Der Landtagsabgeordnete erklärte weiter, die AfD verallgemeinere auf unzulässige Weise. Die stellvertretende AfD-Parteivorsitzende Beatrix von Storch hatte gesagt, der Islam sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, und Symbole der Religion sollten aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Über den Kurs der AfD auch zum Islam soll Ende des Monats ein Parteitag entscheiden.
Die Forderung des CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan, eine Art Kirchensteuer für Muslime einzuführen, lehnte Goppel ab. Im Grundgesetz sei festgelegt, wer eine finanzielle Hilfe erhalte. Wenn eine Religion sage, sie sei wichtiger als der Staat, könne sie nicht in den Genuss dieser Hilfe kommen.
Was man im Koran und in Suren lesen könne, bedeute immer - wie es früher auch in Deutschland gewesen sei - dass der geistliche Führer gleichzeitig auch der staatliche Herrscher sei. "Dieses ist ein Prinzip, das in unsere demokratische Rechtsordnung nicht passt."
Das Interview in voller Länge:
Dirk Müller: "Der Islam ist eine politische Ideologie. Der Islam verstößt gegen die Werte des Grundgesetzes." So argumentiert die AfD. Die Empörung quer durch alle etablierten Parteien im Bundestag ist groß. Auch zahlreiche Verbände kritisieren den nächsten Vorstoß von Teilen der Parteiführung jedenfalls als rassistisch, als gefährlich. Die AfD fordert, dass Imame in Deutschland nur noch auf Deutsch predigen oder verkünden dürfen und dass die Moscheen und auch die muslimischen Vereine nicht mehr aus dem Ausland finanziert werden dürfen. Zwei Beispiele, zwei Forderungen, die auch in Bayern vielleicht auf größeres Interesse stoßen dürften, hat CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sich genau diese Punkte auch auf seine Fahnen geschrieben. Wie groß ist die Schnittmenge zwischen AfD und CSU? Gibt es die? Unser Thema nun mit Thomas Goppel, viele Jahre lang Minister im Kabinett von Edmund Stoiber, zuvor auch noch in der Regierungsmannschaft bei Franz-Josef Strauß dabei. Er engagiert sich jetzt für die Katholiken in der CSU. Guten Morgen!
Thomas Goppel: Guten Morgen, Herr Müller! - Ich war auch mal Generalsekretär, der Vorgänger vom Andreas.
Müller: Ich musste mich jetzt für ganz viele Dinge entscheiden.
Goppel: Nein, nein, ist schon gut. Sie müssen sich für gar nichts entschuldigen. Aber das wollte ich Ihnen sagen. In der Parteistrategie bin ich auch nicht ganz doof.
"Tolerant heißt ertragen, dass andere anders sind"
Müller: Deswegen kommen wir heute Morgen zusammen. Ich freue mich auf das Gespräch, Herr Goppel. - Hat die AfD auch manchmal recht?
Goppel: Die AfD hat ganz sicherlich nicht recht, weil sie verallgemeinert. Da wo sie Einzelne in besonderen Fehlhaltungen erwischt, überzieht sie das auf die gesamte politische Landschaft, oder sie verallgemeinert so, dass daraus Vorwürfe gegenüber den Amtierenden und Regierenden werden, die so nicht zulässig sind. Natürlich passieren dort, wo gearbeitet wird, auch der eine oder andere Fehler und die eine oder andere Großzügigkeit wirkt sich am Ende unangenehm aus. Ich diskutiere, seitdem ich der CSU angehöre, immer die Frage nach einer ordentlichen und vernünftigen Form der deutschen Rechtschreibung. Im Norden Deutschlands neigen viele dazu, tolerant mit zwei L zu schreiben, weil es so nah am Kölner Karneval ist. Tolerant heißt ertragen, dass andere anders sind. Das gilt auch bei uns.
Müller: Das gilt auch für die AfD?
Goppel: Ertragen müssen wir es schon. Solange sie sich an die Grundsätze der Verfassung hält, geht es um die politische und gemeinsame Auseinandersetzung miteinander und mit den Thesen der anderen, und das aber heftig und deutlich. Einfach nur sich hinzustellen und zu sagen, die anderen können es nicht, ist zu wenig. Wir merken das, sonst nähme die AfD nicht zu.
Müller: Ich bin jetzt ein bisschen überfordert. Wenn Sie sagen, Verallgemeinerung geht ja gar nicht. Ist das nicht ein Grundaxiom des politischen Diskurses?
Goppel: Nein, jedenfalls nicht in der CSU. Dafür haben wir ein Programm, das zwar gelegentlich bei manchen auch von uns selbst in Vergessenheit gerät. Aber da heißt es, christliches Menschenbild, und das heißt, der andere wird ernst genommen, aber es wird nicht verallgemeinert.
"Es ist Vorsicht geboten"
Müller: Der Islam ist keine politische Ideologie?
Goppel: Er ist eine politische Ideologie dort, wo er so ausgelegt wird, wie es im Koran steht. Das wissen wir ja alle. Dort wo jemand längst in eine andere Betrachtungsweise eingetreten ist, ist das eine unnötige Verallgemeinerung, die zur Verhärtung der Fronten führt. Wir können eine ganze Menge Vertreter auch dieser Religion für uns durchaus gewinnen, aber eine ganze Menge ist nicht ausreichend, um zu sagen, das ist ohne Fehl und Tadel.
Müller: Aber Sie sagen immerhin, es ist eine ganze Menge. Eine problematische Menge?
Goppel: Es ist eine Menge, eine problematische. Solange es eine eigene Staatsführung wie den IS gibt und solange wir erleben, was da für Bilder und für Berichte aus anderen Ecken dieser Welt kommen, die jetzt bis zu uns getragen werden auch in den entsprechenden Attentaten, ist Vorsicht geboten. Wir haben das Problem, dass der eine Teil unserer deutschen Argumentatoren, insbesondere bei Rot und Grün, im Verharmlosen Weltmeister sind - verharmlosen darf man es nicht -, und umgekehrt angegriffen wird nach dem Motto, wenn Du jemand anderem unterstellst, er tut Böses, dann ist das Dein falscher Geist. Das geht auch nicht.
Müller: Wir brauchen die CSU ja oft für die Zuspitzung, um die Dinge auch ein bisschen klarer und deutlicher zu formulieren.
Goppel: Ist ja nicht verkehrt. Wir kommen aus dem Süden. Alles was aus dem Süden kommt, ist ein bisschen deutlicher.
Müller: Wenn wir empirisch einmal vorgehen und klammern die Türkei in Anführungszeichen erst einmal aus, haben Sie empirisch einen muslimischen Staat gefunden, der nicht auf dieser politischen Ideologie fußt?
Goppel: Nein. Ich habe Ihnen vom Prinzip her gesagt, dass die Ausgangspositionen jeweils darin bestehen, wer hat das Sagen. Es gibt Zeiten, bei denen Sie in Ägypten sagen können, es geht daneben und es ist nicht in Ordnung, und dann gibt es wieder umgekehrte Zeiten. Das heißt, auch die anderen Staaten, nicht nur wir in Europa, sind in der Entwicklung und verändern uns. Wir haben viele Jahrhunderte mit den Polen große Schwierigkeiten gehabt, weil wir uns gegenseitig überfallen haben und weil wir nicht aufgepasst haben, dass man an einer solchen Stelle sehr wohl sehr behutsam mit dem Nachbarn umgehen muss, aber dasselbe passiert in anderen Teilen der Welt. Das zu verurteilen, ist nicht unser Geschäft. Zu verhindern, dass es wieder zu der Prädominanz der politischen Umgangsformen miteinander kommt, das müssen wir tun.
"Wir sind in vielen Punkten das Original"
Müller: Reden wir, Herr Goppel, noch mal über diese zwei konkreten Punkte, die ich in der Anmoderation schon genannt habe. Imame müssen Deutsch reden, eine Forderung, und Verbot der Auslandsfinanzierung von Moscheen. Findet sich auch bei Andreas Scheuer wieder. Das heißt, hier haben wir doch eine klare Schnittmenge?
Goppel: Das würde ich aber dann bitte immer von der Seite aus sehen, an der die Schnittmenge ansetzt. Die Frage nach der deutschen Sprache, die Imame brauchen, ist eine, die kommt von uns und die AfD hat sie übernommen. Die Tatsache, dass sie sie übernimmt, ist noch lange nicht der Beleg dafür, dass wir gleich denken.
Müller: Die CSU ist auch hier das Original?
Goppel: In dem Fall. Nicht auch hier. Sie ist in diesem Fall das Original. Wir sind in vielen Punkten der Diskussion unserer Tage wirklich das Original. Alles was in der CDU nachdenklich formuliert wird in diesen Tagen, nach dem September 2015, sind Originaltöne der CSU.
Müller: Imame müssen Deutsch reden, um dabei zu bleiben, heißt Arabisch-Sprechverbot in Moscheen.
Goppel: Sicherstellen: Dass das, was andere bei uns als These beziehungsweise als Norm für ihre eigene Umgangsform erklären, muss bei uns auf Deutsch erklärt werden und nicht auf irgendeinem sonst gewählten Kauderwelsch.
"Wir wollen, dass wir miteinander zurechtkommen"
Müller: Jetzt weiß ich gar nicht, ob Sie sich für Südtirol kämpferisch engagiert haben. Jetzt müssen die Deutsch sprechenden Südtiroler dort auch Italienisch sprechen wie früher?
Goppel: Sie wissen ja genau, wie das nach dem Krieg gewesen ist. Da haben die Italiener das eingefordert, gemerkt, dass sie an der Stelle überziehen, und haben es auch wieder weggenommen, wobei inzwischen Deutsch und Italienisch so nebeneinander stehen, dass das kein Problem ist. Aber dass wir verstehen werden, was in der Moschee in Istanbul gesagt wird, ist ja wohl ein Gerücht, oder?
Müller: Ja, ja. Aber es geht ja um die Moschee beispielsweise in München. Das heißt, da soll jetzt definitiv Deutsch gesprochen werden, damit wir es verstehen?
Goppel: Nicht, damit wir es verstehen, sondern damit niemand untereinander Vereinbarungen treffen kann und will, im öffentlichen Raum Vereinbarungen treffen kann, von denen wir nicht wissen, wie sie sich auf uns auswirken. Wir wollen, dass wir miteinander zurechtkommen. Wir haben ja noch viele andere solche Dinge. Die Burka ist ein ähnlicher Fall. In allen unseren Nachbarstaaten ist inzwischen das Verbot ausgesprochen, Frankreich et cetera. Wir sagen, das ist Freiheit. Ich persönlich sage Ihnen, wer der Polizei auferlegt, Nummern anzulegen, kann nicht gleichzeitig auf der anderen Seite sagen, aus religiösen Gründen hängen wir uns alles zu, was nur erkennbar macht, dass wir eine eigene Identität haben.
Müller: Sie haben ja immerhin das Kopftuchverbot an bayerischen Schulen durchgesetzt.
Goppel: Ja das ist wieder ein kleiner Unterschied, dass an einer Stelle unter Umständen etwas dann nicht anders gemacht wird, wobei ich sagen muss, so durchgesetzt ist es nicht, denn wenn unsere Klosterschwestern ihre normale Haube aufhaben, hat niemand was dagegen. Die Frage ist, ob jemand sich unkenntlich macht.
"Wir interessieren uns gegenseitig nicht mehr"
Müller: Imame müssen Deutsch reden, noch mal darauf zurückzukommen. Mir ist gerade eingefallen und ein Kollege hat mich auch darauf hingewiesen. Es gibt ja schon ganz viele Imame, die Deutsch sprechen.
Goppel: Da haben wir ja auch nichts dagegen. Ist ja in Ordnung.
Müller: Wir kennen ja auch radikale Islamisten. Das heißt, es bringt ja vielleicht nicht viel. Pierre Vogel nenne ich da oder Sven Lau, das sind ja ganz umstrittene Prediger, Imame, Hassprediger nennen sie viele. Da reden ja schon viele Deutsch, ändert nichts am Problem.
Goppel: Das ändert schon was am Problem, denn die Verfolgung wird aufgenommen in dem Augenblick, wo ich weiß, was der andere getan hat. Wenn ich etwas nicht kenne, kann ich ja überhaupt nirgends und an keiner Stelle ihm zu nahe treten oder so nahe treten, dass daraus keine Folgerungen entstehen. Die Schwierigkeit besteht doch in unseren Tagen darin, dass wir uns gegenseitig nicht mehr interessieren, den anderen tun lassen, und wenn er uns dann überfällt und uns schwierig wird, dann meinen wir, jetzt hätten wir aber ein Recht, was zu tun. Wehret den Anfängen ist kein Satz, den ich erfunden habe.
Müller: Dann halten wir das mal fest, Herr Goppel, und gehen gleich weiter. Das heißt, die Imame müssen demnächst Deutsch sprechen und sie dürfen auch nicht mehr vom Ausland finanziert werden. Wie sollen sie sich dann finanzieren?
Goppel: Das wird man in der Form sicherlich so nicht realisieren können. Aber dass insgesamt der saudische Oberchef anfängt, bei uns hier Kirchen zu bauen, und dabei auch außer Kontrolle all die Dinge wahrzunehmen, halte ich für eine diskutable und wichtige Ansatzweise, in der Diskussion ein Stück weiterzukommen. Ob wir das zur Regel machen, weiß ich jetzt noch nicht, steht in der Diskussion.
Müller: Meinten Sie jetzt Kirche oder Moschee?
Goppel: Nein, wir reden von den Moscheen. Und davon abgesehen: Ich bitte um Nachsicht. Aber wenn man selber eine Kirchenvorstellung hat, in der Staat und Kirche getrennt sind, ist das was anderes. Wenn die Kirche über der Moschee den Staat ersetzt, reden wir von zwei unterschiedlichen Schuhen zwar ein und desselben Paares, aber einer völlig anderen Entwicklung. Weil Sie das wissen, finde ich die Frage schofel.
Vorschlag von Scheuer: "Eine richtige Ansatzdiskussion"
Müller: Dann stelle ich noch eine schofelige Frage, wenn Sie mir gestatten.
Goppel: Nur zu!
Müller: Sie sagen, die Saudis dürfen das nicht. Dürfen das denn die Türken nach wie vor, DITIB, die Vereine? Dürfen die ihre Moscheen finanzieren?
Goppel: Sie können alles so differenzieren in einem Telefonat, dass man am Ende an der einen Seite angegriffen werden kann, weil man zu einseitig ist, und an der anderen, weil ich zu großzügig wäre. Dass die Frage diskutiert werden muss, ob Kirche politische Zielsetzungen bei sich zum Hauptthema ernennt und die Politik der Kirche unterordnet, ist eine Frage, die jeder von uns zu erörtern hat. Wenn unser Generalsekretär, mein Nachfolger, wenn Sie so wollen, Nach-, Nach-, Nach-, Nachfolger, wenn der Generalsekretär sagt, er will nicht, dass Kirche an die Stelle des Staates tritt und umgekehrt, dann ist das eine richtige Ansatzdiskussion. Und wenn sie geführt werden muss, dann wollen wir sie differenziert ausführen und nicht so pauschal von vornherein sagen, oh, da geht einer zu weit.
Müller: Ja, ja. Deswegen wollte ich ja fragen, um von der Verallgemeinerung, wie Sie ja gleich zu Beginn unseres Interviews gesagt haben, ein bisschen wegzukommen.
Goppel: Ich bitte um Entschuldigung.
Müller: Auslandsfinanzierung könnte man, sollte man verbieten. Da würden Sie noch mitgehen. Dann meine Frage: Wie können sich Moscheen, wie können sich die Gemeinden dann finanzieren? Vielleicht mit einer Moscheensteuer, ähnlich der Kirchensteuer, oder wie soll das funktionieren?
Goppel: Nein, da bin ich genau derselben Meinung. Eine Sache, die wir auf der Basis unseres Grundgesetzes vereinbart haben, sagt genau, welche Form der Kirche eine staatliche Hilfestellung bei ihrer Finanzierung bekommt. Es geht nur um eine Hilfestellung. In dem Moment, wo die kirchliche Seite von sich aus sagt, sie sei wichtiger als der Staat, kommt sie unter dieser Überschrift auf jeden Fall nicht in den Genuss einer entsprechenden staatlichen Hilfe. Das ist meine Überzeugung.
"Ein Prinzip, das nicht in unsere demokratische Rechtsordnung passt"
Müller: Wenn die Moscheen das tun würden und sagen, wir unterstehen dem Primat des Staates, dann müssen wir überlegen, ob wir ein bisschen finanziell helfen?
Goppel: Nein, nein. Wir müssen da ja vom Prinzip ausgehen, das was Sie im Koran und Suren und was weiß ich was überall zu lesen kriegen, bedeutet immer das, was bei uns ja früher durchaus auch war, dass der Kardinal oder der Bischof gleichzeitig dann auch der staatliche Herrscher und Chef war, dass das dann wieder eingeführt wird, wobei nicht die Wahl entscheidet, sondern die vorherige Ernennung. Dieses ist ein Prinzip, das in unsere demokratische Rechtsordnung nicht passt. Sie können auch sagen, nicht mehr, schon lange nicht mehr.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der CSU-Politiker Thomas Goppel. Danke, dass Sie Zeit gefunden haben, und vielen Dank für die offenen Worte.
Goppel: Gern, Herr Müller. Eine gute Zeit, Servus.
Müller: Gleichfalls.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.