André Fuhr gegen den Deutschen Handballbund. So steht es auf dem Aushang vor Saal 247 im Dortmunder Landgericht. Richterin Dagmar Wohlthat brauchte gerade einmal zehn Minuten um ein Urteil zu verkünden, das Gerichtssprecherin Nesrin Öcal so zusammenfasst: "Die Kammer hat den Beklagten dazu verurteilt, die Arbeit ihrer Aufarbeitungskommission zu beenden und gleichzeitig ein Verfahren einzuleiten, wie es nach der Trainerordnung der Verbandsstatuten vorgesehen ist."
Niederlage für DHB im Verfahren gegen Handballtrainer Fuhr
Der Beklagte ist der Deutsche Handballbund. Der hat damit die juristische Auseinandersetzung mit dem Handballtrainer André Fuhr um die Rechtmäßigkeit der Aufarbeitungskommission verloren. Die Kommission habe - laut Gericht - nicht die Absicht gehabt, den Trainer mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu konfrontieren, "sodass sich für den Kläger die Gelegenheit ergeben hätte, zu konkreten gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen".
Für Markus Buchberger, Anwalt von André Fuhr, hat das Landgericht klargemacht, dass der DHB selbst unparteilich und in einem rechtsstaatlichen Verfahren aufklären müsse, was tatsächlich geschehen sei und erst danach eine Kommission aufarbeiten lassen dürfe, so Buchberger gegenüber der dpa.
Kerstin Claus, Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung betont nach dem Urteil erneut, Aufarbeitung solle gerade nicht gerichtliche Verfahren ersetzen und dass "dementsprechend auch nicht im Fokus stehen muss, auch Beschuldigte im Rahmen von Aufarbeitungskommissionen anzuhören. Das ist letztlich eine arbeitsrechtliche Frage und gegebenenfalls eine disziplinarrechtliche Frage und vom Aufgabenprofil von Aufarbeitungskommissionen zu trennen."
Vorwürfe können nicht aufgearbeitet werden
Mit der heutigen Entscheidung kann die Aufarbeitungskommission Handball die Vorwürfe nicht untersuchen, die vor circa zwei Jahren öffentlich wurden: Damals hatten sich zahlreiche Handballspielerinnen bei der Anlaufstelle"„Anlauf gegen Gewalt" gemeldet. Ihrem ehemaligen Trainer André Fuhr hatten sie unter anderem psychische Gewalt vorgeworfen. Er habe Grenzen verletzt und seine Macht missbraucht. Einige Athletinnen hatten ihre Vorwürfe zuerst im Magazin Spiegel öffentlich gemacht.
Der Deutsche Handballbund hatte daraufhin eine unabhängige Kommission beauftragt, die die Vorwürfe gegen den seinen damaligen U20-Trainer Fuhr zu untersuchen sollte.
Zu den von Spielerinnen erhobenen Anschuldigungen hat sich der Trainer bislang nur vage geäußert. In einem Interview mit der Sport-Bild erklärte er im vergangenen Jahr unter anderem, viele Vorwürfe kenne er nur aus den Medien. Zum Teil habe er daran keine oder eine andere Erinnerung. Auch auf eine aktuelle Anfrage des Deutschlandfunks möchte sich André Fuhr nicht öffentlich äußern.
Handballerin Ernsberger: Bereit, weiter mitzuhelfen
Anja Ernsberger ist eine der Spielerinnen, die Vorwürfe gegen André Fuhr erhoben haben. Sie sagt, trotz dieses Urteils hätten Betroffene in allen Sportarten eine Aufarbeitung verdient, und: "eine Untersuchung weiter fortzuführen und im Zweifelsfall auch eine Sanktionierung der Geschehnisse. Und da kann der Handball ein Vorbild sein und meines Erachtens auch einen neuen Meilenstein, was die Prävention im Sport angeht, setzen. Und da bin ich als Anja Ernsberger auf jeden Fall bereit weiter mitzuhelfen und Rede und Antwort zu stehen."
Andere mutmaßlich Betroffene halten das Urteil für skandalös und äußern gegenüber dem Deutschlandfunk: "Es ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der Opfer und zeigt, dass der Weg zu echtem Opferschutz in unserer Gesellschaft länger, statt kürzer wird."
Der Deutsche Handballbund hat angekündigt, das Urteil zu prüfen und dann zu entscheiden, ob er in Berufung geht.