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Haushaltsexperte: Bürgschaft für die Hypo Real Estate schützt Geld der Steuerzahler

Die 26-Milliarden-Euro-Bürgschaft des Bundes für die angeschlagene Hypo Real Estate birgt für den Steuerzahler ein geringes Risiko, sagt der Obmann im Haushaltsausschuss des Bundestages, Steffen Kampeter (CDU). Garantien des Bundes seien bislang zu deutlich weniger als fünf Prozent in Anspruch genommen worden, so Kampeter.

Steffen Kampeter im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: In den Vereinigten Staaten geht das Ringen um das 700 Milliarden Dollar Rettungspaket weiter. Heute schon will der Senat entscheiden, das Repräsentantenhaus nimmt morgen einen neuen Anlauf. Die Milliarden-Bürgschaft der Bundesregierung für den angeschlagenen Münchener Immobilien- und Staatsfinanzierer Hypo Real Estate muss der Bundestag dagegen nicht abnicken, aber übergehen will die Bundesregierung die Parlamentarier denn doch nicht. Gestern hat Finanzminister Peer Steinbrück bei den Fraktionen für die Bürgschaft geworben und anschließend stand er dem Haushaltsausschuss Rede und Antwort. Einigkeit - so wird der Vorsitzende Otto Fricke (FDP) zitiert - habe darüber geherrscht, dass die Hypo Real Estate gerettet werden müsse. - Mit dabei war Steffen Kampeter, Im Haushaltsausschuss Obmann der CDU/CSU-Fraktion, und der ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Steffen Kampeter: Guten Morgen aus Berlin.

    Schulz: Herr Kampeter, der Bund soll bürgen für rund 26 Milliarden Euro. Wie hoch beziffern Sie die Wahrscheinlichkeit, dass der Bund tatsächlich für diesen Betrag einstehen muss?

    Kampeter: Gering, denn der Rettungsplan, den Herr Steinbrück und der Bundesbankpräsident Weber gestern dem Parlament und den Fraktionen vorgestellt hat, unterscheidet sich ja ganz wesentlich von den Lösungsansätzen in den USA, die ja ein 700-Millionen-Programm aus dem Haushalt finanzieren, den englischen Lösungsansätzen, die die alle verstaatlichen, und den Benelux-Ländern, wo einfach aus den dortigen Haushalten Gelder finanziert werden. Wir geben eine Garantie, um ein an sich solides Unternehmen, was unter der Liquiditätsklemme leidet, nicht in die Insolvenz gehen zu lassen, und versuchen so den Steuerzahler zu schützen. Es wurde gestern in den Beratungen insbesondere durch den Bundesbankpräsidenten dargelegt, dass eine Insolvenz für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die teuerste aller Lösungen wäre.

    Schulz: Herr Kampeter, gering heißt weniger als fünf Prozent?

    Kampeter: Ich habe wie Sie wahrscheinlich nicht die Gabe der Prophetie. Wenn die gemeinsamen Rettungsaktionen das Ziel erreichen, Liquidität in den Märkten zu sichern, Vertrauen wieder zu gewinnen, die Finanzmärkte wieder auf Kurs zu bringen, dann ist das sicherlich zutreffend, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit deutlich in der Nähe dessen liegt, was Sie sagen, und nicht bei 100 Prozent.

    Schulz: Aber wenn diese Ausfallgefahr so gering ist, warum bedarf es dieser Rettungsaktion denn überhaupt? Das ist ja dann quasi nur auf dem Papier.

    Kampeter: Ja. Das hat etwas damit zu tun, dass der Kern der Krise bei der Hypo Real Estate kein Management-Versagen ist, sondern eine Vertrauenskrise. Die Hypo Real Estate ist nicht Täter, sondern eher Opfer in der Finanzkrise. Sie finanziert sich in einem Markt auf relativ kurzen Laufzeiten, der auf Vertrauen setzt. Dieser Markt ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht funktionsfähig.

    Schulz: Aber es werden doch an dem Markt, der im Moment nicht funktionsfähig ist, momentan ganz andere Werte gehandelt mit Hunderten von Milliarden. Warum sollen da ausgerechnet 25 Milliarden Vertrauen neu herstellen?

    Kampeter: Weil in den Geldmärkten im Augenblick es kein ausreichendes Angebot gibt und das führt dazu, dass diese Unternehmen keine Solvenzprobleme, sondern Liquiditätsprobleme haben. Wir schaffen jetzt das Vertrauen, indem wir die Bürgschaft darüber legen oder die Garantie darüber legen, und sie merken an den Märkten als erstes: die Börsenkurse dieses Unternehmens gehen wieder nach oben und es hat eine Perspektive. Ansonsten hätte heute die Aufsicht spätestens den Nagel durch die Tür geschlagen und wir hätten eine dicke fette Finanzkrise mit einer enormen Kettenreaktion bis hinein in das System vieler anderer Banken.

    Schulz: Und Sie meinen, sie schaffen Vertrauen in Richtung der Banken, die sich darauf verlassen können, dass der Staat schon einspringt?

    Kampeter: Nein. Wir schaffen Vertrauen, indem wir zum einen deutlich machen, das ist ein solventes Unternehmen, und zum anderen deutlich machen ja, ihr könnt diesem Unternehmen etwas leihen. Das halte ich für besser, als jetzt Steuerzahlergelder in die Hand zu nehmen und das Unternehmen zu verstaatlichen oder es mit einer Kapitalspritze aufzuhübschen. Das löst nicht die Ursache des Problems, sondern es macht deutlich, dass wir hilflos sind. Wir als Deutsche gehen hier einen ganz besonderen Weg und ich bin froh, dass die Bundesbank eigentlich konzeptionell hier im Hintergrund steht. Wir versuchen eben, das Geld der Steuerzahler durch die Garantie zu schützen und nicht gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen. Das ist ja ein Stück weit das Missverständnis, das auch gestern durch die Schlagzeilen einer Boulevard-Presse auftauchte, dass die Garantie das Ziel hat, den Bundeshaushalt zu schützen, und weniger das Ziel hat, den Steuerzahler in die Pflicht zu nehmen.

    Schulz: Herr Kampeter, Sie haben gesagt, das Risiko sei gering, was ja nicht heißt, dass das Risiko nicht existent ist. Jurastudenten lernen im ersten Semester, den Bürgen dürfe man würgen. Wenn es so weit käme, wäre der ausgeglichene Haushalt oder der angepeilte ausgeglichene Haushalt 2011 passé?

    Kampeter: Wenn wir unerwartet einen hohen Betrag ausgeben müssten, dann würde die Haushaltskonsolidierung selbstverständlich unter Stress geraten. Aber wir dürften eine solche Garantie nur dann geben, auch juristisch nur dann geben, wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit gering ist. Der Bundesbankpräsident hat gestern noch mal deutlich gemacht, hier haben wir keine große Ausfallwahrscheinlichkeit, sondern wir beseitigen ein offensichtlich systemisches Risiko. Ich weiß, dass es Unbehagen gibt. Das gibt es im Übrigen bei mir und bei vielen Kollegen auch. Nur Unbehagen ersetzt nicht ein Rettungskonzept. Und dass wir Alternativen geprüft haben, zeigt ja der Blick in die USA, nach England. Ich frage mich allen Ernstes, ob wir ernsthaft dieses Institut hätten verstaatlichen sollen, wie die Briten jedes Kriseninstitut verstaatlichen, oder ob die Kritiker allen Ernstes vorschlagen, dass wir ein Rettungspaket aus Steuergeldern finanzieren, wie die Amerikaner das machen. Wir wollen den Steuerzahler schützen. Deswegen die Garantielösung. Wir wollen in dem Sinne nicht die Vermögenswerte der Anleger, die spekuliert haben, der Zocker sichern. Unser Fokus ist ein etwas anderer als in vielen anderen Ländern.

    Schulz: Gleichwohl sagen Sie, wenn der Haushalt unter Stress gerät, was man auch als euphemistische Formulierung bezeichnen kann angesichts der Größenordnung, die ungefähr bei einem Sechstel des gesamten Haushaltsvolumens liegt. Wo käme das Geld dann her?

    Kampeter: Noch einmal: hier handelt es sich nicht um ein Krisenunternehmen, anders als bei der IKB, das sich verzockt hat, sondern ein Unternehmen, was unverschuldet in eine Liquiditätsklemme gekommen ist. Von daher wollen wir eine geregelte Abwicklung der Vermögenswerte. Das wird einige Jahre dauern. Das Risiko, was Sie beschreiben, sehe ich nicht, sondern ich sehe, dass hier sehr verantwortungsvoll im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ein neuer Weg beschritten wird, von dem ich erwarte, dass er eben nicht zu einer Belastung für den Haushalt führt.

    Schulz: Aber zurückkommend auf meine Frage, Herr Kampeter, wo käme das Geld her?

    Kampeter: Hätten wir nicht gehandelt, würde heute die Debatte darüber gehen, welche Steuerausfälle hätten wir daraus, dass 400 Milliarden Euro Bilanzsumme den Bach runtergegangen sind. Man muss ja die Alternativen auf den Tisch legen. Es gibt ja teilweise eine etwas naive Vorstellung, man könnte vier, fünf Verdächtige aus einem solchen Institut herausnehmen und aus deren Privatvermögen die Abwicklung finanzieren. Das geht leider nicht, diese Vorstellung zu realisieren, sondern wir haben erhebliche Schäden von Leuten, die überhaupt nicht beteiligt sind. Als Sachwalter dieser Menschen, die überhaupt nichts mit dem Institut zu tun haben, die dann die Kollateralschäden, die Folgeschäden tragen würden, als Sachwalter gilt dieser Garantieplan.

    Schulz: Herr Kampeter, aber die Frage ist ja - das haben Sie selbst klar gemacht - keine rein hypothetische. Ich gehe davon aus, dass die Regierung einen Plan B hat. Wo käme das Geld her, wenn es so weit käme?

    Kampeter: Es käme aus dem Bundeshaushalt. Das ist die Systematik. Wir geben im Jahr ungefähr 360 Milliarden Euro Garantien, um mal die Dimensionen deutlich zu machen. Wir geben diese Garantien nicht mit dem Ziel, sie aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, sondern wir schaffen mit diesen Garantien Vertrauen für Geschäfte, beispielsweise im Export in schwierige Länder oder auch in binnenwirtschaftliche Krisensituationen, genau mit dem Ziel, dass die Unternehmen fortgeführt werden können, dass die Exporte durchgeführt werden können. Und wir haben eine Inanspruchnahme dieser Garantien, die deutlich unter fünf Prozent liegt.

    Schulz: Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Obmann im Haushaltsausschuss Steffen Kampeter heute Morgen im Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank!

    Kampeter: Bitte sehr. Gerne!