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Heinrich Schliemann
Durchdrungen von schwärmerischer Überzeugung

Seine Biografie ist schillernd. Manche nennen ihn den Entdecker, manche den Zerstörer Trojas. Heinrich Schliemann ist einer der berühmtesten Archäologen, auch wenn er sich immer wieder geirrt hat und ihm bei seinen Ausgrabungen zahlreiche Fehler unterliefen. Heute vor 125 Jahren starb er.

Von Regina Kusch | 26.12.2015
    Der Nachguss der Bronzebüste des Archäologen Heinrich Schliemann (1822-1890) ist am Mittwoch, dem 9.5.2012 am Pfaffenteich in Schwerin zu sehen. Die Skulptur, die seit 1895 weitgehend unbehelligt im Stadtzentrum stand, war Ende August 2011 von Buntmetall-Dieben gestohlen worden.
    Die Bronzebüste des Archäologen Heinrich Schliemann. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    "Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes,
    Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung,
    Vieler Menschen Städte gesehn und Sitte gelernt hat."
    Schon als Junge träumte Heinrich Schliemann davon, einmal auf den Spuren des Odysseus zu wandeln, jenes Helden, den der griechische Dichter Homer in seinen Epen "Ilias" und "Odyssee" besingt. Odysseus hatte Troja einst durch eine List zerstört: Mit seinen Kriegern in einem hölzernen Pferd versteckt, konnte er in die Festung von König Priamos eindringen und sie erobern. Der Traum, die Ruinen Trojas auszugraben, hat Heinrich Schliemann nicht mehr losgelassen, erzählt Michael Mayer, prähistorischer Archäologe an der FU Berlin.
    "Troja ist sein großes Projekt. Er hat eben seinen Homer gelesen, er hat sich die Karten angeschaut und versucht zu verstehen, was meinte Homer? Wo kann das gewesen sein? Er glaubt Homer, dass das bis ins Detail genau die Schilderung dessen ist, was zu finden ist."
    Heinrich Schliemann kam aus kleinen Verhältnissen. Er wurde 1822 als Pfarrerssohn mit acht Geschwistern im mecklenburgischen Neubukow geboren. Es war nicht genügend Geld vorhanden, um ihn aufs Gymnasium zu schicken. Nach einer abgebrochenen Lehre als Handelsgehilfe arbeitete Schliemann zunächst als Bürobote in Amsterdam. Dort fing er an, autodidaktisch mehrere Sprachen zu lernen, und wurde bald ein international erfolgreicher Geschäftsmann. Als Bankier, Eisenbahninvestor und Lieferant der zaristischen Armee im Krimkrieg brachte er es zu einem so stattlichen Vermögen, dass er sich mit Anfang Vierzig ausschließlich der Suche nach Troja widmen konnte. Er verkaufte seine Firmen und studierte in Paris Altertumskunde, Literatur und Sprachen.
    1868 bereiste Schliemann die griechischen Inseln Korfu und Ithaka, ohne jedoch Spuren von Odysseus zu finden. In Kleinasien, an der Meerenge der Dardanellen, vermutete er den Burghügel von Troja und fing 1870 an, dort zu graben.
    "Er beginnt mit einer sehr brachialen Grabungsmethodik und schlägt da eine breite Schneise durch diesen Siedlungshügel, und ihn interessieren auch nicht die jüngeren Phasen, - also es gibt da exquisites Römisches, Hellenistisches usw. -, sondern er will Troja finden, also er will in die Endbronzezeit hinein, in die Zeit des Homer."
    Große Teile der Grabungen zerstört
    Schliemann zerstörte, wie er später zugab, große Teile der Siedlung, die er entdeckt hatte und konnte nicht beweisen, dass der Trojanische Krieg tatsächlich an diesem Ort stattgefunden hatte.
    "Was ihn dann doch auszeichnet ist, dass er zum Beispiel Leute wie Rudolf Virchow, den berühmten Berliner Gelehrten und Prähistoriker, mit nach Troja nimmt, er lädt ihn ein und lässt sich von ihm auch beraten. Und lässt sich dann auch einen Grabungsleiter. an die Seite stellen. Das zeichnet ihn dann aus, ... dass er offen ist, seine Methodik auch zu diskutieren, und dann auch zu verbessern und sich helfen zu lassen."
    Rudolf Virchow schrieb später: "Es mag sein, dass das bezaubernde Gemälde der unsterblichen Dichtung seine Phantasie zu sehr bestrickte, aber dieser Fehler des Gemüts enthielt doch auch das Geheimnis seines Erfolges. Wer würde so große, durch lange Jahre fortgesetzte Arbeiten unternommen, so gewaltige Mittel aus eigenem Besitz aufgewendet, durch eine fast endlos scheinende Reihe aufeinander gehäufter Trümmerschichten bis auf den in weiter Tiefe gelegenen Urboden durchgegraben haben, als ein Mann, der von einer sicheren, ja schwärmerischen Überzeugung durchdrungen war?"
    Schliemanns archäologischer Eifer hielt an. 1873 entdeckte er den "Schatz des Priamos", des legendären Königs von Troja, so glaubte er jedenfalls. Heute weiß man, dass er sich um gut 1250 Jahre in der Datierung geirrt hatte. Drei Jahre später meinte er, in Mykene die Goldmaske von König Agamemnon gefunden zu haben. Doch inzwischen geht die Forschung davon aus, dass es sich um das Grab eines mykenischen Fürsten einer vorhergegangenen Dynastie handelte. Als letztes großes Projekt hatte der Hobby-Archäologe sich in den Kopf gesetzt, das Grab Alexanders des Großen zu finden. Doch dazu kam es nicht mehr. Heinrich Schliemann starb am 26. Dezember 1890. Er gilt als einer der Pioniere der Feldarchäologie.