Homosexualität im Fußball
Schwul-lesbischer Fanklub "Hertha-Junxx" - Vorreiter gegen Homophobie

Vor 23 Jahren gründeten sich mit den Berliner Hertha-Junxx der erste schwul-lesbische Fanklub in Deutschland. Er war Vorbild für viele queere Fußballfans. Mittlerweile ist der Umgang toleranter geworden, doch Diskriminierung gibt es immer noch.

Von Thomas Wheeler | 12.05.2024
Ein Mann des schwul-lesbischen Fanklubs "Hertha-Junxx" von Hertha BSC Berlin hält im Olympiastadion Berlin einen Schal seines Fanklubs in die Luft.
Der schwul-lesbische Fanklub "Hertha-Junxx" war der erste seiner Art in Deutschland. 23 Jahre nach seiner Gründung hoffen die Fanklubmitglieder auf noch mehr Toleranz und Offenheit. (dpa / picture-alliance / Arno Burgi)
Gladbach-Fans diffamieren Anhänger des 1. FC Köln bei einem Bundesligaspiel. Leider sind homophobe Gesänge und Queer-feindliche Sprüche auch heute noch in deutschen Stadien zu hören. Immerhin: längst nicht mehr so häufig wie in den Achtziger und Neunziger Jahren, als ich Worte wie Schwuchtel oder schwule Sau für gegnerische Fans, Spieler oder den Schiedsrichter ziemlich oft gehört habe, wenn ich im Stadion war. Auch Annika, die zweite Vorsitzende der Hertha-Junxx, hat solche Erfahrungen gemacht.
„Klar hat man im Stadion Queer-feindliche Sprüche hinter einem, wo man dann auch mal was sagt, aber eigentlich ist es relativ ruhig im Stadion.“

Ein Banner für die Sichtbarkeit im Olympiastadion

Annika ist seit 2019 bei den Hertha-Junxx. Sie kam dazu, um Kontaktpersonen kennenzulernen, und sich selbst zu finden.
„Wenn ich Annika jetzt so rechts neben mir sehe, kann ich nur sagen, dafür hat sich die ganze Arbeit schon gelohnt. Er geht seinen Weg, und dafür hat sich alles schon gelohnt, was wir gemacht haben, bisher.“
Eine Frau mit roten Haaren und im Hertha-Trikot und ein mittelalter Mann sitzen an einem Tisch eines Cafés. Sie haben leere Kaffeegläser vor sich stehen.
Annika (li.), die zweite Vorsitzende der "Hertha-Junxx" und Vorsitzender Uwe Zühlsdorf (re.) sind zufrieden mit der Entwicklung ihres Fanklubs. (Deutschlandradio / Thomas Wheeeler )
Uwe ist seit 2017 der 1. Vorsitzende der Hertha-Junxx. Er trat die Nachfolge von Gerd Eiserbeck an, der vor sieben Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Eiserbeck war ein sehr aktives Mitglied der Hertha-Junxx und animierte diese, ein Banner bei den Heimspielen im Berliner Olympiastadion aufzuhängen.
Ein zwölf Meter langes Tuch mit der Aufschrift „Fußball ist alles, auch schwul“, befestigte der Fanklub auf der Gegentribüne. Auch mit anderen Slogans wie „Schwule Fans sind Hertha als man denkt“, machten die Hertha-Junxx auf sich aufmerksam. Heute sind sie einer von über 800 Fanklubs des Zweitligisten.
„Bei uns sind selbstverständlich Alle willkommen. Egal ob Cis, Trans, Hetero, schwul, lesbisch. Es können alle zu uns kommen.“

2001 der erste schwul-lesbische Fanklub

Als sich die Hertha-Junxx 2001 als Fanklub gründeten, war dies ein Novum im deutschen Fußball. Seitdem hat sich einiges getan.
„Fast jeder Bundesligist, Zweitligist hat mittlerweile einen schwul-lesbischen Fanklub. Ja klar gab´s einen Austausch. Und wir wurden auch mal gefragt, was habt ihr gemacht, wie ist das bei euch entstanden. Ja, und dann kannte man ja auch mal andere Fans. Dann kam ein Bremer auf uns zu. Die Bremer kannten wieder irgendwelche Schalker, und die wieder irgendwelche Hamburger. Und irgendwann ist ja auch dieses Queer Fußball-Netzwerk entstanden.“
2006 war dies, als zur Weltmeisterschaft Fans aus Berlin, Stuttgart und Dortmund das Netzwerk ins Leben riefen. Inzwischen haben einige Vereine sogar schon zwei Queer- Fanklubs.

Die Mitgliederzahl im Fanklub ist gesunken

Die Verantwortlichen von Hertha BSC reagierten von Anfang an offen auf die Hertha-Junxx und registrierten diese 2002 offiziell als Fanklub des Vereins. Dieses freundschaftliche Miteinander ist bis heute so geblieben.
„Beim schwul-lesbischen Stadtfest oder dem Motzstraßenfest, wie man es auch nennt, haben wir immer so einen Merchandising-Anhänger, wo wir dann auch von Hertha ein bisschen Merchandise bekommen. Und wir uns auf dem Stadtfest auch repräsentieren können, und oftmals kommen auch Welche von Hertha aus dem Präsidium. Einer aus der Geschäftsführung war auch mal zu Besuch.“ 
In ihren Hochzeiten hatten die Hertha-Junxx mal um die 30 Mitglieder. Heute sind es etwa Zehn. Damit sind sie ein relativ kleiner Fanklub von Hertha BSC. Das liegt möglicherweise auch daran, dass es für queere Fußballfans immer noch nicht selbstverständlich ist, sich so wie sind, in der Öffentlichkeit zu zeigen.
„Es ist aber halt das Typische, dass Schwul als schwach dargestellt wird, und das ist nun mal im Männerfußball so, dass es halt als Beleidigung kommt, schwul. Und es gibt aber mittlerweile auch in der Ostkurve Lager, die sich dann umdrehen und dagegen etwas sagen und dann auch diskutieren. Und dann ist bei den Personen in die Richtung Ruhe.“

Hoffnung auf noch mehr Toleranz in der Zukunft

Trotz der Tatsache, dass es Diskriminierungen dieser Art teilweise immer noch gibt, haben es die Hertha-Junxx mit ihren Initiativen geschafft, dass sie hierzulande mittlerweile deutlich weniger Probleme beim Stadionbesuch haben, als noch bei der Gründung des Fanklubs vor mehr als 20 Jahren, betont Uwe:
„Es ist Einiges besser geworden, aber nicht alles. Dass man doch offener damit umgehen kann. Sich nicht so verstecken muss, so wie früher. Man kann nur sagen, wenn man auch mal auswärts fährt, und die irgendwann mitkriegen, Upps, wir sind die Hertha-Junxx, ja, da sind wir akzeptiert.“
Stellvertretend für alle queeren Fußballfans hat Annika für die Zukunft einen Wunsch:
„Ich hoffe einfach, dass irgendwann der Tag gekommen ist, und so ist auch meine Auffassung, dass es einfach egal ist, wer wen liebt, und es uns auch egal sein muss, wer ein Coming-Out haben möchte, und wer nicht. Es ist nicht unsere Entscheidung, und wir sollten auch nicht so viel Druck aufbauen.“