Samstag, 20. April 2024

Archiv

AfD auf Anti-Islam-Kurs
"Noch keine Gefahr, dass wir einer Islamisierung zum Opfer fallen"

Mit ihrem Anti-Islam-Kurs verhetze und polarisiere die AfD die Gesellschaft, sagte Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CSU, im DLF. Er behaupte zwar nicht, dass der Islam zu Deutschland gehöre, aber die über vier Millionen Moslems schon. Die würden ausgegrenzt, wenn man den Islam, wie die AfD, als Fremdkörper in Deutschland bezeichne und das sei "abgrundtief falsch".

Stephan Mayer im Gespräch mit Martin Zagatta | 18.04.2016
    Martin Zagatta: Der Islam sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. So verlautet es jetzt aus der AfD. Die Alternative für Deutschland will offenbar mit einem Anti-Islam-Kurs auf Stimmenfang gehen, ein Unterfangen, das ihr heftige Kritik aus anderen Parteien eingetragen hat. Mitgehört hat Stephan Mayer, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Mayer.
    Stephan Mayer: Grüß Gott, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Mayer, vielleicht ist da einiges überzogen an den Forderungen der AfD. Aber ist das nicht ein Thema, das viele Menschen nicht nur bewegt, sondern auch ein Unbehagen, bei dem die AfD vielen auch aus dem Herzen spricht?
    Mayer: Das glaube ich so nicht. Ich glaube, dass die AfD mit diesen Parolen wirklich Öl ins Feuer gießt und auch die Gesellschaft verhetzt und polarisiert. Es wäre grundweg falsch, den Islam hier als Fremdkörper in Deutschland zu bezeichnen und ihn als Ideologie zu verunglimpfen. Natürlich gibt es Integrationsprobleme mit Muslimen in Deutschland und natürlich ist Deutschland über Jahrhunderte hinweg geprägt worden durch das Christentum und durch das Judentum. Aber jetzt über vier Millionen Moslems, die in Deutschland leben, hier so zu diskreditieren, das trägt in wirklich nicht verantwortlicher Weise zur Polarisierung unserer Gesellschaft bei, und dem gilt es einfach deutlich entgegenzutreten.
    "Ich würde nicht behaupten, dass der Islam zu Deutschland gehört"
    Zagatta: Aber wenn jetzt Stimmen aus der AfD das betonen, der Islam gehört nicht zu Deutschland, dann stimmt diese Aussage doch nach einer Allenspach-Umfrage oder nach mehreren Umfragen von Meinungsforschungsinstituten mit dem überein, was auch eine Mehrheit der Deutschen offenbar denkt. Wie ist das mit Ihnen? Gehört der Islam zu Deutschland?
    Mayer: Ich würde nicht behaupten, dass der Islam zu Deutschland gehört, aber ich würde auf jeden Fall behaupten, dass über vier Millionen Moslems zu uns gehören, zur deutschen Gesellschaft gehören. Wenn man sie aber so verunglimpft, dass man den Islam als Ideologie diskreditiert und ihn als Fremdkörper in unserem Land bezeichnet, dann grenzt man damit über vier Millionen Menschen in Deutschland aus. Und das ist abgrundtief falsch und man sieht deutlich, dass die AfD mit diesen Parolen auch ganz bewusst provozieren will, und dem gilt es auch deutlich entgegenzutreten. Vor allem, wenn dann die AfD so weit geht, zumindest in ihrem Entwurf für das Grundsatzprogramm, und den Bau von Moscheen auch infrage stellt, auch von Minaretten, dann sieht man auch ganz deutlich, dass sie grundlegende Probleme hat mit unserem Grundgesetz, mit der Religionsfreiheit. Das ist aus meiner Sicht wieder ein weiterer Beleg dafür, dass die AfD zumindest in Teilen eine undemokratische und extremistische Partei ist.
    "Natürlich muss man sich dem Thema Integration zuwenden, aber nicht in einer polarisierenden Art"
    Zagatta: Aber manches von dem, was die AfD jetzt konkret fordert - Sie haben jetzt zwei Punkte herausgegriffen; es gibt da noch andere Punkte, zum Beispiel, dass Imame nur auf Deutsch predigen sollen, oder dass man die Auslandsfinanzierung von Moscheen nicht will -, vieles von dem deckt sich doch mit dem, was die CSU gerade vorgeschlagen hat. Ihre Partei will ja auch ein Islam-Gesetz.
    Mayer: Entscheidend kommt es darauf an, dass wir natürlich einen intensiven Dialog mit dem Islam führen, und insbesondere jetzt auch die Neuankömmlinge, die nach Deutschland kommen. 70 Prozent aller Flüchtlinge sind Moslems. Natürlich muss man sich dem Thema Integration zuwenden, aber nicht in einer polarisierenden Art, sondern in einer integrativen Art, natürlich auch verbunden mit klaren Erwartungshaltungen. Ich bin ja gar nicht fern von der Vorstellung oder auch von der Forderung, klar zu sagen, dass es nicht nur die Aufgabe der aufnehmenden Gesellschaft ist, Integrationsangebote zu unterbreiten in Form von Deutsch- oder von Orientierungskursen, sondern dass es natürlich auch die klare Erwartungshaltung der deutschen Gesellschaft gibt, dass sich Neuankömmlinge, Flüchtlinge und natürlich auch Moslems in Deutschland integrieren und auch von diesen Angeboten Gebrauch machen. Deshalb darf sehr wohl die deutsche Gesellschaft eine Erwartungshaltung hegen gegenüber Moslems. Aber in der Art, wie jetzt die AfD hier polarisiert und die Gesellschaft verhetzt und spaltet, das ist aus meiner Sicht der absolut falsche Weg.
    Zagatta: Bleiben wir bei den beiden Punkten, die die AfD ja auch fordert. Imamen in den Moscheen soll vorgeschrieben werden, dass sie nur auf Deutsch predigen dürfen, und man will auch nicht mehr, dass Moscheen aus dem Ausland finanziert werden. Dem würden Sie auch zustimmen?
    Mayer: Man muss natürlich sehen, dass man hier nicht eine Religion jetzt diskriminieren kann. Deswegen gilt es natürlich, diesen Dialog zu führen, auch die Frage zu erörtern, …
    "Man kann nicht eine Religion diskriminieren"
    Zagatta: Das ist ja kein Dialog. Das sind ja klare Forderungen an bestehende Strukturen. Das habe ich jetzt dem Entwurf entnommen oder dem, was CSU-Generalsekretär Scheuer in der vergangenen Woche gefordert hat.
    Mayer: Wichtig ist, dass man natürlich Dinge dann auch so umsetzt, dass sie einer möglichen Klage vor dem Verfassungsgericht standhalten. Deswegen bin ich dezidiert der Auffassung, dass man nicht eine Religion hier diskriminieren kann gegenüber anderen Religionen. Wenn man die Auslandsfinanzierung unterbindet, dann würde dies natürlich auch für alle anderen Religionsgemeinschaften gelten. Wenn man fordert, dass im Ausland unterrichtete oder ausgebildete Religionslehrer nicht in Deutschland predigen dürfen, dann würde dies natürlich auch für andere Religionen gelten. Wie gesagt: Ich glaube, man sollte sich natürlich auf einen intensiven Dialog mit dem Islam konzentrieren. Nur wenn es dann ganz konkret darum geht, Gesetze zu initiieren, dann muss man aus meiner Sicht schon wirklich auch darauf achten, dass diese entsprechend verfassungsgemäß sind.
    Zagatta: Sie haben Zweifel, was Ihre eigene Parteiführung, Ihr Generalsekretär vorgeschlagen hat? Daran zweifeln Sie, dass es umzusetzen ist?
    Mayer: Ich habe den Vorstoß von Generalsekretär Scheuer insoweit begrüßt, als dass er natürlich klar auch eine Erwartungshaltung gegenüber dem Islam und auch gegenüber den Moslems in Deutschland in den Raum gestellt hat. Aber was dann konkrete Themen anbelangt und diese dann auch entsprechend in Gesetze umzusetzen, da muss man schon wirklich genau sehen, wer ist für was zuständig. Für die Anerkennung von Religionsgemeinschaft ist nicht der Bund in Deutschland zuständig, sondern sind die Länder zuständig. Ich sehe auch gar nicht die Zuständigkeit für ein etwaiges Islam-Gesetz beim Bundesgesetzgeber, sondern das wäre allein in der Hoheit der Länder. Man muss sich wirklich immer im Einzelnen dann konkret ansehen, wer ist für was zuständig und was ist konkret auch im Lichte unserer Verfassung umsetzbar.
    "Probleme beim Namen nennen"
    Zagatta: Herr Mayer, wenn man sich diese Diskussion jetzt anschaut - die AfD ist jetzt in Umfragen schon bundesweit bei zwölf Prozent -, müssen Sie nicht befürchten, weil ja viele Menschen dort Bedenken haben, gegen Auswüchse des Islam sollte man vorgehen, diese Meinung vertreten ja viele, dass diese Forderungen, wenn die anderen Parteien sie so ausklammern, dass das der AfD noch weiteren Zulauf beschert?
    Mayer: Wir haben natürlich Probleme mit der Flüchtlingskrise und die Flüchtlingskrise ist noch lange nicht gemeistert, und ich bin sehr wohl immer einer derjenigen gewesen und werde dies auch weiterhin sein, der offen dafür wirbt, dass man die Probleme beim Namen nennt. Wenn man die Probleme kaschiert, wenn man so tut, als gäbe es diese Probleme, auch was das Thema Integration anbelangt, nicht, dann würde man genau das tun, was die AfD stark macht, nämlich Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten zu schütten. Nur ich halte es genauso für überzogen, jetzt von einer Islamisierung unseres Landes zu sprechen. Es gibt doch noch eine deutliche Mehrheit in unserem Land, die konfessionell christlich gebunden ist. Also ich sehe noch keine Gefahr, dass wir hier jetzt einer Islamisierung zum Opfer fallen. Ich plädiere sogar für eine klare aufrechte Haltung der Christen in Deutschland. Wer sich zu christlichen Werten bekennt, der sollte dies auch öffentlich tun. Ich glaube, nicht die Moslems sind die Gefahr für Deutschland, sondern eine vielleicht zu weit ausgeprägte Toleranz und vielleicht auch nicht gelebte christliche Werte von konfessionell gebundenen Deutschen ist eher das Problem. Deswegen muss man, glaube ich, auch immer wieder deutlich machen, wo die AfD bei Weitem überzieht und aus meiner Sicht wirklich unser Land, unsere Gesellschaft in unverantwortlicher Weise spaltet.
    Zagatta: Und die Befürchtung, dass diese ganze Diskussion, die wir jetzt hier führen, der AfD bei Wählerstimmen noch zugutekommt, die hegen Sie nicht?
    Mayer: Nein, weil genau das Gegenteil, glaube ich, der AfD Auftrieb verleihen würde. Wenn man sich jetzt nicht dem deutlich entgegenstellt, dann könnte man damit natürlich auch zumindest mittelbar den Eindruck vermitteln, na ja, die AfD hat Recht. Wie gesagt, man muss Probleme, die es gibt auch mit Flüchtlingen und auch im Bereich der Flüchtlingskrise, deutlich beim Namen nennen. Man darf nichts schöner malen als es ist. Aber man darf mit Sicherheit auch die Probleme nicht künstlich eskalieren lassen und insbesondere durch vollkommen verfassungswidrige Forderungen hier unsere Gesellschaft spalten und auch die Bevölkerung in Angst versetzen, wo wirklich überhaupt keine Substanz gegeben ist.
    Zagatta: Danke schön für dieses Gespräch! Stephan Mayr war das, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, heute zum Ende dieser "Informationen am Mittag".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.