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Herr im Kulturheiligtum

Nun ist er doch wieder berufen worden: Der thüringische Kultusminister Christoph Matschie wollte im vergangenen Jahr den Vertrag von Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, nicht verlängern. Nach Protesten ist dies nun doch geschehen.

Von Blanka Weber |
    Es ist für Hellmut Seemann, den Mann, der vor zehn Jahren das Amt von Bernd Kauffmann übernommen hatte, ein Triumph. Öffentlich wurde er vom Minister des Landes diskreditiert. Ihm wurden Management- und fachliche Versäumnisse vorgeworfen. In einem kurzen Gespräch war er vor einem halben Jahr nach Erfurt bestellt worden. Ohne Umschweife wurde Seemann nahe gelegt, dass sein Vertrag 2011 nicht verlängert wird. Nun - wird er es doch!

    Für weitere vier Jahre ist der 57-jährige Präsident der Klassik Stiftung Weimar. Eine Stiftung mit Profil- und Strukturschwäche, eine Stiftung, die mit ihren großen Ausstellungen - wie derzeit Radierungen von Rembrandt - zu wenig wahrgenommen wird - als zweite größte Kulturstiftung des Landes. Dessen ist man sich in Weimar auch bewusst und will es ändern, sagt Wolfgang Holler:

    "Also ich glaube ganz wichtig ist, und das versuchen wir intern, aber auch mit den Gremien, dass man sich seiner gewiss wird, dass man alles abprüft, was haben wir getan, was wollen wir tun, das wäre ganz entscheidend als ein gewisses retardierendes Moment."

    Viel Zeit bleibt dafür nicht, denn im Mai will der Wissenschaftsrat eine Evaluierung vorlegen. Dann geht es darum, konkret Schwächen zu beheben. Das wäre auch im Sinne von Kulturminister Christoph Matschie, der heute nochmals für eine neue Ausrichtung der Stiftung plädierte. Er sei bereit für eine konstruktive Zusammenarbeit, hieß es in einer kurzen Mitteilung.

    Ein Signal, was notwendig ist, um weiteren Schaden zu vermeiden. Im Hick-Hack der Präsidentensuche hat nicht nur der Amtsinhaber Blessuren erlitten - jetzt ist es der Minister - der um Contenance ringen muss. Der Kontakt zwischen ihm und Seemann ist frostig. Nun also ist der Minister blamiert. Der Stiftungsrat sprach sich heute in Berlin einstimmig für Hellmut Seemann aus. Der zweite Mann im Rennen, Ernst Osterkamp von der Humboldt-Universität Berlin hatte vor der Beratung bekannt gegeben, er würde nicht für das Amt zur Verfügung stehen. Sowohl Osterkamp als auch Seemann galten als die beiden Favoriten einer Findungskommission. 27 Personen waren einst für die Präsidenten-Nachfolge im Gespräch. Auch Wolfgang Holler, der einst von den Kunstsammlungen Dresden nach Weimar geholt worden war. Er eröffnete heute eine Foto-Ausstellung im Neuen Museum. Moderne Kunst - vernetzt mit der Klassik. Das sei der künftige Weg, so Holler:

    "Denn auch da finde ich neue Momente, die Klassik neu zu definieren. Ich denke, in diese Richtung müsste man gehen. Also die Klassik als weiteres Verständnis und nicht nur konzentriert auf die Zeit um 1800."

    "Kosmos Weimar" heißt das große Ideal und Ziel der Stiftung. Das Schloss soll zentraler Mittelpunkt werden. Jährlich 24 Millionen Euro kommen von Bund, Land, Stadt und aus eigenen Mitteln. Genau hier - in der schwierigen Konstruktion - liegt die Ursache für manch schleppendes Agieren, wie beim jahrelang debattierten Bau vom neuen Bauhaus-Museum.

    "Ich meine unsere strukturelle Situation ist nicht leicht und ich vermute auch, dass der Wissenschaftsrat auch da einiges zu sagen wird. Sicherlich kann man auch da einiges verschlacken, befördern und beschleunigen."

    Genau das wird die Stiftung jetzt tun müssen. Mehr Strahlkraft wird erwartet und ein besseres Management. Seine 3 Stiftungsdirektoren dürfte Hellmut Seemann hinter sich wissen, zum einen Michael Knoche - Direktor der Anna-Amalia-Bibliothek, zum anderen Bernhard Fischer vom Goethe-Schiller-Archiv und eben Wolfgang Holler:
    "Wir wissen einfach, dass die Gäste, die von außen kommen, ganz stark auf das Bauhausmuseum gehen. Also die Internationalität, die von uns verlangt wird, die Öffnung oder sagen wir, die Welt hier noch mehr hinein zu holen, das hängt ganz entscheidend damit zusammen, ob wir es schaffen, diese Popularisierung des Bauhauses und weit darüber hinaus zu schaffen. Ich denke, das wäre ein Punkt, wo man unbedingt ansetzen muss."

    Viel Zeit bleibt also nicht, wenn der neue und alte Präsident der Stiftung Vorwürfe der Plan- und Konzeptionslosigkeit entkräften will. Ähnlich dürfte es auch Kulturminister Christoph Matschie gehen, der hier äußerst unglücklich agierte. Kulturpolitik ist ein Spannungsbogen geworden - auch einer inmitten der Regierungskoalition. Demnächst gilt es, die Orchester- und Theaterlandschaft erfolgreich zu finanzieren oder eben zu demontieren. In 3 Jahren wird in Thüringen wieder gewählt. Für vier Jahre hat die Klassik Stiftung nun zumindest einen neuen Präsidenten.