
Nach erfolglosen Aufforderungen zum freiwilligen Parteiaustritt hat die CDU am 13.02.2023 bekannt gegeben, den früheren Verfassungsschutzchef und aktuellen Chef der Werteunion, Hans-Georg Maaßen, aus der Partei auszuschließen und das Verfahren hierfür einzuleiten. Der Beschluss hierfür sei einstimmig erfolgt, teilte der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz im Anschluss an eine Sitzung der Parteigremien in Berlin mit. Maaßen sollen zudem mit sofortiger Wirkung die Mitgliederrechte entzogen werden.
Das CDU-Präsidium hatte Maaßen ursprünglich ein Ultimatum zum Parteiaustritt bis zum 5. Februar gestellt, dass der ehemalige Verfassungsschutzpräsident verstreichen ließ. Bis zum 9. Februar hatte Maaßen dann die Gelegenheit, eine schriftliche Stellungnahme an die CDU-Spitze einzureichen, die der dpa vorliegt. Darin lehnt Maaßen ein Verfahren zum Parteiausschluss ab und greift die CDU-Führung massiv an. Es lägen keine materiellen Gründe dafür vor. Mehr noch: Die Austrittsaufforderung sei rechtswidrig.
Am 31. Januar hatte Maaßen die CDU im Dlf als seine politische Heimat bezeichnet. Er betonte im Interview, er habe viele Freunde unter den Christdemokraten. Viele einfache Mitglieder sowie seine Parteifreunde in Südthüringen stünden hinter ihm. Vorwürfe, er würde völkisches Gedankengut verbreiten, wies Maaßen als ehrabschneidend und „pure Behauptungen“ zurück.
Wer ist Hans-Georg Maaßen?
Der gebürtige Mönchengladbacher ist Jurist. Ab 1991 arbeitete er in verschiedenen Funktionen im Bundesinnenministerium – unter anderem als Referent für Ausländerangelegenheiten. 2012 bis 2018 war Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Seine Amtszeit war geprägt durch Debatten unter anderem über Fehler des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex sowie durch die NSA-Überwachungsaffäre.
Auslöser dafür, dass Maaßen 2018 seinen Posten räumen musste, waren Äußerungen, in denen er bezweifelt hatte, dass es nach der Tötung eines Deutschen in Chemnitz zu "Hetzjagden" auf Ausländer gekommen war. Verschiedene Politiker werteten Maaßens öffentliche Verlautbarungen, für die er keine Belege nannte, damals als Spekulationen, als Verharmlosung der Vorfälle oder auch als Verschwörungstheorie.
2021 scheiterte der Jurist bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat in Thüringen. Im Januar 2023 wurde er zum Chef der rechtskonservativen Werteunion gewählt, einer Gruppierung konservativer Christdemokraten, die kein offizieller Teil der CDU ist.
Für welche politische Richtung steht Maaßen?
Maaßen ist Chef der als besonders konservativ geltenden Werteunion. Wiederholt hatte er sich in der Vergangenheit gegen die Flüchtlingspolitik der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) positioniert. Im Interview mit dem Deutschlandfunk am 31. Januar 2023 kritisierte er den Linksruck, den die Bundesrepublik durchlaufen habe: "Ich sehe Deutschland in Teilen in einem Niedergang begriffen. Ich sehe, dass wir hier eine grün-woke Dominanz haben, was die Sprache angeht, die Medien angeht, die Kultur angeht, und meine Erwartung wäre, dass eine CDU, die zurückfindet zu den Grundsatzpositionen von Kohl und Adenauer, diese Politik wieder umgestalten kann."
Parteipolitische Gegner und politische Beobachter werfen Maaßen eine mangelnde Abgrenzung gegenüber der AfD und Antisemitismus vor.
Maaßen hatte in einem Tweet behauptet, Stoßrichtung der „treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum“ sei ein „eliminatorischer Rassismus gegen Weiße“. In einem Interview sprach er zudem von einer „grün-roten Rassenlehre“. Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, warf ihm daraufhin „klassische rechtsextreme Schuldumkehr“ und eine Verharmlosung des Holocausts vor. Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Nachfolger Maaßens, verwies im Dlf-Interview auf Bewertungen des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein und anderer, die in diesen Äußerungen eindeutig antisemitische Inhalte sähen.
Im vergangenen Bundestagswahlkampf gab Hans-Georg Maaßen das Ziel aus, der AfD Stimmen abjagen zu wollen. Zuvor hatte er sich aber auch unter anderem dafür ausgesprochen, in Thüringen die Wahl eines CDU-Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen, um in dem Bundesland die rot-rot-grüne Regierung abzulösen.
Laut einem Bericht des "Spiegel" bremste Maaßen als Verfassungsschutzpräsident seinerzeit eine frühe Befassung seiner Behörde mit der AfD aus: Bei einem Treffen der Amtsleiter 2016 soll der Chef eines Landesamts gefragt haben, warum im Fall der AfD noch nichts unternommen werde. Die Äußerungen des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke zum Beispiel genügten doch für einen Prüffall. Maaßen habe geantwortet, dass da nichts sei, also nichts gemacht werde.
Der Weg zum Parteiausschluss
Forderungen nach einem Parteiausschluss in der CDU waren bereits im Juli 2021 aufgeflammt, nachdem Hans-Georg Maaßen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen klaren Linksdrall vorgeworfen hatte. Er sprach damals von Verbindungen von Mitarbeitern – auch bei der „Tagesschau“ – zur linken und linksextremen Szene und forderte, Biografien einiger Redakteure zu überprüfen. Belege nannte er dafür damals nicht. Diese Äußerungen stießen auch bei mehreren Parlamentariern der Unionsparteien auf Kritik und Unverständnis.
Am 30. Januar 2023 hatte das CDU-Präsidium Maaßen einstimmig zum Austritt aus der Partei aufgefordert und dazu eine Frist bis zum 5. Februar gesetzt. Maaßen verstoße laufend gegen Grundsätze und Ordnung der Partei, heißt es in einem Text, den das Gremium verabschiedete. Immer wieder gebrauche er die Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen, erklärte das Präsidium weiter. Maaßen ließ die Frist jedoch verstreichen.
Das CDU-Präsidium hat sich danach einstimmig dafür ausgesprochen, ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen einzuleiten. Bis zum 9. Februar hatte Maaßen die Gelegenheit, schriftlich dazu Stellung zu nehmen. Dies tat er nach eigenen Angaben kurz vor Ablauf der Frist. In einem 26 Seiten umfassenden Schreiben weist er nach Informationen der dpa alle Vorwürfe parteischädigenden Verhaltens zurück. Das Vorgehen sei rechtswidrig und "ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und die innerparteiliche Demokratie". Er sei aber dazu bereit, eine Verwarnung zu akzeptieren.
Am 13. Februar leitete die CDU schließlich in einer Sitzung der Parteigremien einstimmig ein Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ein. Maaßen würden zudem mit sofortiger Wirkung die Mitgliederrechte entzogen, so der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz.
Ein schneller Parteiausschluss ist allerdings unwahrscheinlich. Laut Parteiengesetz kann ein Mitglied nur ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt. Ob dies zutrifft, müssen die Schiedsgerichte der Partei entscheiden. Dies kann jedoch lange dauern, wie das Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin zeigt. 2010 hatte die SPD erstmals versucht, Sarrazin auszuschließen. Doch erst 2020 musste er die Partei wirklich verlassen.
Forderung nach Unvereinbarkeitsbeschluss
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien sprach sich dafür aus, eine Mitgliedschaft in der Werteunion mit einer Mitgliedschaft in der CDU für unvereinbar zu erklären. Die Werteunion wolle den Diskurs in der Partei deutlich nach rechts in Richtung AfD verschieben, sagte Prien der "Süddeutschen Zeitung". Dass die Werteunion Maaßen zu ihrem Vorsitzenden gewählt hat, belege nach vielen weiteren Entgleisungen endgültig, dass eine Mitgliedschaft nicht zu christdemokratischen Werten passe, betonte Prien. Ähnlich äußerte sich ihr Parteikollege Roderich Kiesewetter auf Twitter. Mit einem Unvereinbarkeitsbeschluss würde sich auch das „Problem“ Maaßen erledigen. Die Jugendorganisation der CDU, die junge Union, hat einen solchen Beschluss bereits im Oktober 2021 gefasst.
Ein Unvereinbarkeitsbeschluss für die CDU kann allerdings nur vom Bundesparteitag erlassen werden. Und im Jahr 2023 ist kein Bundesparteitag mehr geplant, auch auf diesem Wege gibt es also keine schnelle Lösung.
Maaßens Vorgänger im Amt des Werteunion-Vorsitzenden, Max Otte, war bei der letzten Bundespräsidentenwahl als Kandidat der AfD angetreten. Mittlerweile ist er aus der CDU ausgeschlossen worden. Das Verfahren gegen Otte hat nur etwa ein halbes Jahr gedauert, Otte hatte gegen die Entscheidung des Parteigerichts allerdings auch keinen Einspruch erhoben.
(Quellen: Deutschlandfunk, Henry Bernhard, dpa)