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Haderthauer: Lebensleistungsrente der CDU hat kein klares Konzept

Christine Haderthauer kritisiert das Rentenkonzept von Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU). Die CSU sei die einzige Partei, die ein Konzept gegen Altersarmut habe, sagt die bayerische Sozial- und Arbeitsministerin. Ihr Entwurf fordert eine Lohnuntergrenze und die angemessene Honorierung von Kindererziehungszeiten.

Dirk-Oliver Heckmann im Gespräch mit Christine Haderthauer |
    Dirk-Oliver Heckmann: Die prominenten CSU-Politiker dürften ihren Augen nicht getraut haben, als sie den "Nürnberger Nachrichten" entnehmen mussten, was ihr Parteichef, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, da über sie vom Stapel gelassen hatte. Finanzminister Markus Söder, von Ehrgeiz zerfressen sei er, leide an charakterlichen Schwächen und leiste sich zu viele Schmutzeleien. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer verspottete Seehofer als Zar Peter, den gestürzten CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg als Glühwürmchen. Dennoch gab es beim Treffen der CSU-Landesgruppe vergangene Woche in Wildbad Kreuth keinen Einzigen, der sich einen solchen Umgang verbat. Im Gegenteil: Jede CSU-Größe bemühte das Bild vom Schnee von gestern, der nicht mehr von Bedeutung sei. - Am Telefon begrüße ich dazu Christine Haderthauer, sie ist Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen und sie ist Mitglied im CSU-Parteivorstand. Schönen guten Morgen, Frau Haderthauer.

    Christine Haderthauer: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Morgen beginnt das Treffen der CSU-Landtagsfraktion, ebenfalls in Kreuth. Heute kommt bereits der Fraktionsvorstand zusammen, um das Treffen vorzubereiten. Gehen Sie davon aus, dass das Treffen ähnlich harmonisch verläuft?

    Haderthauer: Ja, davon gehe ich aus. Es ist ja auch nicht so, dass man sich seit Weihnachten nicht mehr gesehen hätte, sondern wir hatten bereits mehrere Begegnungen und Anlässe und die Stimmung ist aufgeräumt und stabil.

    Heckmann: Aber mal ganz ehrlich, Frau Haderthauer: Ganz die feine englische Art war das nicht, die Horst Seehofer da an den Tag gelegt hat, oder?

    Haderthauer: Na ja, Herr Heckmann, der Versuch, die Berichterstattung zu verlängern, ist ja verständlich. Aber es hat dazu bereits im alten Jahr entsprechende Gespräche zwischen den Betroffenen gegeben und damit ist es dann auch gut.

    Heckmann: Aber was halten Sie denn von dieser Art?

    Haderthauer: Ich habe Ihnen ja bereits gesagt: Der Versuch, die Berichterstattung zu verlängern, ist jetzt nichts, was ich noch befördern möchte. Wir haben uns da intern darüber ausgetauscht und ich denke, das ist auch der einzig richtige Weg.

    Heckmann: Also Sie haben da keine Meinung zu?

    Haderthauer: Nein, das habe ich nicht gesagt.

    Heckmann: Sie haben eine Meinung, die möchten Sie aber hier live auf dem Sender nicht sagen?

    Haderthauer: Ich würde mal sagen, das gehört in die internen Gespräche, und die sind ja geführt worden. Und Sie haben ja auch gehört, dass alle Beteiligten gesagt haben, die Sache ist damit erledigt.

    Heckmann: Dann frage ich mal anders, Frau Haderthauer. Was ist denn von einer Partei und von Politikern zu halten, die sich so einen Umgang gefallen lassen, ohne auch nur zu wagen, mal öffentlich den Mund aufzumachen?

    Haderthauer: Es geht nicht darum, sich öffentliche Schlachten zu liefern, sondern es geht darum, solide Politik für unser Land zu machen. Was wichtig war, war, dass es ganz schnell zu klärenden Gesprächen gekommen ist. Das haben wir ja auch alle eingefordert. Das ist erfolgt und damit ist die Sache erledigt!

    Heckmann: Infratest dimap, das Meinungsforschungsinstitut, Frau Haderthauer, sieht die CSU bei 47 Prozent. Muss man also davon ausgehen, dass eine Partei wie die CSU sozusagen die Klappe hält und sich alles gefallen lässt, solange sie an den Fleischtöpfen der Macht sitzt?

    Haderthauer: Mit Sicherheit nicht, denn das würde heißen, dass wir diese Umfrage maßlos überschätzen würden. Wir haben ja nun die Erfahrungen durchaus gemacht, dass auf Umfragen wenig Verlass ist. Wir wissen, dass wir solide arbeiten müssen und dass entschieden wird am Wahltag. Und im Übrigen kümmern sich die Bürger in unserem Land eigentlich mehr um die Politikergebnisse, darum, wie es ihnen geht, und sehen, dass die CSU mit allen Kräften, die sie hat, dafür sorgt, dass es ihnen in Bayern am besten geht, und das ist das, was wahlentscheidend ist.

    Heckmann: Also es ist nachvollziehbar: Sie wollen lieber über die konkrete Politik sprechen als über den Stil, den Horst Seehofer da an den Tag gelegt hat. Aber ist es nicht ein bisschen so wie bei SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück, der hat ja auch das Problem, dass nur über seine Nebeneinkünfte und sonstigen Fettnäpfchen gesprochen wird und nicht über seine Politik. Ist es bei Horst Seehofer nicht ein bisschen ähnlich, dass die Öffentlichkeit über die Eskapaden diskutiert und nicht über die Politik der CSU, auf die Sie ja so stolz sind?

    Haderthauer: Ich weiß nicht. Das ist vielleicht eine Wahrnehmung, die im Deutschlandfunk da ist. Aber wir haben bundesweit und bayernweit massiv jetzt die Sachthemen nach vorne gebracht - denken Sie an die Rentendiskussion, denken Sie an die Lohnuntergrenzen, die wir fordern. Die Landesgruppe hat hervorragende Beschlüsse gemacht, die bundesweit von den Sachthemen her transportiert worden sind. Ich habe nicht die Wahrnehmung, dass sich nach Weihnachten noch irgendjemand mit den Gesprächen, die da vorher gelaufen sind, beschäftigt hat.

    Heckmann: Dann kommen wir mal zur konkreten Politik. Sie haben das Thema Rente gerade eben angesprochen. Was ist denn davon zu halten, dass die CSU im Koalitionsausschuss der sogenannten Lebensleistungsrente zustimmt und anschließend ganz schnell einen Rückzieher macht?

    Haderthauer: Wir haben im Koalitionsausschuss keinem konkreten Rentenmodell zugestimmt, sondern es wurden einige sehr theoretische allgemeine Eckpunkte dort festgestellt und beschlossen. Wenn man dann im weiteren Verlauf merkt, dass diese Eckpunkte nicht durch ein tragfähiges Konzept unterlegt werden und dieses auch nicht geliefert werden kann vom Bundessozialministerium, dann ist es irgendwann Zeit zu sagen, ja gut, dann machen wir das eben nicht.

    Heckmann: Aber das Konzept ist doch ganz klar, was Ursula von der Leyen da vorgelegt hat.

    Haderthauer: Nein, es ist eben nicht klar!

    Heckmann: Weshalb fällt Ihnen das jetzt erst auf, dass das aus Ihrer Sicht nicht zusammenpasst?

    Haderthauer: Die Eckpunkte, die im Koalitionsbeschluss drin sind, entsprechen nicht dem, was sie vorher wollte, sondern man hat sich hier auf einige Eckpunkte geeinigt, die auch schon ein Abspecken der Lebensleistungsrente waren. Aber sogar mit diesem Abspecken kommt man nicht zu befriedigenden Lösungen. Das konnte man erst hinterher sehen, weil man das erst hinterher durchspielen konnte. Erklären Sie mir mal, wie Sie Leute mit 850 Euro aus der Grundsicherung flächendeckend holen wollen, wenn die Grundsicherung in Deutschland eine höchst unterschiedliche Höhe hat und in ganz vielen Städten deutlich darüber liegt? Das ist nur der erste Punkt.

    Heckmann: Aber das Problem lag doch offen zutage beim Treffen des Koalitionsausschusses?

    Haderthauer: Nein, natürlich nicht. Es ist Sache der Fachministerin, wenn Eckpunkte beschlossen sind, diese dann ordentlich auszufüllen, und das ist bis heute nicht so erfolgt, dass man sagt, damit können wir ein tragfähiges Konzept machen. Und es geht ja jetzt hier nicht um irgendwelche Einzelpunkte, sondern es geht um die Gesamtausrichtung der Rente in der Zukunft, und da muss man sich schon natürlich Mühe geben, dass das ein sinnvolles Konzept ist und kein Schönheitswettbewerb.

    Heckmann: Pardon! Hat die CSU, hat Ihre Partei nicht mit ihrer Positionierung das Problem, quasi für die Altersarmut zu stehen und eben nichts dagegen zu tun? Das dürfte nicht gerade eine gute Vorlage für die Landtagswahl im Herbst sein.

    Haderthauer: Das stimmt, wenn es so wäre, aber wir sind die Einzigen, die das Konzept gegen die Altersarmut haben, was auch helfen wird, weil wir die echte Ursache der Altersarmut angehen. Die Ursache ist nämlich, wenn bei Kindererziehung zu geringe Rentenansprüche entstehen. Wenn man sich die Ursachen genau anschaut, ist es ja nicht die Frage, ob im Gesamtlebensverlauf zu niedrige Löhne erzielt wurden, wie von der Leyen uns das weiß machen will, sondern es ist immer und fast ausschließlich die Frage der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit der Kindererziehung und des Erwerbsverlaufs danach, und deswegen setzen wir an zwei Punkten an. Das ist einmal, dass wir noch schärfer die Löhne anschauen, die Lohnuntergrenzen, denn die Rente ist ein Spiegel der Lohnleistung und das Zweite, dass die Kindererziehung endlich angemessen honoriert werden muss.

    Heckmann: Die Kindererziehungszeiten haben Sie gerade angesprochen. Sie haben zu Gast bei der Klausur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der hat vor einigen Tagen angekündigt, dass es keinen Spielraum gebe bei der Erhöhung der Rente für ältere Mütter - ein Ziel, dass Sie sich ja auch auf die Fahnen geschrieben haben. Was werden Sie Herrn Schäuble denn sagen?

    Haderthauer: ... , dass es natürlich Spielraum dafür gibt. Das ist eine Frage des Wollens. Wenn man allein die Summe nimmt, die für die Lebensleistungsrente von Herrn Schäuble reserviert worden ist, kann man damit jede Menge für ältere Mütter tun und hilft wesentlich zielgenauer, als das Gehalt der halbtags arbeitenden Gattin aufzubessern, die nur deshalb halbtags gearbeitet hat, weil sie beispielsweise irgendwelchen Hobbys nachgehen will. Genau das passiert nämlich mit der Lebensleistungsrente.

    Heckmann: Und Sie denken, dass Sie damit durchdringen werden?

    Haderthauer: Ich denke, dass auch Herr Schäuble sich der großen Mehrheit in seiner eigenen Partei, in der CSU und in der Bevölkerung nicht wird verschließen können.

    Heckmann: Die Bayerische Sozial- und Arbeitsministerin Christine Haderthauer war das live hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Haderthauer: Danke, Herr Heckmann - auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.