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Gute Sorten, schlechte Sorten, alte Sorten

Das Urteil des Europäischen Gerichtshof über die Zulassungspflicht alter Saatgutsorten erwartet Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, mit Spannung. Es könne "eine schwierige Situation" entstehen, sollte das Gericht den Sortenschutz kippen.

Helmut Born im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Die Natur ist einfach ein Wunder. Aus dem Samen einer Pflanze, eines Salatkopfs zum Beispiel, lassen sich Dutzende von neuen Pflanzen ziehen. Nicht ohne Grund ist das Bild des Sämanns auch ein wichtiges Motiv in der Bibel geworden. Der Samen steht für Leben und für die Weitergabe des Lebens. Was so genial ist wie ein Saatkorn, damit lässt sich durch uns profane Menschen auch viel Geld verdienen. Einige wenige Großkonzerne wie Bayer, BASF oder Monsanto und andere - so heißt es jedenfalls - kontrollieren weltweit zwei Drittel allen Saatgutes. Heute wird der Europäische Gerichtshof dieser Macht wohl zum Teil einen Riegel vorschieben.

    Helmut Born ist der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, bei uns jetzt in der Leitung. Guten Morgen, Herr Born.

    Helmut Born: Ja guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Viele gehen ja davon aus, der EuGH wird die Zulassungspflicht für alte Sorten kippen. Würde das dann heute ein Tag zum Feiern für die deutschen Bauern werden?

    Born: Wir haben in Deutschland eine Erhaltungssortenverordnung, das ist eben schon angeklungen. Vor etwa zehn Jahren haben wir in Deutschland das geregelt, was jetzt in Frankreich über dieses Gerichtsverfahren auch erreicht werden soll. Und ich sage ganz offen: Ja, wir möchten, dass die alten Sorten - nicht nur bei Pflanzen, auch alte Tierrassen - erhalten werden können, und dass man da mehr Beweglichkeit schafft auf juristischem Wege, das ist gut.

    Meurer: Würde sich mit dem Urteil dann gar nichts ändern für Deutschland?

    Born: Das ist die Frage, und da bin ich nicht ganz mit der Anmoderation oder der Aussage in der Anmoderation einig. Wir haben in Deutschland und in Europa ein Saatgutverkehrsgesetz und einen Sortenschutz, der regelt die Zulassung von neuen Sorten. Und anders, als es da dargestellt worden ist, sind die Bauern in Deutschland gut beraten zu sagen: Schauen wir die neuen Sorten an, welche Eigenschaften haben sie, beispielsweise mit kalten Wintern oder mit Pilzen zurechtzukommen, Resistenzen zu haben. Und das Sortenschutzrecht, das Saatgutverkehrsrecht, um das es hier im Grundsatz geht bei den gängigen Sorten im Anbau, regelt die Zulassung von neuen Sorten, und das geschieht nur, wenn sie besser sind als die alten. Also man kann nicht per se sagen, alte Sorten sind besser, sondern das, was wir im Anbau haben, muss mit den heutigen Witterungs- und Klimabedingungen zurecht kommen, und da scheiden manchmal alte Sorten aus ganz guten Gründen aus, weil sie mit den heutigen Bedingungen nicht zurechtkommen.

    Meurer: Als Verbraucher hat man den Eindruck, die alten Sorten scheiden immer aus und wir finden in den Regalen nur noch die neuen Sorten und von denen auch nur ganz wenige.

    Born: Ja, aber in diesen neuen steckt die Genetik der alten Sorten. Züchtung machen wir nun seit 2000 Jahren, und was hinter dem Sortenschutzrecht steckt, ist auf der einen Seite das Recht des Landwirts, mit dieser Sorte Anbau zu betreiben und sie auch wieder neu anzubauen, Nachbau zu betreiben, gleichzeitig aber auch das Recht des Züchters, sich bestehende Sorten, alte wie neue, zu nehmen, eine neue Sorte zu züchten, und die kann er aber erst dann an den Landwirt verkaufen, wenn in der Sortenschutzprüfung nachgewiesen ist, dass diese Sorte auf bestimmte Eigenschaften hin besser ist als die alten. Und deshalb sind wir schon sehr interessiert daran, was dieses Urteil sagt, ob dieser Sortenschutz erhalten bleibt oder ob er gekippt wird.

    Meurer: Ist das eine hohe Hürde, die auch deutsche Bauern betrifft, dass man für eine Sortenprüfung 10.000 Euro bezahlen muss?

    Born: Ja, das ist eher ein geringer Betrag. Normalerweise ist sie noch teurer. Aber im Gegensatz noch mal zur Anmoderation hilft das nicht den Großkonzernen, sondern wir haben in Deutschland etwa 60 Familienbetriebe, die Züchtung betreiben, die natürlich heute als Züchterhäuser mit 50 oder 60 oder 100 Angestellten arbeiten, aber dort wird Erhaltungszüchtung betrieben, dort werden auch alte Sorten behalten, aber es werden immer neue gezüchtet und auch da mit einem gewissen Schutz versehen, damit die Bauern, die diese neuen Sorten anwenden, wissen, dass sie stabile Erträge haben, die beispielsweise auch in einem kalten Winter nicht auswintern.

    Meurer: Wie groß, Herr Born, sind denn die Marktanteile dieser kleinen und mittleren Züchter in Deutschland?

    Born: Bei uns bei Getreide, vor allem - da geht es drum - Kartoffeln, 80, 90 Prozent, spielen die Großkonzerne keine Rolle.

    Meurer: Wo spielen die Großkonzerne eine Rolle?

    Born: Sie spielen dann eine Rolle, wenn sie heute über neue Züchtungsmethoden, Biotechnologie, beispielsweise patentgeschützte Konstrukte - so nennt man in der Genetik bestimmte Genfolgen - sich patentieren lassen, diese Konstrukte dann an Züchterhäuser verkaufen und versuchen, über den Patentschutz - nicht den Sortenschutz, denn der ist ein offenes System -, über den Patentschutz zu schützen, und das wollen wir verhindern.

    Meurer: Wenn Landwirte Samen kaufen, anpflanzen und dann daraus Salatköpfe ziehen, Äpfel, Kartoffeln und so weiter, dürfen die Bauern dann daraus den Samen gewinnen und selber verwenden?

    Born: Ja! Das ist ja gerade das Landwirteprivileg im Sortenschutz. Der Landwirt kann im nächsten Jahr aus diesem gewonnenen Getreide - bleiben wir dabei: Er hat also neues Saatgut gekauft, baut an -, dann kann er in dem zweiten und dritten Jahr damit Nachbau betreiben. Das könnte er bei einem patentgeschützten Saatgut nicht.

    Meurer: Sind die patentgeschützten Saatgüter auf dem Vormarsch?

    Born: Ja, sie sind weltweit auf dem Vormarsch und es gibt einen heftigen Streit zwischen dem Sortenschutz - da gibt es auch ein internationales Abkommen UPOV, was diesen Sortenschutz regelt - und denjenigen, die Patentschutz in der Pflanzenzüchtung wollen. Gerade dieses steht auch auf der europäischen Agenda und deshalb ist dieses Urteil, was ja aus einem ganz anderen Grund zum, ich sage mal, Öffnen für alte Sorten gemacht wird, so wichtig, dass daraus kein Fiasko für den Sortenschutz wird. Denn der hilft uns gerade, den Nachbau zu ermöglichen und vor allem freie Züchtung - also jeder Züchter kann mit den vorhandenen Sorten wieder eine neue züchten -, dieses Privileg zu erhalten.

    Meurer: Was wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, Herr Born, heute dafür bedeuten, ob wir künftig mehr Auswahl in den Obst- und Gemüseregalen vorfinden werden?

    Born: Antwort zweigeteilt. Ich hoffe, dass für die alten Sorten in Frankreich so viel Beweglichkeit zur Erhaltungszüchtung geschaffen wird, wie wir sie in Deutschland schon haben. Zweitens: Ich sehe mit Sorge, wenn dieses Urteil umfassender das Saatgutverkehrsgesetz und den Sortenschutz kippen würde. Dann hätten wir allerdings eine schwierige Situation.

    Meurer: Warum? Inwiefern?

    Born: Weil dann wir wahrscheinlich in Richtung des nordamerikanischen Patentschutzes in der Saatzüchtung und im Saatgutverkehrsgesetz wandern, und das wollen wir nicht.

    Meurer: Also wir warten mit Spannung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Sortenschutz beim Saatgut und bei den Pflanzen. Ich sprach mit Helmut Born, dem Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Herr Born, danke und auf Wiederhören.

    Born: Bitte schön - auf Wiederhören.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.