mit 23 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Roman.
    Er wurde mehrmals inhaftiert
    "Ich glaube, daß ich etwas unüblich bin und in kein Schubfach hineinpasse, kommt daher, daß ich weder ein Agitator noch ein Dichter bin, sondern eine Synthese von beiden."
    In Berlin schloss sich Landauer der Freien Volksbühne und dem Friedrichshagener Dichterkreis an. Wenn auch die Kommune jener Lebensreformer und Künstler scheitern sollte, so tat das den politischen und idealistischen Bestrebungen keinen Abbruch.
    "Anarchismus ist Ordnung ohne Herrschaft."
    Landauer war Mitglied bei den Unabhängigen Sozialisten und Delegierter der Berliner Anarchisten beim Arbeiterkongress der II. Internationale, die in Zürich stattfand. Wegen "Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Staatsgewalt" kam er mehrmals in Haft.
    "Was dem Mittelalter das Kloster, das kann uns Modernen das Gefängnis sein. Die Esel, die uns diese Kur vorschreiben, wissen gar nicht, welche Wohltat sie manchem schon erwiesen haben."
    In seiner Zelle beschäftigte er sich mit Meister Eckhart und begann den Theologen und Mystiker zu übersetzen.
    "Je tiefer ich mich in mich selbst heimkehre, um so mehr werde ich der Welt teilhaftig."
    Mit seiner zweiten Frau, der Lyrikerin Hedwig Lachmann, mit der er Shakespeare, Oscar Wilde und Walt Whitman ins Deutsche übertrug, zog er nach London, wo er seine Freundschaft zum russischen Anarchisten Peter Kropotkin pflegte. Als Anarchopazifist wandte er sich entschieden gegen die sogenannte Propaganda der Tat:
    "Ein Ziel läßt sich nur erreichen, wenn das Mittel schon in der Farbe dieses Zieles gefärbt ist. Nie kommt man durch Gewalt zur Gewaltlosigkeit."
    Im Jahr 1902 kehrten die Landauers nach Berlin zurück.
    "In Deutschland gehört man entweder zu den Staats-, Ordnungs-, Partei-, Disziplin- und Massenmicheln, auch wenn man sich Sozialist nennt, oder man ist ein Anarchist, selbst wenn man es nicht einmal merkt."
    Kurz vor seinem Tod wurde er Minister
    Kurt Eisner, der 1918 die Novemberrevolution angeführt hatte und erster Ministerpräsident des Freistaats Bayern geworden war, holte Gustav Landauer nach München. Nach Eisners Ermordung wurde Landauer an seinem 49. Geburtstag, am 7. April 1919, Minister der ersten Räterepublik. Seine erste Amtshandlung war die Abschaffung der Prügelstrafe an den bayerischen Schulen:
    "Ich bin nun Beauftragter für Volksaufklärung, Unterricht, Wissenschaft, Künste und noch einiges. Lässt man mir ein paar Wochen Zeit, so hoffe ich, etwas zu leisten; aber leicht möglich, dass es nur ein paar Tage sind, und dann war es ein Traum."
    Es blieb beim Traum und nach einer guten Woche war es für ihn vorbei. Die Kommunisten um Eugen Leviné und Max Levien hatten die Macht übernommen.
    Am 2. Mai 1919 ermordeten marodierende Freikorpssoldaten den Menschenfreund Gustav Landauer. Auf seinem Gedenkstein am Münchner Waldfriedhof steht ein Satz aus seinem "Aufruf zum Sozialismus":
    "Es gilt jetzt, noch Opfer anderer Art zu bringen, nicht heroische, sondern stille, unscheinbare Opfer, um für das rechte Leben Beispiel zu geben."