Die Wirtschaft in Deutschland lahmt. Nach der Rezession im vergangenen Jahr musste die Regierung auch ihre Prognose für 2024 nach unten korrigieren: von 1,3 Prozent auf nur noch 0,2 Prozent. „Dramatisch schlecht“ seien die Aussichten, sagte Bundeswirtschaftsminister Habeck.
Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft hatten bereits Ende Januar in einem offenen Brief an Bundeskanzler Scholz Reformen für einen wirtschaftlichen Aufbruch in Deutschland gefordert. „Ein kräftiges Aufbruchssignal“ sei nötig, hieß es in dem Schreiben, zu den geeigneten Maßnahmen zählen die Verbände auch eine Steuerreform.
Tatsächlich ist sich die Ampel-Regierung einig, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt werden muss. Eine der Stellschrauben ist die steuerliche Belastung von Unternehmen. Darüber, auf welche Weise an dieser gedreht werden sollte, haben die drei Ampelparteien aber unterschiedliche Vorstellungen - vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sind sich nicht einig.
Was ist das Problem mit den deutschen Unternehmenssteuern?
Deutsche Unternehmen müssen im internationalen Vergleich recht hohe Steuern zahlen. Das Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gab die Steuerbelastung in einer Studie für das Jahr 2022 mit 28,8 Prozent an. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt in einer aktuellen Erhebung sogar auf 29,9 Prozent Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften. Beide Werte liegen deutlich über dem Schnitt in der EU und zählen auch weltweit zu den Höchstwerten.
Die drei wichtigsten Komponenten bei der Gesamtbelastung der Firmen sind die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und der Solidaritätszuschlag. Die Körperschaftssteuer kommt dabei Bund und Ländern jeweils zur Hälfte zugute, den Solidaritätszuschlag kassiert allein der Bund. Über die Höhe der Gewerbesteuer entscheiden die Kommunen, für die diese Einnahmen zu den wichtigsten Zuflüssen zählen.
Wie will Wirtschaftsminister Habeck die Wirtschaft stärken?
Bundeswirtschaftsminister Habeck möchte die deutschen Unternehmen international wieder wettbewerbsfähiger machen und setzt dabei vor allem auf staatliche Anreize. Anfang Februar schlug er im Bundestag ein Sondervermögen vor, um strukturelle Probleme zu lösen. Das Geld solle dazu dienen, um Steuergutschriften, Steuervergünstigungen und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen.
Dieser Vorschlag wurde jedoch von der FDP und der Union, auf deren Zustimmung es in diesem Fall ankommen würde, klar abgelehnt. Beide Parteien wollen keine Subventionen, die über Schulden finanziert werden. Außerdem sei ein solcher Geldtopf irgendwann leer und somit keine dauerhafte Entlastung der Wirtschaft gegeben.
Reform der Schuldenbremse
Habeck ließ die Idee daraufhin fallen. Der Grünen-Politiker hatte außerdem schon mehrfach angeregt, die Schuldenbremse zu reformieren, dadurch könnte dem Bund offiziell erlaubt werden, für Investitionsprogramme Schulden zu machen. Auch dieser Vorschlag ist bisher nicht mit dem Koalitionspartner FDP realisierbar.
Habeck möchte nun gemeinsam mit Finanzminister Lindner nach einer Lösung suchen, eine Steuersenkung gehört dabei ausdrücklich zu den Optionen. Er glaube, dies sei der Moment, in dem alle ihre „Lieblingsplätze“ verlassen müssten, so Habeck.
Wie will Finanzminister Lindner die Konjunktur ankurbeln?
Bundesfinanzminister Lindner hat die Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft 2024 von 0,2 Prozent als peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich bezeichnet. Sein Ansatz zur Bewältigung betont eher die unternehmerische Freiheit. Quasi zeitgleich mit den Vorschlägen von Wirtschaftsminister Habeck hat er ein „Dynamisierungspaket“ ins Spiel gebracht, welches seiner Ansicht nach "Arbeitsmarkt, Klimaschutz, Energiepreise, Bürokratie und Steuern“ umfassen müsste.
Greifbarster Inhalt ist die Forderung, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Das sei „der einfachste und schnellste Weg“, so Lindner. Hintergrund ist, dass der Bund eine Abschaffung allein beschließen könnte, ohne sich mit Ländern und Kommunen über eine Gegenfinanzierung auseinandersetzen zu müssen. Gleichwohl würde das Geld im Bundeshaushalt fehlen. Es geht um zehn bis zwölf Milliarden Euro, die der Solidaritätszuschlag derzeit jährlich in die Kassen spült - und die bei einer Abschaffung anderswo eingespart werden müssten.
Warum ist eine Umsetzung der Ideen schwierig?
Die finanziellen Spielräume der Regierung sind eng. Würde die Unternehmenssteuer um fünf Prozentpunkte gesenkt, um auf ein international durchschnittliches Niveau zu kommen, fehlten im Bundeshaushalt rund 30 Milliarden Euro. Eine Abschaffung des Soli schlüge ein Finanzloch von zehn bis zwölf Milliarden Euro. Dabei ist der Haushalt für die Jahre 2024 und 2025 ohnehin schon angespannt. Aufgrund der Schuldenbremse ist die Regierung gezwungen, Einnahmen und Ausgaben in gewissem Einklang zu halten. Das bedeutet: Wenn Steuereinahmen wegfallen, um die Wirtschaft anzukurbeln, müsste gezwungenermaßen an anderer Stelle gespart werden.
Darüber, wie das geschehen könnte, haben die Ampelparteien jedoch grundlegend unterschiedliche Vorstellungen: SPD und Grüne lehnen Lindners Vorstoß ab, den Soli abzuschaffen. Die FDP wendet sich wiederum grundsätzlich gegen neue Schulden und würde lieber beim Bürgergeld sparen. Dieser Idee erteilte Robert Habeck bereits eine Absage.
Welche anderen Hebel gibt es?
Um die Konjunktur anzukurbeln ist bereits ein Gesetz auf dem Weg: Das Wachstumschancengesetz soll die Wirtschaft um bis zu sieben Milliarden Euro entlasten. Allerdings hat der Bundesrat den Entwurf erst einmal blockiert, weil die Bundesländer sich und die Kommunen finanziell benachteiligt sehen. Der Vermittlungsausschuss hat offenbar einen Kompromiss gefunden. Der könnte allerdings das Volumen der Entlastungen auf drei Milliarden Euro drücken, der Effekt wäre damit weniger als halb so groß wie ursprünglich angestrebt.
Die SPD hat zudem den Vorschlag eingebracht, die deutsche Wirtschaft mit einem „Deutschlandfonds“ zu unterstützen. Ziel des Fonds wäre es, privates Kapital und Geld von den Pensionskassen, Lebensversicherungen oder der staatlichen Rentenversicherung zu sammeln und sie für Investitionen zu nutzen. Notwendig wäre aber auch hier eine staatliche Anschubfinanzierung, für die der Bund Gelder zur Verfügung stellen müsste.
jk