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Hessen-Wahlkampf
Grüne von Umfragen beflügelt

Die Grünen sind im Umfragen-Aufwind. Das bekommt die hessische Spitzenkandidatin Priska Hinz auch beim Wahlkampf in den Städten zu spüren. Doch ob rot-rot-grün, schwarz-grün oder Ampel, gerade jetzt heiße es, solide weitermachen, sagt sie.

Von Ann-Kathrin Büüsker |
    21.04.2018, Hessen, Fulda: Priska Hinz, Umweltministerin in Hessen (Bündnis 90/Die Grünen), redet auf dem Landesparteitag vom Bündnis 90/Die Grünen in Hessen. Foto: Fabian Sommer/dpa | Verwendung weltweit
    Die Umfragewerte zeigen nach oben, aber die Spitzenkandidatin der Grünen für die Hessenwahl Priska Hinz will sich den Zuspruch nicht zu Kopfe steigen lassen (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
    "Ingrid, willst du auch 'n Sonnenblumensamen? Ingrid?"
    Die Blumensamen am Wahlkampfstand der Grünen auf dem Eisenmarkt in Wetzlar sind der Renner. Insgesamt ist die Laune an diesem kalten Morgen vor pittoresk wirkenden Fachwerkhäusern gut. Gleich nebenan steht die FDP und verteilt Rosen, die CDU Gummibärchen. Man kennt sich, man schätzt sich.
    "Tag, darf ich Ihnen das mitgeben?"
    Priska Hinz ist amtierende Umweltministerin und Spitzenkandidatin der Grünen. Die 59-Jährige trägt eine rote Lederjacke, kein politisches Zeichen, wie sie sagt. Sie wirkt gelöst – dank Rückenwind aus Berlin und Bayern. Und auch die Umfragen in Hessen sehen blendend aus.
    Ihr Parteikollege, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir ist derzeit der beliebteste Politiker im Bundesland.
    Stärkeres Interesse der Leute an Inhalten
    Doch nicht alles, was die Grünen machen, trifft an diesem Morgen auf Zustimmung. Ein älterer Herr weist das Infomaterial brüsk von sich. Dass der grüne Wirtschaftsminister der Berufung gegen das Urteil zum Diesel-Fahrverbot in Frankfurt zugestimmt hat, ärgert ihn maßlos. Er ist so frustriert, er will nicht einmal darüber diskutieren.
    "Nee."
    "Nee, wollen Sie gar nicht hören?"
    "Ich hab das doch im Fernsehen schon gesehen die Begründung, auch von Ihnen. Ich bin damit nicht einverstanden, und damit ist es so."
    Szenen wie diese seien in diesem Wahlkampf aber selten, berichtet Priska Hinz. Die Leute interessierten sich viel stärker für die Inhalte der Partei, als in vorangegangenen Wahlkämpfen.
    Ganztagsbetreuung und Energiewende
    So wie eine junge Mutter, die über Ganztagsbetreuung diskutieren möchte. Sie wünscht sich Entscheidungsfreiheit, will ihr Kind bewusst nicht in die Ganztagsbetreuung schicken. Ihre Sorge: Die Grünen könnten diese Wahlfreiheit einschränken.
    "Aber gegen den Willen wollen wir das nicht einrichten."
    "Ja, das ist hier nämlich genau das Problem…"
    Hinz kann die Frau mit ihren Erklärungen nur bedingt überzeugen. Dabei identifiziert diese sich eigentlich mit der Partei:
    "Absolut. Ich bin ja auch ehrlich, vielleicht wähle ich am Schluss sogar grün, weil für mich ist momentan das Wichtigste, dass die Energiewende geschafft wird. Der Klimawandel betrifft alle."
    Thema Klimaschutz "ist vor der Haustür angekommen"
    Der Fokus auf Klimaschutz. Konkrete Konzepte für die Umwelt – darin sieht die grüne Spitzenkandidatin eine Erklärung für den derzeitigen Erfolg ihrer Partei. Durch die Dürre des Sommers spürten viele Menschen zum ersten Mal die unmittelbaren Folgen am eigenen Leib.
    "Ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass das Thema Klimaschutz nicht mehr so ein rein abstraktes, theoretisches ist, es ist tatsächlich vor der Haustür angekommen, im wahrsten Sinne des Wortes. Das heißt es ist angekommen und die Leute wollen wissen was macht die Politik für uns künftig zum Schutz und da fühlen sie sich bei den Grünen richtig aufgehoben."
    Keine Koalitionsspiele vor der Wahl
    Die Frage nach dem Erfolg und seinen Konsequenzen kommt an diesem Morgen in Wetzlar immer wieder zur Sprache. Ein grüner Ministerpräsident in Hessen – das klingt für manchen Wähler schon vielversprechend. Erst recht in einem Szenario grün-rot-rot.
    "Aber ich glaube nicht, dass die Freundschaft zwischen Linken und Grünen schon so weit entwickelt ist, dass das emotional klappen würde, oder?"
    Hinz wehrt lachend ab – sie will sich auf solche Gedankenspiele nicht einlassen.
    "Ich finde die Diskussion im Moment deshalb etwas abwegig, weil es – wir haben eine super Stimmung im Moment, aber wir haben noch keine Stimmen und kein Ergebnis. Und wenn das jetzt so gehyped wird, nach dem Motto, es ist alles möglich und dann… Es wirkt sich ja auch auf Motivation aus und auf Leute, die dann taktisch plötzlich ganz anders wählen."
    Solide weitermachen
    Den Zuspruch bloß nicht zu Kopf steigen lassen. Solide weitermachen – gerne auch mit dem jetzigen Koalitionspartner, denn mit der CDU haben sich die Grünen in Hessen gut eingespielt. Verluste der Konservativen könnten die Grünen durch ihren Erfolg wettmachen und so in einer Koalition noch mehr eigene Inhalte umsetzen. Eine überaus komfortable Position.
    "Das darfst du nehmen. Das ist okay, das ist politisch korrekt."