Christiane Kaess: Am Telefon ist Jörg-Uwe Hahn von der FDP, hessischer Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident. Guten Morgen!
Jörg-Uwe Hahn: Guten Morgen nach Köln!
Kaess: Herr Hahn, seit wann wissen Sie von dem Netzwerk rechtsradikaler Gefangener?
Hahn: Wir haben ein Gefühl seit Ende des vergangenen Jahres. Wir haben anonyme Hinweise zunächst bekommen und wir konnten dann durch einmal eine Öffnung eines Beteiligten und dann durch sehr konkrete Suchen in Zellen und in der Post herausfinden, dass sicherlich versucht wird, ein Netzwerk aufzubauen, mit Briefkontakt, mit Anzeigenkontakt. Und wir sind sehr froh darüber, dass wir in den letzten zwei, drei Wochen auch durch die Ermittlungen der hessischen Vollzugsbehörden so weit sind, an die Öffentlichkeit zu gehen und die Ermittlungen offenzulegen.
Kaess: Warum erfährt die Öffentlichkeit erst jetzt davon?
Hahn: Weil wir erst jetzt die entsprechenden belegbaren Dokumente zusammen haben, weil wir erst jetzt auch rechtlich dokumentieren können, hier ist nicht nur ein schlimmes Bauchgefühl, sondern hier ist tatsächlich etwas vorgefallen.
Kaess: Sie sprechen von Bauchgefühl. Aber es gab ja schon Hinweise auf das Netzwerk öffentlich, nämlich in einer Motorradfahrerzeitung vom Oktober 2012. Da heißt es, ein entsprechender Verein wurde am 20. April gegründet. Das weiß man: Der 20. April ist der Geburtstag von Adolf Hitler. Warum hat der Verfassungsschutz nichts gemerkt?
Hahn: Ich glaube, dass wir da ein bisschen überheblich von heute aus in die Vergangenheit hereinschauen. Wir hatten das schon am gestrigen Tag in der Diskussion im hessischen Landtag gehabt. Keiner von uns liest diese Biker-Zeitung. Das hat auch jeder Abgeordnetenkollege so bestätigt. Jetzt sind wir schlauer, weil über die Ermittlungen wir gemerkt haben, dass diese Zeitung offensichtlich auch als Kommunikationsmittel genutzt worden ist. Zum damaligen Zeitpunkt kam keiner an, weder ein Abgeordneter, noch ein Minister, noch ein Journalist, und hat gesagt, guckt mal, hier in der Zeitung steht es doch drin.
Kaess: Aber, Herr Hahn, Sie sprechen jetzt von Überheblichkeit. Aber im November letzten Jahres hat die Linksfraktion bereits gefragt, gibt es Umtriebe in hessischen Gefängnissen, und die Antwort der Landesregierung war, wir haben keine Erkenntnisse.
Hahn: Ich verstehe das "Aber" in Ihrer Fragestellung am Anfang nicht. Ich habe doch darauf hingewiesen: Wir hatten ein Bauchgefühl, aber nichts Belegbares. Und auch die Fraktion der Linken hat nicht in ihrer Anfrage gesagt, guckt doch mal bitte in die Biker-Zeitung rein, da steht das alles drin.
Kaess: Aber da ging es ja nicht nur um die Biker-Zeitung. Sondern es war ganz konkret die Frage: Gibt es Umtriebe, rechtsradikale Umtriebe in hessischen Gefängnissen. Und die Antwort war: keine Erkenntnisse.
Hahn: Ja, und die Antwort war zum damaligen Zeitpunkt auch richtig. Wir hatten damals keine Erkenntnisse. Wir haben nichts Belegbares gehabt, und Erkenntnisse sind - deshalb habe ich ja eben so unterschieden zwischen dem Bauchgefühl und dem. Ich bin von Hause aus Rechtsanwalt und ausgebildeter Jurist und dazu noch ein liberaler Rechtsstaatspolitiker. Und da kann man nicht einfach mal losschießen mit Schrot, auch wenn es die rechte Seite betrifft. Sondern man muss ermitteln. Und das konnten wir Gott sei Dank jetzt auch erfolgreich. Und deshalb bin ich stolz darauf, dass Hessen das erste Land ist, das mit einer so dezidierten Lage auch die öffentliche Diskussion jetzt starten und beginnen kann. Wir haben jetzt ermitteln können. Wir haben entsprechende Ermittlungserfolge gehabt und wir haben damit diese Bestrebungen jedenfalls zerschlagen.
Kaess: Und wie kommt es, dass die Linksfraktion schon vor mehreren Monaten davon wusste und Sie nichts?
Hahn: Ich hoffe nicht, dass die Linke-Fraktion davon etwas wusste. Sie hat auch nie gesagt, dass sie davon etwas wusste.
Kaess: Aber es gab offensichtlich Anzeichen.
Hahn: Sonst hätte sie uns, liebe Frau Kaess, darüber informiert. Sie hat uns nicht darüber informiert, dass dort etwas in der Zeitung steht. Auch der Bericht im "Neuen Deutschland", der dann irgendwann später kam, war nicht präzise gewesen. Und ich wiederhole noch einmal - deshalb bitte nicht jede Frage mit "Aber" beginnen: Wir leben in einem Rechtsstaat, Gott sei Dank, und da muss man entsprechende Verdachtsmomente haben, die man auch einigermaßen hart machen kann. Und das ist uns in den letzten drei Wochen oder in den letzten zwei, drei Monaten, beginnend in den letzten drei Wochen, intensiv dann auch gelungen.
Kaess: Dann werden wir etwas konkreter. Es ist bekannt, dass in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld ein bekannter Neonazi einsitzt. Warum wurde auf die Frage der Linken, in welchen hessischen Gefängnissen sitzen Menschen mit einer Neonazi-Geschichte ein, der nicht genannt?
Hahn: Ich habe die Anfrage und die Antwort jetzt nicht vorliegen. Ich glaube auch, dass wir, ich jedenfalls beteilige mich da nicht dran, jetzt eine sophisticated Diskussion nach hinten führen. Ich habe die Erinnerung, dass nachgefragt worden ist, ob wegen entsprechender Verurteilung Einsitzende dort sind, und da konnten wir antworten oder mussten wir antworten keine, weil sie sind nicht wegen neonazistischer Taten verurteilt worden. Das ist aber alles sophisticated. Ich schaue, sehr verehrte Frau Kaess, mit Ihnen gerne nach vorne, denn wir haben in Hessen ermittelt und wir haben es erreicht, dass wir es so festmachen können, dass diese Struktur jetzt bereits zerschlagen ist.
Kaess: Glauben Sie, dass der Neonazi in Hünfeld nicht besondere Aufmerksamkeit verdient hätte? Der Mann steht immerhin auf der Unterstützerliste des NSU.
Hahn: Der Mann hat besondere Aufmerksamkeit bekommen und deshalb ist die Struktur, die er versucht hat anzulegen, jetzt auch von der hessischen Justiz und insbesondere dem hessischen Justizvollzug kaputt gemacht worden. Die gibt es nicht mehr.
Kaess: Herr Hahn, seit wann gab es dieses Netzwerk?
Hahn: Ich weiß nicht, seit wann es das gab. Ich weiß auch noch nicht mal, ob wir heute schon sagen können, dass es ein Netzwerk gibt. Sie haben ja am gestrigen Tage die Meinung des Bundesinnenministeriums gehört, wo gesagt worden ist, es gebe kein Netzwerk. Ich halte das für mutig, jetzt eine Entscheidung so oder so abzugeben. Wir wissen, liebe Frau Kaess, dass in den letzten Monaten, vielleicht auch schon im Sommer des letzten Jahres beginnend, Kommunikation durchgeführt worden ist. Wir wissen, dass der von Ihnen benannte Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt in Hünfeld schriftlichen Kontakt gesucht hat, zum Beispiel auch mit Frau Zschäpe gesucht hat. Das wissen wir heute. Wir wissen aber noch nicht, ob es Rückkoppelung gegeben hat, wie weit die Zusammenarbeit ist. Ich habe am gestrigen Abend noch zur Kenntnis genommen, dass die Kollegen in Schleswig-Holstein wie jetzt auch in Bayern sagen, wir gehen wohl davon aus, dass es eine entsprechende Kommunikation mit diesem Hessen gegeben hat, sodass wir jetzt noch nicht sagen können, ist es endgültig ein Netzwerk, ja oder nein. Nicht alles hochreden, aber auf keinen Fall bagatellisieren. Deshalb haben wir auch die öffentliche Diskussion am Dienstag begonnen.
Kaess: Wie sah der Versuch aus, einen Kontakt zu Beate Zschäpe herzustellen?
Hahn: Indem ganz offensichtlich ein Brief geschrieben worden ist.
Kaess: Kennen Sie den Brief?
Hahn: Ich kenne den Brief nicht. Ich weiß auch nicht, ob er in den Ermittlungsakten vorhanden ist. Ich weiß aber, dass es eine Empfängerliste desjenigen gegeben hat, der dieses Netzwerk aufbauen wollte. Das ist wohl – ich sage das jetzt im doppelten Sinne des Wortes – typisch ordentlich gemacht worden. Da ist Frau Zschäpe notiert, übrigens mit ihrer damaligen Anschrift der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf.
Kaess: Glauben Sie, dass die Kommunikation, von der Sie gesprochen haben, bundesländerübergreifend gewesen ist?
Hahn: Ich muss derzeit davon ausgehen, dass die Kommunikation bundesländerübergreifend gewesen ist. Das ist ja auch – Sie haben die Anzeige angesprochen, die im Oktober in der Biker-Zeitung gewesen ist – dieser zu entnehmen. Eine Reihe von Vollzugsanstalten sind dort angesprochen worden in fast allen Bundesländern mit Justizministern und Senatoren aus fast allen Parteien.
Kaess: Herr Hahn, wir haben vor dem Interview mit Ihnen mit Marjana Schott gesprochen, der Abgeordneten der Linken im hessischen Landtag. Ihre Kritik ist, es gibt zu wenig Personal im Justizvollzugssystem. Zum Beispiel die JVA Hünfeld ist teilprivatisiert, das bezeichnet sie als problematisch. Braucht guter Justizvollzug nicht genügend Personal?
Hahn: Guter Justizvollzug braucht genügend Personal, guter Justizvollzug braucht übrigens auch ordentliche Gebäude, damit auch ein entsprechendes Arbeitsklima entsteht. Die Justizvollzugsanstalt in Hünfeld ist, ich will jetzt nicht lügen, aber vielleicht im zwölften Jahr erst und damit eine baulich sehr moderne, mit einer guten Personalausstattung. Ich halte es für relativ hilflos, wenn nun Landtagsabgeordnetenkollegen – und ich selbst bin ja nicht nur Minister, sondern auch Abgeordneter des hessischen Landtages – es reduzieren auf die Frage, ob genug Personal da ist oder nicht. Ich wiederhole es noch einmal: Wir in Hessen haben es mit dem Personal, das wir in Hünfeld haben, geschafft, belastbares Material vorzulegen, um ein solches Netzwerk, sei es nun schon begonnen, oder sei es im Aufbau, zu zerstören. Darauf sind wir Hessen wirklich stolz.
Kaess: Die Frage muss man ja nicht reduzieren aufs Personal, wie Sie das jetzt gerade gesagt haben. Es stellt sich ja die Frage generell: Haben die hessischen Justizbehörden versagt?
Hahn: Wie kann man versagen, wenn man etwas aufgedeckt hat? Ich verstehe diese Frage beim besten Willen nicht, Frau Kaess.
Kaess: Weil die Aufdeckung offensichtlich etwas spät kommt.
Hahn: Das ist eine Behauptung, die Sie aufstellen und ungeprüft von Frau Schott offensichtlich übernehmen.
Kaess: Sagt Jörg-Uwe Hahn. Er ist hessischer Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident. Danke für das Interview, Herr Hahn.
Hahn: Ich bedanke mich auch. Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jörg-Uwe Hahn: Guten Morgen nach Köln!
Kaess: Herr Hahn, seit wann wissen Sie von dem Netzwerk rechtsradikaler Gefangener?
Hahn: Wir haben ein Gefühl seit Ende des vergangenen Jahres. Wir haben anonyme Hinweise zunächst bekommen und wir konnten dann durch einmal eine Öffnung eines Beteiligten und dann durch sehr konkrete Suchen in Zellen und in der Post herausfinden, dass sicherlich versucht wird, ein Netzwerk aufzubauen, mit Briefkontakt, mit Anzeigenkontakt. Und wir sind sehr froh darüber, dass wir in den letzten zwei, drei Wochen auch durch die Ermittlungen der hessischen Vollzugsbehörden so weit sind, an die Öffentlichkeit zu gehen und die Ermittlungen offenzulegen.
Kaess: Warum erfährt die Öffentlichkeit erst jetzt davon?
Hahn: Weil wir erst jetzt die entsprechenden belegbaren Dokumente zusammen haben, weil wir erst jetzt auch rechtlich dokumentieren können, hier ist nicht nur ein schlimmes Bauchgefühl, sondern hier ist tatsächlich etwas vorgefallen.
Kaess: Sie sprechen von Bauchgefühl. Aber es gab ja schon Hinweise auf das Netzwerk öffentlich, nämlich in einer Motorradfahrerzeitung vom Oktober 2012. Da heißt es, ein entsprechender Verein wurde am 20. April gegründet. Das weiß man: Der 20. April ist der Geburtstag von Adolf Hitler. Warum hat der Verfassungsschutz nichts gemerkt?
Hahn: Ich glaube, dass wir da ein bisschen überheblich von heute aus in die Vergangenheit hereinschauen. Wir hatten das schon am gestrigen Tag in der Diskussion im hessischen Landtag gehabt. Keiner von uns liest diese Biker-Zeitung. Das hat auch jeder Abgeordnetenkollege so bestätigt. Jetzt sind wir schlauer, weil über die Ermittlungen wir gemerkt haben, dass diese Zeitung offensichtlich auch als Kommunikationsmittel genutzt worden ist. Zum damaligen Zeitpunkt kam keiner an, weder ein Abgeordneter, noch ein Minister, noch ein Journalist, und hat gesagt, guckt mal, hier in der Zeitung steht es doch drin.
Kaess: Aber, Herr Hahn, Sie sprechen jetzt von Überheblichkeit. Aber im November letzten Jahres hat die Linksfraktion bereits gefragt, gibt es Umtriebe in hessischen Gefängnissen, und die Antwort der Landesregierung war, wir haben keine Erkenntnisse.
Hahn: Ich verstehe das "Aber" in Ihrer Fragestellung am Anfang nicht. Ich habe doch darauf hingewiesen: Wir hatten ein Bauchgefühl, aber nichts Belegbares. Und auch die Fraktion der Linken hat nicht in ihrer Anfrage gesagt, guckt doch mal bitte in die Biker-Zeitung rein, da steht das alles drin.
Kaess: Aber da ging es ja nicht nur um die Biker-Zeitung. Sondern es war ganz konkret die Frage: Gibt es Umtriebe, rechtsradikale Umtriebe in hessischen Gefängnissen. Und die Antwort war: keine Erkenntnisse.
Hahn: Ja, und die Antwort war zum damaligen Zeitpunkt auch richtig. Wir hatten damals keine Erkenntnisse. Wir haben nichts Belegbares gehabt, und Erkenntnisse sind - deshalb habe ich ja eben so unterschieden zwischen dem Bauchgefühl und dem. Ich bin von Hause aus Rechtsanwalt und ausgebildeter Jurist und dazu noch ein liberaler Rechtsstaatspolitiker. Und da kann man nicht einfach mal losschießen mit Schrot, auch wenn es die rechte Seite betrifft. Sondern man muss ermitteln. Und das konnten wir Gott sei Dank jetzt auch erfolgreich. Und deshalb bin ich stolz darauf, dass Hessen das erste Land ist, das mit einer so dezidierten Lage auch die öffentliche Diskussion jetzt starten und beginnen kann. Wir haben jetzt ermitteln können. Wir haben entsprechende Ermittlungserfolge gehabt und wir haben damit diese Bestrebungen jedenfalls zerschlagen.
Kaess: Und wie kommt es, dass die Linksfraktion schon vor mehreren Monaten davon wusste und Sie nichts?
Hahn: Ich hoffe nicht, dass die Linke-Fraktion davon etwas wusste. Sie hat auch nie gesagt, dass sie davon etwas wusste.
Kaess: Aber es gab offensichtlich Anzeichen.
Hahn: Sonst hätte sie uns, liebe Frau Kaess, darüber informiert. Sie hat uns nicht darüber informiert, dass dort etwas in der Zeitung steht. Auch der Bericht im "Neuen Deutschland", der dann irgendwann später kam, war nicht präzise gewesen. Und ich wiederhole noch einmal - deshalb bitte nicht jede Frage mit "Aber" beginnen: Wir leben in einem Rechtsstaat, Gott sei Dank, und da muss man entsprechende Verdachtsmomente haben, die man auch einigermaßen hart machen kann. Und das ist uns in den letzten drei Wochen oder in den letzten zwei, drei Monaten, beginnend in den letzten drei Wochen, intensiv dann auch gelungen.
Kaess: Dann werden wir etwas konkreter. Es ist bekannt, dass in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld ein bekannter Neonazi einsitzt. Warum wurde auf die Frage der Linken, in welchen hessischen Gefängnissen sitzen Menschen mit einer Neonazi-Geschichte ein, der nicht genannt?
Hahn: Ich habe die Anfrage und die Antwort jetzt nicht vorliegen. Ich glaube auch, dass wir, ich jedenfalls beteilige mich da nicht dran, jetzt eine sophisticated Diskussion nach hinten führen. Ich habe die Erinnerung, dass nachgefragt worden ist, ob wegen entsprechender Verurteilung Einsitzende dort sind, und da konnten wir antworten oder mussten wir antworten keine, weil sie sind nicht wegen neonazistischer Taten verurteilt worden. Das ist aber alles sophisticated. Ich schaue, sehr verehrte Frau Kaess, mit Ihnen gerne nach vorne, denn wir haben in Hessen ermittelt und wir haben es erreicht, dass wir es so festmachen können, dass diese Struktur jetzt bereits zerschlagen ist.
Kaess: Glauben Sie, dass der Neonazi in Hünfeld nicht besondere Aufmerksamkeit verdient hätte? Der Mann steht immerhin auf der Unterstützerliste des NSU.
Hahn: Der Mann hat besondere Aufmerksamkeit bekommen und deshalb ist die Struktur, die er versucht hat anzulegen, jetzt auch von der hessischen Justiz und insbesondere dem hessischen Justizvollzug kaputt gemacht worden. Die gibt es nicht mehr.
Kaess: Herr Hahn, seit wann gab es dieses Netzwerk?
Hahn: Ich weiß nicht, seit wann es das gab. Ich weiß auch noch nicht mal, ob wir heute schon sagen können, dass es ein Netzwerk gibt. Sie haben ja am gestrigen Tage die Meinung des Bundesinnenministeriums gehört, wo gesagt worden ist, es gebe kein Netzwerk. Ich halte das für mutig, jetzt eine Entscheidung so oder so abzugeben. Wir wissen, liebe Frau Kaess, dass in den letzten Monaten, vielleicht auch schon im Sommer des letzten Jahres beginnend, Kommunikation durchgeführt worden ist. Wir wissen, dass der von Ihnen benannte Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt in Hünfeld schriftlichen Kontakt gesucht hat, zum Beispiel auch mit Frau Zschäpe gesucht hat. Das wissen wir heute. Wir wissen aber noch nicht, ob es Rückkoppelung gegeben hat, wie weit die Zusammenarbeit ist. Ich habe am gestrigen Abend noch zur Kenntnis genommen, dass die Kollegen in Schleswig-Holstein wie jetzt auch in Bayern sagen, wir gehen wohl davon aus, dass es eine entsprechende Kommunikation mit diesem Hessen gegeben hat, sodass wir jetzt noch nicht sagen können, ist es endgültig ein Netzwerk, ja oder nein. Nicht alles hochreden, aber auf keinen Fall bagatellisieren. Deshalb haben wir auch die öffentliche Diskussion am Dienstag begonnen.
Kaess: Wie sah der Versuch aus, einen Kontakt zu Beate Zschäpe herzustellen?
Hahn: Indem ganz offensichtlich ein Brief geschrieben worden ist.
Kaess: Kennen Sie den Brief?
Hahn: Ich kenne den Brief nicht. Ich weiß auch nicht, ob er in den Ermittlungsakten vorhanden ist. Ich weiß aber, dass es eine Empfängerliste desjenigen gegeben hat, der dieses Netzwerk aufbauen wollte. Das ist wohl – ich sage das jetzt im doppelten Sinne des Wortes – typisch ordentlich gemacht worden. Da ist Frau Zschäpe notiert, übrigens mit ihrer damaligen Anschrift der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf.
Kaess: Glauben Sie, dass die Kommunikation, von der Sie gesprochen haben, bundesländerübergreifend gewesen ist?
Hahn: Ich muss derzeit davon ausgehen, dass die Kommunikation bundesländerübergreifend gewesen ist. Das ist ja auch – Sie haben die Anzeige angesprochen, die im Oktober in der Biker-Zeitung gewesen ist – dieser zu entnehmen. Eine Reihe von Vollzugsanstalten sind dort angesprochen worden in fast allen Bundesländern mit Justizministern und Senatoren aus fast allen Parteien.
Kaess: Herr Hahn, wir haben vor dem Interview mit Ihnen mit Marjana Schott gesprochen, der Abgeordneten der Linken im hessischen Landtag. Ihre Kritik ist, es gibt zu wenig Personal im Justizvollzugssystem. Zum Beispiel die JVA Hünfeld ist teilprivatisiert, das bezeichnet sie als problematisch. Braucht guter Justizvollzug nicht genügend Personal?
Hahn: Guter Justizvollzug braucht genügend Personal, guter Justizvollzug braucht übrigens auch ordentliche Gebäude, damit auch ein entsprechendes Arbeitsklima entsteht. Die Justizvollzugsanstalt in Hünfeld ist, ich will jetzt nicht lügen, aber vielleicht im zwölften Jahr erst und damit eine baulich sehr moderne, mit einer guten Personalausstattung. Ich halte es für relativ hilflos, wenn nun Landtagsabgeordnetenkollegen – und ich selbst bin ja nicht nur Minister, sondern auch Abgeordneter des hessischen Landtages – es reduzieren auf die Frage, ob genug Personal da ist oder nicht. Ich wiederhole es noch einmal: Wir in Hessen haben es mit dem Personal, das wir in Hünfeld haben, geschafft, belastbares Material vorzulegen, um ein solches Netzwerk, sei es nun schon begonnen, oder sei es im Aufbau, zu zerstören. Darauf sind wir Hessen wirklich stolz.
Kaess: Die Frage muss man ja nicht reduzieren aufs Personal, wie Sie das jetzt gerade gesagt haben. Es stellt sich ja die Frage generell: Haben die hessischen Justizbehörden versagt?
Hahn: Wie kann man versagen, wenn man etwas aufgedeckt hat? Ich verstehe diese Frage beim besten Willen nicht, Frau Kaess.
Kaess: Weil die Aufdeckung offensichtlich etwas spät kommt.
Hahn: Das ist eine Behauptung, die Sie aufstellen und ungeprüft von Frau Schott offensichtlich übernehmen.
Kaess: Sagt Jörg-Uwe Hahn. Er ist hessischer Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident. Danke für das Interview, Herr Hahn.
Hahn: Ich bedanke mich auch. Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.