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Herz in Heidelberg gefunden

Sie sollte geschlossen und abgewickelt werden, obwohl sie fachlich als hervorragend gilt: die Technische Informatik der Universität Mannheim. Weil die Universität künftig stärker auf die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften fokussiert werden soll, müssen andere Fächer weichen. Doch die Technische Informatik ging auf Exilsuche. Sechs Lehrstühle wechseln nun nach Heidelberg.

Von Ludger Fittkau |
    Der Abrissbagger kommt dem Gebäude der Technischen Informatik in Mannheim in diesen Tagen gefährlich nahe. Doch die Abrissarbeiten finden auf dem Nachbargrundstück statt. Das angrenzende Institut der Informatiker in der Mannheimer Innenstadt bleibt stehen. Am Eingang zum modernen Hörsaalzentrum des Gebäudekomplexes prangt der Schriftzug "Universität Mannheim", doch das wird sich demnächst ändern. Dann wird an den Informatik-Gebäuden auf dem Campus in Mannheim das Logo der Universität Heidelberg angebracht.

    Mit dem Handy vor der Tür steht Frank Habbel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Schaltungstechnik und Simulation. Dass er demnächst zur Uni aus der Nachbarstadt gehören wird, ist für ihn zweitrangig:

    "Grundsätzlich war es die einzige Konsequenz, die daraus gezogen werden konnte, weil: Die Uni Mannheim oder das Rektorat zeigte sich sehr unnachgiebig und sehr entschlossen in der Entscheidung, alles außer BWL abzuschaffen. Und infolgedessen war es die einzige Möglichkeit. Und das Wichtigste war, die TI zu retten und zu erhalten, und das ist dadurch geschehen."

    Im zweiten Stock des lichtdurchfluteten und modern gestalteten Institutsgebäudes liegen die großzügigen Lehrstuhlräume von Reinhard Männer. Der Informatik-Professor hat vor einem halben Jahr nicht mehr daran geglaubt, dass sein Fach im Rhein-Neckar-Raum noch eine Zukunft hat:

    "Wir verlieren zwar einen, den größten Lehrstuhl der Technischen Informatik, aber die anderen sechs Lehrstühle können in Heidelberg letztlich zu besseren Bedingungen arbeiten, als wir es hier in Mannheim haben können."

    Das heißt im Klartext: Sogar mehr Geld aus Stuttgart als bisher wird den ehemaligen Mannheimer Lehrstühlen für die Forschung unter dem Dach der Uni Heidelberg zufließen:

    "Was im Herbst beginnen wird, ist ein Bachelor-Studiengang Informatik, das heißt anwendungsorientierte Informatik, um genau zu sein. Das ist ein Studiengang, den wir gemeinsam mit den Heidelberger Informatik-Kollegen durchführen werden. Es gab ihn früher schon unter dem Namen in Heidelberg, allerdings wird er jetzt um die technischen Inhalte, die wir im Bachelor anbieten wollen, erweitert. Damit wird die Wahlmöglichkeit für die Studierenden besser, und sie können sich später dann entscheiden, ob sie mehr in die technische Richtung oder mehr in die reine Informatik-Richtung gehen wollen."

    Auf diesem Bachelor baut ein Masterstudiengang "Technische Informatik" auf, der dann ausschließlich in Mannheim stattfinden wird. Warum das gut ist, erklärt im Foyer vor den Hörsälen ein Studierender, der schon kurz vor dem Abschluss steht:

    "Die Ausstattung und die Arbeitsumgebung sind super, sind hervorragend, gehört natürlich dazu, man braucht einen gewissen Einsatz an Messgeräten, an Hardware, Labor, ohne das es nicht geht."

    Dass die mit 100 Millionen Euro eingerichteten Gebäude nun ganz im Gegensatz zu den ursprünglichen Plänen des Mannheimer Rektorates in vollem Umfang für die Technische Informatik erhalten bleiben werden, davon hätte Reinhard Männer vor kurzem nicht zu träumen gewagt:

    "Ursprünglich war das ja von der Universität Mannheim anders geplant. Eigentlich hatte Mannheim ja vor, sich auf Wirtschaft und Soziales zu fokussieren und andere Bereiche einschließlich der Technischen Informatik schlicht und einfach abzubauen und die kompletten Ressourcen einschließlich der zwei Millionen Euro die pro Jahr von Stuttgart nach Mannheim überwiesen werden und der Räume schlicht und einfach für andere Zweck zu verwenden. Und das ist doch ein herber Schlag für die Universität Mannheim, dass dies jetzt nicht so einfach geht."

    Seine Freude über diese Entwicklung kann Reinhard Männer nicht verhehlen. Gleichzeitig zögert er nicht mit Antwort auf die Frage, wem letztlich dieser aus seiner Sicht glückliche Ausgang des Konfliktes zu verdanken ist:

    "Das ist eigentlich hundertprozentig unseren Studierenden zuzurechnen und zweitens auch den Medien. Wir haben das immer als kompletten Wahnsinn betrachtet, dass man hier 100 Millionen Euro investiert, um etwas aufzubauen, und in dem Augenblick, wo es wirklich perfekt läuft, mit ganz praktischen Ergebnissen bis hin zu acht Spin-Off-Firmen, die in der kurzen Zeit gegründet worden sind, das man so was dann wieder wegen einer Fokussierungsinitiative einfach abbaut. Und insofern sind wir unseren Studenten sehr dankbar, dass sie da auf die Straße gegangen sind und das schlicht und einfach öffentlich gemacht haben. Und dann wurde schlicht und einfach der politische Druck so groß, dass diese Abwickelidee nicht mehr funktioniert hat, und letztlich war es dann unser Minister Frankenberg der auf den Tisch gehauen hat und gesagt hat: So wird das jetzt gemacht."

    Der räumlich gesehen lediglich virtuelle Umzug nach Heidelberg nämlich, in die organisatorische Obhut der dortigen Universität. Deshalb hat heute bei den Technischen Informatikern in Mannheim keiner mehr Angst vor dem Abrissbagger. Der bleibt definitiv auf dem Nachbargrundstück.