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Helmut Schmidt
Trauer über die Staatsgrenzen hinaus

Der Tod Helmut Schmidts macht viele Menschen in Deutschland und Europa betroffen. Von Bürgern, die sich vor dem Haus des Altkanzlers in stummer Trauer versammeln, bis hin zu amtierenden oder ehemaligen Regierungs- und Staatschefs, die Schmidt ihren Respekt zollen. Wir haben die Reaktionen zusammengefasst.

10.11.2015
    Die deutsche und die europäische Flagge vor dem Schloss Bellevue wehen auf Halbmast.
    Die deutsche und die europäische Flagge vor dem Schloss Bellevue wehen auf Halbmast. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Über die Partei- und Landesgrenzen hinaus haben Politiker auf den Tod des SPD-Politikers Schmidt reagiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete ihn als "politische Institution" dieses Landes, zu dem viele Menschen eine Zuneigung entwickelt hätten. Ihr persönlich hätten sein Rat und sein Urteil etwas bedeutet. Deutschland und Europa hätten Schmidt viel zu verdanken, wie etwa seine Bemühungen um die Europäische Integration und die Währungsunion.
    Die europäischen Pläne hatte Schmidt mit dem damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing vorangetrieben. Der 87-jährige d'Estaing bezeichnete Schmidt als einen "warmherzigen, treuen und ehrlichen Freund". "Er war der beste Kanzler, den Deutschland gekannt hat seit Konrad Adenauer."
    Frankreichs amtierender Präsident François Hollande würdigte den Altkanzler als "großen Europäer" und auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach Schmidt seine Anerkennung aus. Europa verliere "einen besonderen Menschen, dessen politischer Mut viel bewegt hat", so Juncker.
    Auch aus anderen europäischen Ländern wie Italien, Tschechien und den Niederlanden kamen Beileidsbekundungen und Würdigungen der politischen Leistung von Helmut Schmidt.
    Parteifreunde würdigen Schmidt
    Unter den Parteikollegen herrscht in Deutschland ebenfalls große Trauer. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel war einer der ersten, die vor die Presse traten: "Ein wirklich großer Patriot, ein großer Europäer und ein großer Sozialdemokrat ist gestorben", sagte der Vizekanzler. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nannte Schmidt "eine Vaterfigur" und Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte, man verliere mit Schmidt "eine gewichtige Stimme der Vernunft". Dabei war der Altkanzler nicht unumstritten und auch schon während seiner Amtszeit immer wieder innerhalb seiner Partei angeeckt.
    Genau das ist es wohl auch, was Schmidt über Parteigrenzen so beliebt gemacht hat, wie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt betonte. Er sei ein "kantiger, gradliniger und streitbarer Politiker und Denker" gewesen. Würdigungen kamen auch von Grünen, Linken und der FDP. Bundespräsident Joachim Gauck lobte, dass der Altkanzler auch "nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik als Verleger und Publizist ein aufmerksamer politischer Beobachter und Gestalter blieb".
    Während sich vor Schmidts Wohnhaus in Hamburg mehrere Dutzend Menschen versammelten, um in Stille zu trauern, drückten viele auch im Internet ihr Beileid aus. Auf mehreren Webseiten wurden Kondolenzbücher eingerichtet, außerdem teilten viele Twitter-Nutzer Bilder, die an den Altkanzler erinnern - wie etwa die "Süddeutsche Zeitung" mit einem Bild, auf dem neben dem Geburts- und Sterbedatum nur ein wenig Zigarettenqualm zu sehen ist.
    Ein Tweet hat Aufregung ausgelöst
    Vor allem ein Tweet sorgt aber auch für Empörung. Die CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, fügte einem Statement im Kurznachrichtendienst ein Zitat Schmidts bei, dass sich auf die aktuelle Diskussion in der Flüchtlingsdebatte übertragen lässt.
    Viele User, darunter prominente Politiker, warfen Steinbach Pietätlosigkeit vor, weil sie den Tod Schmidts mit politischen Forderungen vermische.
    Zur Einordnung des Zitats: Schmidt-Biograf Theo Sommer schreibt in dem Buch "Unser Schmidt", dass die Worte des Altkanzlers sich nicht gegen Ausländer richteten, sondern dass Schmidt befürchtete, dass die Deutschen mit der Einwanderung nicht fertig würden. Er wollte demnach mit einer restriktiven Einwanderungspolitik vermeiden, dass es nationalistische oder fremdenfeindliche Reaktionen gegenüber Ausländern durch Deutsche gibt.
    (pr/kis)